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Hambacher Fest: Kontroverse Meinungen wegen abgesagter Podiumsdiskussion

13. Juni 2013 | Kategorie: Allgemein, Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Politik regional, Regional

 

Das Hambacher Schloss: Sinnbild von Demokratie und Bürgerrechten. Foto: Ahme

Attac  Kandel Südpfalz wendet sich mit einer Stellungnahme an die Redaktion des Pfalz-Express:

Sehr geehrte Frau Ahme, sehr geehrte Frau Licht,

bezüglich Ihres Berichts über das Hambacher Fest möchte ich Ihnen folgende Anmerkungen und Richtigstellungen zukommen lassen. (roter Text = Pfalz-Express-Artikel- d. red)

Attac Kandel Südpfalz als Mitveranstalter hatte schon im Vorfeld Position gegen die AfD bezogen, die zusammen mit anderen Parteien, eine Podiumsdiskussion bestreiten sollte. „Einer Partei, die antidemokratische, antisoziale und autoritäre Haltungen vertritt, werden wir kein Forum bieten“, postulierte die Attac Kandel Südpfalz, die sich deshalb als Mitveranstalter verabschiedete, aber durchaus nicht beim Fest mit ihren Ansichten hinter dem Berg hielt. Konrad Ott nannte die AfD unter anderem eine Partei die „ausgrenze“ und „Wolf im Schafspelz“ sei.
Offensichtlich waren sich die Veranstalter „Mehr Demokratie e.V. RLP“, Piratenpartei Deutschland Landesverband Rheinland-Pfalz, Partei der Vernunft, Rheinland-Pfalz, Occupy Mannheim und Attac Kandel – Südpfalz nicht ganz einig darüber, ob man die AfD sprechen lassen durfte. Denn auch in diesem Kreis gibt es gemäßigte Kräfte, die der Demokratie durchaus offen gegenüberstehen und auch anders Denkenden nicht den Mund verbieten wollen.

Wer sind die „gemäßigten Kräfte, die der Demokratie durchaus offen gegenüberstehen und auch anders Denkenden nicht den Mund verbieten wollen“? Und viel wichtiger: wer Ihrer Meinung nach nicht? Alle oben genannten könnten vom Leser für diese gehalten werden!
Wie unserer Pressemitteilung zu entnehmen war, protestierten wir mit unserem Rückzug als Mitveranstalter gegen die Teilnahme der AfD an der Podiumsdiskussion und kündigten zugleich an, an der Veranstaltung aktiv teilzunehmen.

Warum?
Die Aussagen führender Funktionäre und Unterstützer (siehe PM), einer der Aufrufe zum Gründungsparteitag (siehe PM) sprechen nicht nur eine deutliche Sprache, sie grenzen in infamer Weise aus, schüren Vorurteile und widersprechen in eklatanter Weise (in Bezug auf die Aussagen von K. Adam und R. Vaubel) dem Grundgesetz! (http://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_03.html)

Ist unsere Haltung gerechtfertigt? In jedem Fall!
Haben wir dagegen protestiert, dass die AfD an der Veranstaltung teilnimmt? Nein!
Haben wir gefordert, dass die AfD nicht sprechen darf? Nein!
Wir haben uns dagegen ausgesprochen, dass der AfD auf dem Podium ein Forum geboten wird.
Wir haben uns dagegen ausgesprochen, dass der AfD als einzigster Partei auf dem Podium ein Forum geboten wird.
Wenn der AfD, das von uns „angedichtete“ Image nicht gerecht wird, so sollte es Mitgliedern und Anhängern Aufgabe und Verpflichtung zugleich sein, diese Aussagen aus eigenem Antrieb nachdrücklich zu entkräften.

Deren Lesart des Vorgangs ist wie folgt: Die Grünen und die Landesregierung hätten sich aus der Podiumsrunde zurückgezogen, es wären am Schluss nur die Piraten und die AfD auf dem Podium übrig geblieben. In Wahlkampfzeiten wolle man nicht nur eine Partei sprechen lassen. Und so hat man das Ganze abgeblasen.

