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Trouble auf dem Hambacher Schloss: AfD führt trotz Podiumsverbot „gute Gespräche“

9. Juni 2013 | Kategorie: Allgemein, Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional

Das Hambacher Fest: Es versinnbildlicht alte demokratische Werte, dazu gehört auch die Redefreiheit. Fotos: Ahme

Neustadt-Hambach. 1832 zogen Menschen hinauf zum Schloss um Demokratie, Recht und Freiheit und Meinungsfreiheit zu fordern. Zum ersten Mal vor zwei Jahren veranstalteten verschiedene Gruppierungen Veranstaltungen, die an dieses Ereignis und an heutige demokratische Werte in Rheinland-Pfalz erinnern sollen. „Unser Ziel ist es, Diskussionen anzuregen und mit neuen Forderungen die Bürgerrechte zu stärken“, schreiben die Veranstalter in einem Statement.

Nicht „Auf zum Schloss“, war die Devise beim 3. Hambacher Schlossfest heute, sondern „Treffpunkt Parkplatz“. Hier versammelte sich ein buntes Völkchen, dessen Überzeugung zum Teil schon an den Fahnen oder am bequemen 68er-Outfit zu erkennen war.

Attac Kandel Südpfalz als Mitveranstalter hatte schon im Vorfeld Position gegen die AfD bezogen, die zusammen mit anderen Parteien, eine Podiumsdiskussion bestreiten sollte. „Einer Partei, die antidemokratische, antisoziale und autoritäre Haltungen vertritt, werden wir kein Forum bieten“, postulierte die Attac Kandel Südpfalz, die sich deshalb als Mitveranstalter verabschiedete, aber durchaus nicht beim Fest mit ihren Ansichten hinter dem Berg hielt. Konrad Ott nannte die AfD unter anderem eine Partei die „ausgrenze“ und „Wolf im Schafspelz“ sei.

Offensichtlich waren sich die Veranstalter „Mehr Demokratie e.V. RLP“, Piratenpartei Deutschland Landesverband Rheinland-Pfalz, Partei der Vernunft, Rheinland-Pfalz, Occupy Mannheim und Attac Kandel – Südpfalz nicht ganz einig darüber, ob man die AfD sprechen lassen durfte. Denn auch in diesem Kreis gibt es gemäßigte Kräfte, die der Demokratie durchaus offen gegenüberstehen und auch anders Denkenden nicht den Mund verbieten wollen.

„Wir waren nicht eingeladen und haben uns auch bewusst separiert“ sagten Günter Schunder und Ulrike Trachternach , Mitglieder der Landesvereinigung der Freien Wähler Baden-Württemberg. Sie waren über die Vorgehensweise der Veranstalter bezüglich AfD erstaunt.

Deren Lesart des Vorgangs ist wie folgt: Die Grünen und die Landesregierung hätten sich aus der Podiumsrunde zurückgezogen, es wären am Schluss nur die Piraten und die AfD auf dem Podium übrig geblieben. In Wahlkampfzeiten wolle man nicht nur eine Partei sprechen lassen. Und so hat man das Ganze abgeblasen.

Ursula Bieser, Rechtsanwältin aus Worms und AfD-Mitglied, sollte sich an der Podiumsdiskussion beteiligen. Sie wäre erst morgens um 10 Uhr von den Veranstaltern  über deren Entscheidung informiert worden, sagt Bieser dem Pfalz-Express.

„Es gab dann mittags keine Diskussion, keine Statements, wir haben aber die Gelegenheit genutzt, um mit den anderen Parteien zu sprechen und haben festgestellt, dass wir doch in weiten Teilen Übereinstimmung haben, auch mit Attac und den Piraten. Weil wir gegen die Globalisierung sind und auch zivilen Widerstand stärken wollen, außerdem gegen die Bankenrettung sind.“

Man habe die AfD-Gruppe per Megaphon zunächst zum Gehen aufgefordert. „Aber dann haben die wohl festgestellt, dass wir keine Rechtsradikalen sind, sondern auch aus der Mitte der Gesellschaft kommen“, sagt Bieser, die es nicht sehr demokratisch findet, nicht miteinander sprechen zu wollen.

Bedrückend sei die Situation schon gewesen, aber man habe trotzdem gute Gespräche geführt. „Es hat etwas gebracht“, so Bieser. (desa)


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3 Kommentare auf "Trouble auf dem Hambacher Schloss: AfD führt trotz Podiumsverbot „gute Gespräche“"

  1. Ralf Berger sagt:

    Ich bin Mitglied der Piratenpartei und war gestern auch auf dem Hambacher Fest. Ich möchte ausdrücklich bestätigen: auch ich habe ein gutes Gespräch mit einem AfD-Mitglied am Rande des Festes geführt. Die vorangegangenen Megaphon-Aufrufe, das Gelände zu verlassen, richteten sich gegen eine andere Gruppierung, deren Name ich hier gar nicht nennen will.
    Dass die Freien Wähler BW erschienen sind, begrüße ich ausdrücklich, frage mich nur, wo waren die Freien Wähler aus Neustadt oder Rheinland-Pfalz?

  2. Karl D. May sagt:

    Sie wollen für Demokratie und Redefreiheit einstehen – und versagen einer zugelassenen, nicht rechts- oder linksradikalen Partei (!) die intellektuelle Diskussion. Was sind das für arme Leuchten, denen die intellektuelle Potenz fehlt, was ist das für ein Demokratieverständnis?
    Mir scheint, die waren auf der falschen Veranstaltung.

  3. Es scheint in Deutschland die viel zitierte Freiheit neuerdings in so vielen grundverschiedenen Bedeutungen zu geben, wie es unversöhnliche Gruppen gibt, die sie sich ans Revers heften. Einander empfehlen sie dann jeweils, sich die „falsche Freiheit“[sic] an den Hut zu stecken. Die Freiheit – welch ein geschundenes Geschöpf, bald muss man wohl um sie ebenso fürchten wie um die Demokratie, die man sich als Totschlagargument um die Ohren haute.

    Wo zwei (oder drei, oder fünf…) sich streiten, freut sich die etablierte Politik und es bleibt zu befürchten, dass Freiheit und Demokratie alsbald mit multiper Unversöhnlichkeitsstörung in die Meinungsdiktatur eingewiesen werden.

    (Link entfernt laut AGB. Der Link verweist auf die Webseite Pelz war Leben, Anm.d.R.)