Freitag, 26. April 2024

Sonnenbrille, Schal und Kapuze keine Vermummung: „Kandel gegen Rechts“-Demonstrant siegt vor Gericht

19. August 2019 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional

Amtsgericht Germersheim
Foto: Pfalz-Express

Kreis Germersheim – Am Freitag wurde vor dem Amtsgericht Germersheim der Einspruch des 48-jährigen M. gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt.

M., einem Mitglied des Bündnisses „Kandel gegen Rechts“ (KgR), wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a vorgeworfen.

Konkret soll er sich im September 2018 bei Protesten gegen das „Frauenbündnis Kandel“ von Marco Kurz zusammen mit weiteren Personen „mit normalen Bekleidungsgegenständen“ (Schal, Kapuzen und Sonnenbrillen) vermummt haben und diese auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben.

Gegen den Bußgeldbescheid legte M. Einspruch ein, es kam zur Verhandlung. Der Verteidiger von M. machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mit Kapuze nicht gegeben habe. Zudem läge kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn man sich zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummen würde.

Identität genannt

Da sich die Gruppe um M. quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe und so eine Identifizierung bereits erfolgt war, wäre diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem hätte M. sich „mit offenem Visier“, sprich mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, da er versucht hatte, eine Spontanversammlung anzumelden.

Dieser Sichtweise schloss sich nach Auskunft von M. auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er habe eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim bezeichnet, zumal „Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Websites“ im Umfeld des „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien.

Verteidigung und Staatsanwaltschaft einig

So forderten sowohl der Verteidiger von M. und der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war). Die Richterin ging noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von M., in dem diesem bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben

Der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim war somit nicht rechtmäßig. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Bemerkenswert seien einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin gewesen. So „stutzte“ der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. In diesem Punkt habe er die Sichtweise vertreten, dass das „Frauenbündnis Kandel „sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts“ sei.

Die Richterin wiederum begründete ihr Urteil (bzw. die nicht erfolgte Einstellung des Verfahrens) unter anderem damit, dass sie „ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim“ senden wolle. Sie habe schon „mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen“, keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen.

Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie beides häufig mit sich führen würde.

M. sagte nach dem Urteil, dass er darin ein klares Signal gegen die von „Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung“ sähe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klar gestellt, dass die zuständigen Behörden „willkürlich und rechtlich unzulässig“ gehandelt hätten. (red/vp)

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29 Kommentare auf "Sonnenbrille, Schal und Kapuze keine Vermummung: „Kandel gegen Rechts“-Demonstrant siegt vor Gericht"

  1. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    Sicher wird die Polizei mit einem solchen Urteil sehr stark motiviert …

    Die Kommentare der Richterin, insbesondere die Pauschalierung von mehreren Bußgeldbescheiden als „rechtlich nicht haltbar“, sprechen für eine außerordentlich hohe Qualifizierung. Ein vor Ort Besuch wäre für die Dame sicherlich bildungswirksam.

    • Kannler sagt:

      Tja, die Befähigung zum Ricbteramt setzt u.a. das abgeschlossene 2. juristische Staatsexamen voraus. Ich gehe davon aus, dass die Richterin somit in juristischen Fragen deutlich höher als ein gewisser GGGetc. qualifiziert ist. Lass mich raten: bei Dir ist es eher ein Abschluss der Youtube-Jura-Fakultät?

      Im Übrigen ist „stark motiviert“ sein keine zwingende Kernkompetenz der Polizei oder der Versammlungsbehörde – geltendes Recht zu beachten und zu schützen dagegen schon. Und das haben sie in diesem Fall eindeutig nicht getan, wie die Richterin allein schon durch ihr Urteil festgestellt hat. Die Feststellung, dass dies nicht der einzige Fall war, wo seitens dieser Behörden geltendes Recht missachtet wurde, ist da schon sehr vielsagend.

  2. Tatsachen sagt:

    @gekeife
    Bei einem Besuch vor Ort würde jeder Richter erst recht entsetzt sein.

    Die Jagd der lokalen CDU auf vermeintlich anwesende gefährliche Linksextremisten ist lächerlich und hat mit dem, was wirklich stattfindet, absolut nichts zu tun.
    Aber darum geht es der lokalen CDU auch nicht. Man frönt einem bundesweiten Dogma und der Idee, dass sich Rechts- und Linksextremismus gegenseitig bedingen würden.
    Nun gut, man könnte doch die vorhandenen Rechtsextremen bekämpfen, dann verschwinden die Linken von selbst ?

  3. Hans sagt:

    Nach solchen Aussagen, gehören die Richterin und der Staatsanwalt, von ihren Ämtern enthoben. Denn für beide gilt, laut Gesetz ein Neutralitätsgebot, und deren private Meinung hat in einer Verhandlung nichts zu suchen!

