Freitag, 17. Mai 2024

Landauer OB Dr. Dominik Geißler im Pfalz-Express-Interview: So waren die ersten 100 Tage im Amt

10. April 2023 | Kategorie: Landau, Politik regional, Regional, Regional

OB Dr. Geißler im Pfalz-Express-Interview.
Foto: Rolf H. Epple/Pfalz-Express

Landau. Die 100-Tage-Frist bemisst die Zeitdauer, die nach einer Faustregel des Journalismus einem neuen (politischen) Amtsinhaber oder einer neuen Regierung zugestanden wird, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen.

Seit Januar ist Dr. Dominik Geißler im Amt des Landauer Oberbürgermeisters. Mittlerweile sind einige Monate vergangen, in denen bereits viel passiert ist. Zu seinem 100-tägigen Jubiläum haben wir die Gelegenheit genutzt, ihm einige Fragen zu stellen, um herauszufinden, wie er diese Zeit empfunden hat, welche Schlüsse er für die Zukunft gezogen hat und worauf er sich in der kommenden Zeit am meisten freut.

Im Arbeitszimmer des musikbegeisterten OB…

Pfalz-Express (PEX): Herr Geißler, sie sind am 10. April 100 Tage im Amt. Wie schnell sind denn diese Tage vorbeigegangen? Wie haben Sie den Zeitraum empfunden? Welche Ziele haben Sie sich für diesen Zeitraum gesetzt?

D.G.: Die Zeit ging sehr schnell vorbei! Ich habe sie als sehr intensiv empfunden. Es begann ja schon alles mit einer Überraschung, allerdings leider keiner positiven. Denn ich hatte im Dezember einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Dann kam aber kurze Zeit später ein Brief von der Landesregierung und ich sollte plötzlich fünf Millionen ausgeben für die Unterbringung von Geflüchteten. Die Aufnahme von Geflüchteten ist humanitär wichtig und richtig, nur leider nahm die kommunale Aufsichtsbehörde keine Rücksicht darauf, dass das Land uns als Stadt mit dieser plötzlichen Zusatzaufgabe den ausgeglichenen Haushalt ruiniert hatte. Trotzdem ist es uns letztlich gelungen, mit einem Kraftakt einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. 

Erfolge gab es auch bei der Kultur. Wir konnten das Dauerproblem mit dem Gloria lösen, sodass das Gloria in eine hoffentlich gute Zukunft blicken kann. Zumal wir auch die Vergnügungssteuer abgeschafft und rechtlich begonnen haben, in der östlichen Innenstadt allgemein Tanzveranstaltungen zu ermöglichen. Und die neue Flexline des ÖPNV ist eine Bereicherung auch für die Nachtschwärmer.

Es war einfach allgemein viel los in diesen ersten drei Monaten und das wird auch so weitergehen. Ich denke an Neubaugebiete, an Wohnraummanagement und an klimaneutrale, erschwingliche Versorgung mit Wärme, auch, um unabhängig von russischen Importen zu sein. Deshalb wird die Geothermie aller Voraussicht nach zum Zuge kommen. Dazu will ich noch in diesem Jahr eine große Bürgerbeteiligung erreichen.

Überhaupt hat das Thema Bürgerbeteiligung in den letzten drei Monaten ordentlich Fahrt aufgenommen – mit mehreren Diskussions-Veranstaltungen einschließlich des großen Formats zur Südstadt in der Maria-Ward-Schule. Weitere Veranstaltungen samt Vorhabenliste der Stadt sind in Planung.

….steht (natürlich) ein Klavier.
Fotos: Rolf H. Epple/Pfalz-Express

PEX: Sie haben im Wahlkampf immer die Beteiligung der Landauer Bürger in der Gestaltung der Attraktivität und Solidarität der Stadt angesprochen. Was wünschen Sie sich da konkret? Wo können sich die Bürger da einbringen?

