Offener Brief an Dreyer und Hubig: SPD-Mandatsträger im Kreis Germersheim und in Landau machen ihrem Ärger Luft

4. August 2021 | Kategorie: Kreis Germersheim, Landau, Politik regional

Geschlossene Schule während des Lockdowns.
Foto: Pfalz-Express

Mandatsträger der SPD im Kreis Germersheim und Landau haben einen offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bildungsministerin Stefanie Hubig (ebenfalls beide SPD) geschrieben. 

In dem Schreiben wird harsche Kritik geübt am Umgang mit dem Schulwesen in der Pandemie.

Das Schreiben im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, liebe Malu,

sehr geehrte Frau Bildungsministerin, liebe Stefanie,

die Antwort auf das gemeinsame Schreiben aller Fraktionen der Ortsgemeinde Rheinzabern lässt uns sprachlos zurück.

Monatelang – wir starten in das dritte Schuljahr, das massiv von der Pandemie beeinflusst wird – hören wir von der Landesregierung von der Priorität des Präsenzunterricht.

Wir hören, wie Kinder und Jugendliche leiden – unter dem Wegbrechen ihres Schulalltags, unter fehlenden oder mangelhaften Konzepten des Distanzunterrichts. Von Vereinsamung und fehlender Unterstützung; davon, dass die Landesregierung weiterhin das ,kein Kind darf zurückbleiben` propagiert.

Ohne effektiv etwas dafür zu tun, dass die Situation in den Schulen sich maßgeblich verändert.

Die genannte Unterrichtsversorgung von ,nahezu 100 Prozent` ist eklatant.

Sie besagt, dass alle vorgesehenen Stunden abgedeckt sind – mit einem Hauch eines Stundenüberhanges, mit dem nicht einmal die Freistellungen der Lehrer:innen für besondere Aufgaben abgedeckt werden können.

Von den besonderen Aufgaben und Herausforderungen, die aus den Folgen und den Bedarfen der Pandemie erwachsen ganz zu schweigen.

Es gibt weder ein Kontingent zur individuellen Lernbegleitung, für schulinterne Förderbänder und gezielte Unterstützung der Schüler:innen mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf, noch wird den immens gestiegenen administrativen Aufgaben Rechnung getragen.

Die genannten 40 Feuerwehrlehrkräfte werden, das ist leider gängige Praxis und dem Mangel an Lehrkräften geschuldet, meist schnell an einer Schule ,festgesetzt` und stehen damit für kurzfristige Vertretungen nicht in dem notwendigen Maße zur Verfügung.

Die Vertretungslehrkräfte hingegen können bisher erst ab der dritten Woche ab dem Ausfall einer Lehrkraft eingesetzt werden – so lange muss dieser schulintern geregelt werden.

Aufgeteilte Klassen, Förderlehrer:innen, die nicht mehr fördern, sondern den Ausfall auffangen, sind die Regel.

Auch in den Planungen für das Schuljahr 2021/22 finden sich personell keine zusätzlichen schulinternen Möglichkeiten, Schüler:innen mit erhöhten Förderbedarfen individuell und zielorientiert zu unterstützen – das Personaltableau bleibt knapp und ohne Puffer für mögliche Ausfälle bemessen.

Wenn die Landesregierung bei der Besetzung bzw. der Nicht-Besetzung einer Konrektorenstelle mit Zahlen von +/- 15 Schüler:innen argumentiert, so zeigt sich leider auch hier das grundsätzliche Dilemma:

Selbst mit den immensen Herausforderungen, vor denen Schulleitungen und Schulgemeinschaften stehen, sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit mit einer entsprechenden Personalausstattung zu reagieren.

Nicht die ,schwankenden Schülerzahlen` sind die Herausforderung und können als Argumentation herangezogen werden – es sind die schwankenden, unberechenbaren und bereits länger andauernden Rahmenbedingungen, mit denen Schulen täglich konfrontiert sind; auch schon vor der Pandemie.

Die Erkenntnisse der OECD-Bildungsstudien müssen wir an dieser Stelle wohl nicht näher erläutern.

Für uns als Sozialdemokrat:innen, als Genossinnen und Genossen ist das Nicht-Agieren der Landesregierung und des Bildungsministeriums weder nachvollziehbar noch tragbar.

Wir fordern die Umsetzung aller möglichen Maßnahmen um den Infektionsschutz an unseren Schulen so sicher als möglich zu gestalten: regelmäßige Testkonzepte, Luftreinigungsgeräte, organisatorische Maßnahmen wie feste Kohorten und möglichst kleine Lerngruppen.

Auch das Mehr der personellen Ausstattung muss neu gedacht werden.

Lehramtsstudent:innen können in die gezielte Förderung der Schüler:innen eingebunden werden und die möglicherweise notwendige Teilung von Klassen – angeleitet durch die Klassenlehrer:innen – unterstützen.

Zudem fordern wir, die Messzahlen für die Besetzung von Konrektorenstellen nicht an den Schülerzahlen, sondern an die Bedarfe der Schulen zu koppeln. Unterschiedliche Einzugsgebiete und regionale Herausforderungen müssen pädagogisch, didaktisch und organisatorisch mitgedacht werden.

Nur so gelingt die Weiterentwicklung der Schulen im Hinblick auf die veränderte Lebenswelt und die veränderten Leistungsspektren der Schülerinnen und Schüler.

Wir fordern die Landesregierung und die Abgeordneten auf, die notwendigen Stellen für eine reibungslose, gerade in Pandemiezeiten, Unterrichtsversorgung

an den Grundschulen auch beamtenrechtlich zu schaffen und in den entsprechenden Stellenplänen und im Haushalt zu verankern.

Der Zugang zu und die Teilhabe an Bildung ist eine der Grundvoraussetzungen für soziale Gerechtigkeit und gelingende gesellschaftliche Teilhabe – und ein entscheidender Aspekt um Armut effektiv und nachhaltig zu bekämpfen.

Bildung muss zur politischen Priorität werden.

Jetzt.

Carmen Drexler, Vorsitzende SPD Rheinzabern

Peter Drexler, SPD Rheinzabern

Willi Hellmann, SPD-Fraktion des OG- und VG-Rates Rheinzabern

Tobias Rackebrandt, Vorsitzender SPD Jockgrim

Claudia Neff-Butz, Schriftführerin SPD Jockgrim

Markus Jäger-Hott, SPD-Fraktion Stadtrat Kandel

Metin Istanbulu, Vorsitzender Ortsverband Wörth

Judith Albrecht-Pinnow, Ortsverein Landau

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