  4. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    Nur zu Erinnerung:

    „Am Freitag, 12. Juli, verurteilte das Jugendschöffengericht einen 21-Jährigen aus Stuttgart wegen Landfriedensbruchs, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 25 Euro.“ Quelle: RP

    Der Straftäter will übrigens Erzieher werden. Erziehung zu was?

  5. Steuerzahler sagt:

    Wenn das kein politisches Urteil ist, dann gibt es keine. Was für eine Argumentation! Man stelle sich nur vor der Demonstrant hätte eine Socke oder Unterhose zur Unkenntlichmachung über sein Gesicht gezogen. Diese Gegenstände führen auch viele Leute ständig mit.

    • Kannler sagt:

      Ein „politisches Urteil“? Oh mein Gott, da muss der Aluhut ganz schön drücken.

      Übrigens wäre auch eine Vermummung mit einer Unterhose zulässig, wenn sie lediglich dem Schutz vor den (…) Fotografen dienen würde. 🙂

      • Steuerzahler sagt:

        Ist es nicht immer die Gesicht-zeigen-Fraktion die ihr Gesicht nicht zeigen will?

        • Kannler sagt:

          Warum sollte ich einer Bande von Rechtsextremisten mein Gesicht zeigen, wenn ich weiß, dass von dieser Seite regelrechte Hetzjagden auf alle, die nicht kurzer Meinung sind, gestartet werden? Wenn ich weiß, dass ein Lügen-Stöckl regelmäßig Videos der Gegendemonstranten online stellt? Wenn ich weiß, dass Shorty gerne mal Aufmärsche vor Wohnhäusern seiner Gegner macht? Oder kurz: warum soll ich mich dem Psychoterror von Shorty & Co, unterwerfen?

  6. Jürgen sagt:

    Der Artikel zeigt, wie erbärmlich es um die Gewaltenteilung in Deutschland mittlerweile steht. Mit der Urteilsbegründung hätte ich bei jeder Demo des Frauenbündnisses das Recht, mich zu vermummen, angesichts der „Pressefotografen“ ringsum, mit ihren ellenlangen Teleobjektiven. Mit einem hatte ich mich in Landau sogar unterhalten. Seine Begründung, er wolle sinngemäß nur seiner journalistischen Tätigkeit nachgehen, fällt für mich in den Bereich der Märchen und Fabeln. Ich selbst wurde schon als Porträt auf einer solchen „linken“ (für mich kriminellen) Plattform veröffentlicht. Trotzdem ist das für mich kein Grund, mich zu vermummen, auch wenn ich die Haustür mittlerweile vorsichtiger öffne, bevor ich hinaustrete und meine Reifen kontrolliere, bevor ich wegfahre.

    • Kannler sagt:

      Was „Gewaltenteilung“ bedeutet, solltest Du vielleicht nochmal googeln.

      Und zum Rest: netter Whataboutism…

  7. Aufgewachte sagt:

    Aus dem Urteil ziehe ich die Schlussfolgerung, dass jetzt alle Demonstranten mit Kapuze, Schal und Sonnenbrille auftreten können. So ist es doch gemeint, Frau Richterin und Herr Staatsanwalt?

  8. Kannler sagt:

    Vielleicht sollten die ganzen empörten Hobby-Juristen von der Youtube-Jura-Fakultät einfach mal anfangen, sich mit aktuellen Kommentierungen zum versammlungsrechtlichen Vermummungsverbot zu befassen. Zum Einlesen empfiehlt sich zum Beispiel der Bericht „Das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot“ des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 13. September 2018. Eine sehr erhellende und aufschlussreiche Lektüre, die auch durch den Verteidiger des M. im Verlauf der Verhandlung zitiert wurde. Dort wiederum ist insbesondere der Passus 3.3 interessant:

    • Kannler sagt:

      Fortsetzung

      „Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Identität eines Versammlungsteilnehmers haben nur die Polizei und die Versammlungsbehörde.Daher verstößt nicht gegen das Verbot, wer sich vermummt, um von Dritten nicht erkannt zu werden. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn sich ein Teilnehmer vor gewaltbereiten politischen Gegnern schützen will, insbesondere wenn diese Versammlungsteilnehmer fotografieren.“

      Diese Ausarbeitung ist übrigens auch mit Fußnoten und Quellen versehen, damit auch die besorgten Wutbürger wissen, wo sie weiterlesen können, wenn sie sich mit der juristischen Realität befassen wollen.

      Man kann jedenfalls zweifelsfrei konstatieren, dass die Richterin am Freitag völlig im Einklang mit der Gesetzeslage geurteilt hat.

  9. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    „… wenn sich ein Teilnehmer vor gewaltbereiten politischen Gegnern schützen will, …“

    Danke! Das Frauenbündnis darf sich zukünftig also vermumrnen und die Antifa nur, wenn sich ein Gesinnungsrichter findet ….