Unsere Haltung zur Podiumsdiskussion war von Anfang an folgende: Wir möchten keine Podiumsdiskussion, wir möchten Gespräche auf Augenhöhe. Wir möchten keine Wahlkampfveranstaltung, wir möchten ein Fest der Demokratie von Bürgern für Bürger. Dass doch eine Podiumsdiskussion angestrebt wurde und insofern über unseren Wunsch kommentarlos hinweggegangen wurde, hinterließ uns ratlos.

Zwei Wochen vor dem Hambacher Fest mussten wir feststellen, dass sich nicht nur der Versuch und Wunsch von Mehr Demokratie e.V. (verantwortlich für die Organisation der Podiumsdiskussion) alle Parteien an der Podiumsdiskussion teilnehmen zu lassen, aus vielfältigsten Gründen scheiterte, sondern, dass nur noch eine Partei auf dem Podium sitzen würde. Warum nur eine Partei? Warum die AfD? Weil sie die einzigste war, die sich bereiterklärte? Für uns nicht nachvollziehbar und nicht hinnehmbar!

Dementsprechend leitete ich die Kernpunkte unserer internen Diskussion an die anderen Mitveranstalter weiter, um sie vorab darüber zu informieren und deutete an, dass wir in Kürze beratschlagen würden, welche Haltung wir zu den erfolgten Entwicklungen einnehmen wollen.

Als wir am 3. Juni unsere PM an Presse und Mitveranstalter verschickten, war uns nicht bekannt, dass unsere Kritik von verschiedenster Seite geteilt wurde.
1-2 Tage nach Veröffentlichung unserer PM verlautbarte die Piratenpartei ihre Boykottandrohung. Wenig später sagte Wolf Occupy seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion ab. Daraufhin stieg die ÖDP als Mitveranstalter aus und kündigte an, der Veranstaltung fernzubleiben. Dann sagte der zwischenzeitlich gewonnene Vertreter der Grünen ab.
Schlussendlich sagte Mehr Demokratie e.V. die Podiumsdiskussion ab.

„Es gab dann mittags keine Diskussion, keine Statements, wir haben aber die Gelegenheit genutzt, um mit den anderen Parteien zu sprechen und haben festgestellt, dass wir doch in weiten Teilen Übereinstimmung haben, auch mit Attac und den Piraten. Weil wir gegen die Globalisierung sind und auch zivilen Widerstand stärken wollen, außerdem gegen die Bankenrettung sind.“
Man habe die AfD-Gruppe per Megaphon zunächst zum Gehen aufgefordert. „Aber dann haben die wohl festgestellt, dass wir keine Rechtsradikalen sind, sondern auch aus der Mitte der Gesellschaft kommen“, sagt Bieser, die es nicht sehr demokratisch findet, nicht miteinander sprechen zu wollen.
Bedrückend sei die Situation schon gewesen, aber man habe trotzdem gute Gespräche geführt. „Es hat etwas gebracht“, so Bieser.

Da sich attac Kandel-Südpfalz als Mitveranstalter zurückzog und lediglich als Teilnehmer in Erscheinung trat, hatten wir weder Einfluss auf den Verlauf der Veranstaltung, noch hatten wir das Bedürfnis Gruppen / Parteien aufzufordern, die Veranstaltung zu verlassen. Zumal dies nur der Polizei bei groben Verstößen einzelner Versammlungsteilnehmer obliegt. (siehe http://www.gesetze-im-internet.de/versammlg/BJNR006840953.html)

Unsere uns selbst zugedachte Rolle war – wie in der Pressemitteilung dargelegt – „allen Ressentiments sozialer, nationaler, rassistischer und anderer Ausprägung entschieden entgegenzutreten.“

Dass Mitglieder und Unterstützer der AfD für sich „in weiten Teilen Übereinstimmung“ (Zitat Fr. Bieser) mit Zielen von Attac sehen, ist nur zu begrüßen. Dass es partielle Überschneidungen gibt, ist nicht auszuschließen und doch werden wir uns nicht  gemein machen lassen. Differenzierung ist notwendig. Abgrenzung ebenso: „Die Zusammenarbeit (mit Menschen und Gruppen) hat dort ihre Grenzen, wo Gruppen mit rassistischen, antisemitischen, fremdenfeindlichen, chauvinistischen und anderen Ideologien arbeiten. Auch dann, wenn sie diese in ihren Texten nicht offen publizieren, sondern versuchen über allgemein gehaltene Formulierungen Anschluss an populäre Interpretationen aktueller Themen zu finden. Mit solchen Gruppen gibt es keine Gemeinsamkeiten.“ (siehe PM)