D.G.: Ich wünsche mir für Landau eine strategische Bürgerbeteiligung. Darunter verstehe ich, dass die Stadtgesellschaft gemeinsam Ideen entwickelt: Wie soll die Stadt aussehen? Wie kann eine ökologische Stadt, eine Stadt für Junge und Alte gestaltet werden? Eine Stadt muss offen sein für alle. Das soll in Landau ein großer gemeinsamer Prozess werden. Und bei kleineren Anliegen an die Stadtverwaltung empfehle ich den Ideen- und Mängelmelder im Internet. Er ist unter www.mitredeninLD.de zu finden. Da hat man den direkten Draht zu den zuständigen Mitarbeitenden in der Verwaltung und bekommt zeitnah Rückmeldung zum eigenen Anliegen.

PEX: Wie sehen Sie die Zukunft der Innenstadt?

D.G.: Wir wollen das Stadtmarketing neu aufstellen und verbessern und uns fragen, wie die Stadtplanung in den nächsten 10 Jahren aussehen wird. Dabei ist auch das Thema Leerstand wichtig. Es gibt prominente Gebäude, denen ich mich weiterhin intensiv widmen werde. Ich möchte mit den Eigentümern reden, und zwar durchaus im Konsens. Es ist aber auch klar, dass Eigentum verpflichtet. Da erwarte ich schon, dass die Eigentümer einige Schritte auf uns zu machen. Ein gutes Stadtbild ist extrem wichtig für die Außendarstellung von Landau und für die soziale Wirkung in die Stadtgesellschaft.

PEX: Wie stehen Sie zur energetischen Sanierung alter Gebäude? Landau hat ja einen großen Denkmalanteil.

D.G.: Unsere Baudenkmäler von außen mit Styropor vollzuklatschen, wäre eine ökologische Sauerei und ästhetische Bilderstürmerei. Innendämmung und/oder erneuerbare Nahwärme würden da viel helfen. Auf jeden Fall muss die attraktive Außendarstellung und Binnenwirkung der Stadt durch den Denkmalschutz gewährleistet bleiben. Was nicht heißt, dass in der Innenstadt nicht moderne, aufsehenerregende Bau-Ästhetik verwirklicht werden könnte und sollte! Da ist viel Luft nach oben. Vorerst sollten wir aber mobile Photovoltaikanlagen zulassen. Dazu gibt es ja schon einige Anträge von den Fraktionen im Stadtrat. Das wird spannend!

PEX: Und wie stehen Sie zur Fernwärme?

D.G.: Mit der Geothermie haben wir eine große Chance vor der Haustür. Die Versorgung der Gebäude mit Nahwärme spielt für mich dabei die wichtigste Rolle. Da gibt es zwei Pilotprojekte, die wir in der Pipeline haben, auch wegen möglicher Förderungen: Wir wollen den Horst mit dem Schulzentrum Ost bis zum LA OLA mit Nah-/Fernwärme versorgen. Aber auch im neuen Landau-Südwest könnte geothermische Wärme zum Einsatz kommen. Dabei geht es auch darum, den Menschen stabile Preise anzubieten. Da sind wir, wie gesagt, gerade dran mit unserer kommunalen Wärmeplanung.

Foto: Rolf H. Epple/Pfalz-Express

PEX: Ist Ihre Euphorie zu Beginn Ihrer Amtszeit immer noch da?

D.G.: Ja, auf jeden Fall! Denn wir konnten einiges schon erreichen. Das ist toll.

PEX: Haben Sie sich die Zusammenarbeit mit Stadtrat und Stadtvorstand so vorgestellt?

D.G.: Ich komme mit allen Fraktionen klar und habe ein Interesse, ein gutes Verhältnis mit allen zu haben. Es geht um Sachpolitik. Ich gehe da pragmatisch vor. Wenn jemand einen guten Vorschlag macht, wird er diskutiert und dann auch umgesetzt. Auch im Stadtvorstand läuft es sehr gut. Wir arbeiten spannungsfrei zusammen. Sachliche Differenzen werden im Einvernehmen gelöst.

PEX: Gibt es eine Maßnahme, die Sie im Rathaus geändert haben?
(Im Arbeitszimmer steht ein Klavier)….