    • Kannler sagt:

      Ein neuerlicher Beweis dafür, dass es mit dem Textverständnis bei den letzten verbliebenen Anhängern der Kurz-Sekte nicht allzu weit her ist.

  10. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    „Und zum Rest: netter Whataboutism… “

    Im Selbstgespräch?

  11. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    Die überaus qualifizierte Sichtweise von Richterin und Staatsanwaltschaft wird heute durch einen Leserbrief in der RP voll und ganz bestätigt:

    ‚Von jeher werden die eingesetzten Beamten beleidigt … Das fängt an mit „Bullenschwein“, geht weiter mit „Deutsche Polizisten Mörder und Faschisten“ … Das ist ja dem geistigen Müll keine Grenze gesetzt. Ich selbst war bei Demos in Kandel dabei, die Beschimpfungen waren unüberhörbar. … was sich die Antifa erlaubt ist jenseits des guten Geschmacks. Da werden Teilnehmer einer friedlichen Demo fast über den Haufen gerannt von irgendwelchen vermummten Idioten, die in ihrem Hass über alles hinwegtrampeln …Es werden Gegenstände auf die Beamten geworfen …‘

    ‚Ich unterstütze jede Demo gegen „Rechts“, aber nicht so.‘

    • Kannler sagt:

      Tja, „überaus qualifiziert“ – im Vergleich mit wem? Vermutlich im Vergleich mit Dir schon, oder kannst Du das 2. jur. Staatsexamen nachweisen? Oder hat es doch nur für 2 Clips in der Youtube-Jura-Fakultät gereicht (ähnlich wie bei Shorty, der ja mit seinem gestrigen Video wieder mal deutlich bewiesen hat, dass er null Ahnung von jur. Themen hat)?

      Es ist schon lustig, dass ausgerechnet die Leute aus der rechten Ecke, die sonst soooo gerne von „Recht und Ordnung“ schwadronieren, ein Problem damit haben, wenn das Ergebnis desselben nicht den eigenen … Vorstellungen entspricht.

  12. Helga sagt:

    Ich verstehe die Hysterie nicht, die sich hier breit macht. Wie die Richterin schon sagte, Sonnenbrille und Schal trägt halb Deutschland. Einer der Kommentatoren geht sogar soweit, dass er verlangt, dass die Richterin und der Staatsanwalt abgesetzt werden müssten. Das ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu toppen!

    • Kannler sagt:

      Es geht ja noch weiter – Shorty hat gestern mal wieder einen seiner üblichen, nur minimalst verklausulierten …. gebracht. Gegen Richterin und Staatsanwalt. Tja, die Staatsanwaltschaft ist hierüber informiert, Anzeige ist erstattet. Man kann davon ausgehen, dass er demnächst sehr unangenehme Post bekommen wird. Dieses Mal dürfte er den Bogen überspannt haben. Ich freu mich schon auf die Quittung, die er bekommen wird (und dann steht er ganz schön dumm da – so ganz ohne Rechtsschutzversicherung, die ihm ja nach eigenen Angaben den Vertrag gekündigt hat – dann wird er wieder um Spenden bei seinen Jüngern betteln). Das wird lustig. 🙂

  13. Frank sagt:

    Mich würde mal interessieren wo der bekannte Fussballer den jeder kennt ist den Frau Kurz mal zu einer Demo angekündigt hat!!!!????

    • Kannler sagt:

      Na ist doch klar: da wo die ganzen Omnibusse sind, die angeblich bei einer seiner früheren Aufmärsche in Kandel im Vorfeld aufgehalten worden sein sollen. 🙂

      Oder anders gesagt: der bekannte Fußballer ist eine weitere Shorty-Lüge gewesen.

  14. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    „Youtube-Jura-Fakultät?“

    Der Witz bringt einem bereits beim ersten mal nicht zum Lachen. Die Wiederholungen machen es somit auch nicht besser. Lasst euch was besseres einfallen, Argumente beispielsweise.

    • Kannler sagt:

      Das beste, ja sogar das einzig zählende Argument hat hier die Richterin gebracht, die nach Recht und Gesetz geurteilt hat. Da können Du und Deine Freunde noch so sehr gegen das Urteil hetzen, die Richterin und den Vertreter der Staatsanwaltschaft beleidigen oder gar Morddrohungen gegen die Beiden ausstoßen (was Freund Shorty vermutlich über kurz oder lang massive Probleme bereiten dürfte): die Faktenlage ist hier eindeutig.

      Und dass es sich nicht um eine Einzelmeinung der Richterin handelt, zeigt die oben bereits erwähnte Kommentierung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Man fragt sich ja fast, warum dazu keiner der Diskutanten vom rechten Rand etwas geschrieben hat. Tja, Recht und Gesetz ist halt nichts für den rechten Rand.