Ich frage mich, wie Mitglieder und Anhänger der AfD den Spagat aushalten, aus eigener Sicht in der „Mitte der Gesellschaft“ zu stehen, was auch immer das meinen mag, demokratische Grundsätze von anderen zu erwarten und dies einzufordern, wenn dann doch von der AfD und führenden Funktionären der Partei undemokratische Haltungen vertreten werden. Wie kommt das zusammen? Unterschätzt man diese Aussagen? Sind dies nur „Entgleisungen“?

„Entgleisungen“ von Funktionären und prominenten Unterstützern der AfD, die sie selbst veröffentlichen, genau so stehen lassen und sich nicht distanzieren? „Entgleisungen“, wie der öffentliche und nachweislich rechtsextreme Aufruf zum Gründungsparteitag („Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“)? Wie kann mensch das nicht ernstnehmen? Das muss ernstgenommen werden und als das entlarvt werden, was es ist: Antidemokratisch, antisozial, autoritär!

Ivo Roth, Attac Kandel-Südpfalz

Der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz zum Hambacher Fest: Beschämendes Verständnis von Demokratie

Ein „beschämendes Verständnis von Demokratie“ hat der Vorstand des Landesverbandes der „Alternative für Deutschland“ den Grünen, der Piratenpartei und der Organisation „Attac“ vorgeworfen, die in einer konzertierten Aktion eine Podiumsdiskussion im Rahmen des Hambacher Festes am Sonntag gesprengt hatten.

Grüne, Piraten und Attac hatten ihre Teilnahme an der Diskussion zum Thema „Demokratie im Spannungsfeld zwischen Rheinland-Pfalz und der EU, der Grundsatz der Subsidiarität“ in letzter Minute abgesagt, weil der Veranstalter, der Verein „Mehr Demokratie“, Vertreter der neuen Partei „Alternative für Deutschland“ um den Hamburger Ökonomieprofessor Bernd Lucke zu der Diskussion eingeladen hatte. Die Begründung für die Absage, – die AfD sei antidemokratisch, antisozial, autoritär, rassistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich und chauvinistisch – klinge zwar hübsch aggressiv wie das Stammvokabular des kommunistischen Manifestes, sei allerdings in der Sache barer Unfug und durch nichts zu belegen, erklärte dazu AfD-Landesvorstand Klaus Müller.

Konstruktive Auseinandersetzung mit Argumenten sei offenbar nicht erwünscht, womöglich sei die Angst vor pragmatischer statt ideologischer Betrachtungsweise der politischen Probleme der Gegenwart bei linken Gruppen wie Grünen, Piraten und Attac allzu groß.

Der verbale Overkill bei den Angriffen auf die AfD zeige deutlich, dass Demokratie und Diskussion für diese Kreise nur dann erlaubt ist, wenn alle in der Runde in das gleiche Horn stoßen. Menschen wie Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth oder Carl Adolph Ritter, die 1832 das Hambacher Fest als Kundgebung für Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit, nationale Einheit und ein gleichberechtigtes Europa organisierten, würden sich angesichts solcher Vorgänge im Grabe herumdrehen.

Die AfD sei eine Sammlungsbewegung aus der Mitte der Gesellschaft, der Leistungsträger, die seit Jahrzehnten diese Gesellschaft am Laufen halten. Diese Mitte habe über viele Jahrzehnte still zugeschaut, wie durch eine verantwortungslose Politik die Zukunft verzockt wird und gigantische Schulden sozialisiert werden. Landesvorstand Müller: „Die AfD, als erste nicht-linke Parteienneugründung mit großem Zulauf wird offensichtlich als massive Bedrohung eines einseitigen Meinungsbiotops empfunden, die mit allen Mitteln bekämpft werden muss.“ (AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz)

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