D.G.: Sehen Sie selbst… Ich spiele manchmal in der Mittagspause, das macht mir großen Spaß.

PEX: Welche Erwartungen haben sich nicht erfüllt?

D.G.: Ich bin nicht mit einer Erwartungshaltung gekommen und habe auch keine negativen Erfahrungen gemacht. Ich habe das Gefühl, dass ich sowohl im Rathaus als auch in der Stadtgesellschaft sehr gut aufgenommen worden bin.

PEX: Lassen Sie sich beim Spaziergang auch von den Bürgern ansprechen?

D.G.: Ja, ich lasse mich gerne ansprechen und habe schon viele Gespräche geführt. Viele Bürger kommen nicht nur mit Wünschen, sondern haben auch direkt Ideen zur Umsetzung. Darüber freue ich mich dann immer besonders.

PEX: Was fehlt Ihnen hier in Landau?

D.G.: Die U-Bahn nach Gleisweiler (lacht). Und eine „Flexline“ in den Landkreis hinein. Und natürlich ein Berghain II. Aber da sind wir dran, auch, wenn es dicke Bretter sind.

PEX: Welche zusätzlichen Angebote soll es zur Aufwertung der Innenstadt geben?

D.G.: Der neue Stadtmarketing-Prozess zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern wird da einiges liefern. Die Beseitigung von Leerständen ist dafür äußerst wichtig. Auch für die Entfaltung der Kultur-Szene, ohne die die Innenstadt und die Stadtdörfer nicht wirklich aufgewertet werden können. Wir suchen zum Beispiel gerade eine Lösung zum Erhalt des Universums. Das ist nicht einfach, weil Baurecht dafür geschaffen werden muss. Näheres möchte der OB noch nicht dazu sagen (die Redaktion). Und es gibt noch andere Kulturprojekte, die ich angehen möchte. Ich denke an die ehemaligen Discos und Clubs und an die Uferschen Höfe. Außerdem auch an Schulen als Kulturlocations – etwa das OHG, das einen überdachten Hof bekommen soll. Da könnte man auch mal einen schönen Rave machen. Wichtig ist: Wir brauchen eine Beteiligung der gesamten Landauer Kulturszene zu all diesen Überlegungen, die ich von städtischer Seite unterstütze.

PEX: Welche Rolle spielen die verschiedenen Einrichtungen dabei?

D.G.: Wir haben das Büro für Tourismus, die Stabsstelle für Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung, das Kulturbüro und das Stadtmarketing bei der Stadtholding. Das kann man bündeln und enger verzahnen und beispielsweise bei der Neustrukturierung des Stadtmarketings aus dem Büro für Tourismus ein Büro für Stadtentwicklung und Tourismus machen. Es wird auf jeden Fall nicht langweilig!

PEX: Welche Meilensteine planen sie noch 2023?

D.G.: Eine der Hauptaufgaben wird es sicher sein, die Unterbringung von Geflüchteten nachhaltig zu gestalten. Dazu wollen wir keine Turnhallen belegen, auch wenn die Zahlen steigen. Wir wollen aber auch keine Container- oder Zeltdörfer teuerster Art aufstellen, sondern Unterkünfte für eine weitere Verwendung schaffen bzw. anschaffen.

Dann steht 2024 ja das Stadtjubiläum an: Es ist eine Blaupause, wie sich die Stadt präsentieren und weiter entwickeln kann. Da werden wir 2023 ganz viel planen, vorbereiten und uns mit den Bürgern austauschen. Beschäftigen werden uns außerdem auch das Bauen und die Wärmeversorgung in Landau-Südwest und die Planung für Gewerbegebiete.  Auch das übrigens mit Bürgerbeteiligung.

PEX: Was fehlt noch im Gewerbe?

D.G.: Ich könnte mir noch ein Hightechunternehmen im Biotechbereich oder der Umwelttechnologie vorstellen!

Das Interview führte Pfalz-Express-Redakteurin Desirée Ahme

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