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Zweiter Einsatz: Wörther Fluthelfer übergeben 17.000 Euro an drei besonders betroffene Familien – dramatische Erlebnisse

28. August 2021 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Thomas Pfirrmann
Fotos: Thomas Pfirrmann

Wörth/Sahrbachtal/Ahrbrück – „Durch private Kontakte zu einer Hagenbacher Truppe, die in NRW im Katastrophengebiet im Einsatz war, erfuhren wir, dass dort an manchen Orten  noch kaum etwas geschehen ist und es noch aussieht wie direkt nach der Flut. Deshalb änderten wir unsere Pläne, wieder in Bad Neuenahr auch bei unserem zweiten Einsatz zu helfen“, sagt Michael Adam (Gala-Bau), der Initiator des ersten Einsatzes der Wörther im Ahrtal.

So brachen dieses Mal 18 Männer mit drei LKW, drei Radladern, drei Baggern, einem Teleskoplader sowie einem Tieflader der Firma Gaudier (Kandel) im Konvoi von Wörth aus auf. Die Firma Gaudier hat den Maschinenpark nach Queckenberg bei Bad Münstereifel an der Landesgrenze nach Rheinland-Pfalz gefahren und wieder abgeholt. Zum Konvoi gehörten noch mehrere Autos mit Anhängern. Zudem wurden etwa 100 Kubikmeter Stroh mitgenommen, die dort benötigt wurden, da das einheimische Stroh umgefallen und verseucht war.

Die Wörther Truppe

In Houverath, einem Ortsteil von Bad Münstereifel, wurde an der Sporthalle in mehreren Hängern und Autos kampiert, ehe es in NRW ins Sahrbachtal ging, einem Seitental der Ahr. „Hier sahen wir gleich, dass bisher kaum etwas gemacht worden war“, erzählt Adam. Das THW Landau befreite den Sahrbach von Schwemmgut. Adam arbeitete mit drei seiner Kollegen an einer alten am Hang gelegenen Mühle. Zehn Jahre lang hatte ein älteres Ehepaar die Mühle renoviert und wollte in zwei Wochen dort einziehen.

Die anderen Helfer der Truppe waren weiter unten im Tal und luden den Sperrmüll auf der Strecke auf, sortierten ihn und fuhren ihn weg Richtung Kirchberg (Hunsrück). Der Metallschrott musste in den einzelnen Orten bleiben, da er zu Höchstpreisen verkauft wird.

Am Dienstagmorgen wurde nach Ahrbrück, einer Ortsgemeinde der Verbandsgemeinde Altenahr im Landkreis Ahrweiler aufgebrochen. Dort war in der Nähe des Friedhofs der Versorgungsplatz für die folgenden Tage. Von einem Helferscout und dem Beigeordneten des Orts wurden der Wörther Truppe die „Baustellen“ gezeigt. Sie holten den Schlamm aus den Gärten, beseitigten Schutt, Schrott und Sondermüll, sortierten ihn und brachten ihn mit dem Sprinter auf die Deponie. Adam holte dabei mit seinem Bagger einen Zigarettenautomaten aus der Ahr. „Diesen knackten wir. Die Zigaretten waren nicht mehr brauchbar, aber wir fanden noch 112 Euro, die wir dem Ort spendeten“, berichtet Adam.

Übergabe der Spenden an drei betroffene Familien

Das von Adam eingerichtete Spendenkonto hatte inzwischen bei der Abfahrt aus Wörth einen Stand von 17.000 Euro. Das Geld übergaben er und die beiden Helfer Thomas Pfirrman (Gartenbaubetrieb in Wörth) und Pascal Herzog (Geschäft für Spanndecken in Wörth), die auch beim ersten Einsatz dabei waren, an drei Flutopfer-Familien im weiteren Umkreis von Ahrbrück, die sie nach feststehenden Kriterien ausgesucht hatten.

Teil des Hauses weggespült

So erhielt eine Mutter (58) mit sieben Kindern (drei schon ausgezogen, zwei Söhne 23 und 15, zwei Töchter 18 und 17), die ein Fachwerkhaus von den Großeltern übernommen hatte, 7.000 Euro. „Als die Scheiben klirrten, flüchteten sie zu Dritt mit zwei Katzen und zwei Hunden ins 1.OG. Dort sahen sie, wie die Ecke vom Haus weg gespült war und sie flohen in den hinteren Teil des Hauses. Die Familie wohnt derzeit bei Verwandten“, erzählen Adam und Pfirrmann. Sie hatte keine Versicherung.

Über Balkon geklettert

Eine zweite Familie (Vater 37, Mutter 34, zwei Töchter drei Jahre und vier Monate) erhielt 5.000 Euro. Sie war 2019 in einen Reihenhaus-Neubau eingezogen. Während der Vater auf Geschäftsreise war, konnten die Eltern der Mutter am 14. Juli um 23 Uhr schon nicht mehr ans Haus kommen, um sie zu evakuieren. Innerhalb von einer Viertelstunde war das Erdgeschoss voll mit Wasser. „Die Mutter begab sich mit den beiden Kindern ins Obergeschoss und von dort über den Balkon ins Nachbarhaus des Schwagers. Am nächsten Tag wurden sie um 11 Uhr von den Eltern abgeholt, als das Wasser noch kniehoch war. Dort wohnen sie jetzt auch, bis das Erdgeschoss irgendwann wieder bewohnbar ist“, schildern die beiden Wörther diese Situation.

Um ihr Leben geschwommen

Die dritte Familie, die ebenfalls 5.000 Euro erhielt (Vater 56, Mutter 50, Tochter und Sohn 11 Jahre – Zwillinge, eins mit Down Syndrom) hatte 2001 ihr Haus in Holzständerbauweise erbaut. Am jenem 14. Juli half die Mutter im Dorf Sandsäcke zu füllen, der Vater versuchte das Haus abzudichten und passte auf die Kinder auf. Um 20 Uhr war es der Mutter nicht mehr möglich ans Haus zu kommen, das Wasser stand ihr bis zum Bauchnabel. Unter Todesangst schwamm sie doch dorthin um bei ihrer Familie zu sein. Sie mussten in den ersten Stock, weil im Erdgeschoss das Wasser bis zum Griff der Terrassentür reichte. Zudem hatte sich der Gastank des Nachbarn gelöst und schwamm mit Gasaustritt auf ihr Haus zu. Zum Glück bildete sich ein Strudel, der ihm eine andere Richtung gab.

Auch das THW blieb mit seinem LKW vor dem Haus im Morast stecken. Sie flüchteten auf das Dach, wo sie die Nacht ausharren mussten, bis sie gerettet wurden. Die Familie wohnt jetzt in einer Mietwohnung und hofft bis Weihnachten 2022 wieder in ihr Haus einziehen zu können – erzählen Pfirrmann und Herzog. (tp/red)

 

 

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