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Sonnenbrille, Schal und Kapuze keine Vermummung: „Kandel gegen Rechts“-Demonstrant siegt vor Gericht

Amtsgericht Germersheim
Foto: Pfalz-Express

Kreis Germersheim – Am Freitag wurde vor dem Amtsgericht Germersheim der Einspruch des 48-jährigen M. gegen einen von der Kreisverwaltung Germersheim erstellten Bußgeldbescheid in deutlich dreistelliger Höhe verhandelt.

M., einem Mitglied des Bündnisses „Kandel gegen Rechts“ (KgR), wurde ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1a vorgeworfen.

Konkret soll er sich im September 2018 bei Protesten gegen das „Frauenbündnis Kandel“ von Marco Kurz zusammen mit weiteren Personen „mit normalen Bekleidungsgegenständen“ (Schal, Kapuzen und Sonnenbrillen) vermummt haben und diese auf Aufforderung der Polizei „nur widerwillig“ entfernt haben.

Gegen den Bußgeldbescheid legte M. Einspruch ein, es kam zur Verhandlung. Der Verteidiger von M. machte von Anfang an klar, dass es die vorgeworfene Vermummung mit Kapuze nicht gegeben habe. Zudem läge kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. Dieser läge nach allgemeiner Rechtsauffassung nur vor, wenn man sich zwecks Verhinderung der Feststellung der Identität vermummen würde.

Identität genannt

Da sich die Gruppe um M. quasi unmittelbar nach Betreten der Demonstrationsroute des „Frauenbündnisses Kandel“ in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe und so eine Identifizierung bereits erfolgt war, wäre diese Vermummungsabsicht nicht gegeben gewesen. Zudem hätte M. sich „mit offenem Visier“, sprich mit Nennung des Namens, bei den Polizisten und den Vertretern der Versammlungsbehörde vorgestellt, da er versucht hatte, eine Spontanversammlung anzumelden.

Dieser Sichtweise schloss sich nach Auskunft von M. auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft an. Er habe eine Vermummung mit dem ausschließlichen Ziel, nicht von Mitgliedern des Aufmarsches des „Frauenbündnisses Kandel“ erkannt und fotografiert zu werden, sogar als legitim bezeichnet, zumal „Bilder der Gegendemonstranten bereits auf einschlägigen Websites“ im Umfeld des „Frauenbündnisses Kandel“ publiziert worden seien.

Verteidigung und Staatsanwaltschaft einig

So forderten sowohl der Verteidiger von M. und der Vertreter der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens (analog zu einem gleichgelagerten Fall, der bereits im Juni vor dem Amtsgericht Kandel eingestellt worden war). Die Richterin ging noch einen Schritt weiter und stellte das Verfahren nicht ein, sondern fällte ein Urteil zu Gunsten von M., in dem diesem bescheinigt wurde, nicht gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben

Der Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung Germersheim war somit nicht rechtmäßig. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Bemerkenswert seien einige Aussagen sowohl des Vertreters der Staatsanwaltschaft als auch der Richterin gewesen. So „stutzte“ der Vertreter der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung des Tatvorwurfs, denn dort war vom „bürgerlich-rechten Aufzug“ die Rede. In diesem Punkt habe er die Sichtweise vertreten, dass das „Frauenbündnis Kandel „sicher nicht bürgerlich, sondern klar rechts“ sei.

Die Richterin wiederum begründete ihr Urteil (bzw. die nicht erfolgte Einstellung des Verfahrens) unter anderem damit, dass sie „ein Zeichen an die Kreisverwaltung Germersheim“ senden wolle. Sie habe schon „mehrere Bußgeldbescheide im Zusammenhang mit den Gegendemonstrationen gegen die rechten Aufmärsche in Kandel gesehen“, keiner davon sei rechtlich haltbar gewesen.

Zudem merkte sie an, dass, wenn man Sonnenbrillen oder Schals schon als Vermummungsgegenstände ansehen würde, sie sich selbst regelmäßig strafbar machen würde, da sie beides häufig mit sich führen würde.

M. sagte nach dem Urteil, dass er darin ein klares Signal gegen die von „Polizei und Kreisverwaltung immer wieder versuchte Kriminalisierung des Protests gegen die rechtsextremen Aufmärsche in Kandel und Umgebung“ sähe. Mit dem Urteil wurde seiner Meinung nach klar gestellt, dass die zuständigen Behörden „willkürlich und rechtlich unzulässig“ gehandelt hätten. (red/vp)

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