Freitag, 26. April 2024

Leserbrief zu SPD-Kritik an Kreishaushalt: „Stärkere Schultern sollen auch mehr tragen“

12. Dezember 2021 | Kategorie: Kreis Germersheim, Leserbriefe und Kommentare, Politik regional

„Die Reaktion des Wörther Bürgermeisters Dr. Dennis Nitsche auf die Erhöhung der Progression der Kreisumlage ist legitim und nachvollziehbar. Die Stadt Wörth muss schließlich einen verhältnismäßig höheren Beitrag an den Kreishaushalt leisten als die meisten anderen Gemeinden. Was hier meines Erachtens aber übersehen wird, ist die grundsätzliche Ausgangslage der Gemeinden.

Ebenso wie andere Gemeinde muss auch Wörth gegenüber früheren Jahren stark rückläufige Steuereinnahmen verkraften und die Haushaltsjahre 2021/2022 zeichnen ein eher düsteres Bild. Dennoch ist die Lage in Wörth gegenüber den Ortsgemeinden im Kreis noch vergleichsweise gut.

Während die Stadt über eine verhältnismäßig hohe Steuerkraftmesszahl pro Einwohner verfügt, sieht es in Orten wie Weingarten sehr übel aus. Hier reichen die originären Steuereinnahmen aus Grundsteuern und Einkommensteueranteilen nicht einmal, um nur die Umlagen an Verbandsgemeinde und Kreis zu zahlen. Freiwillige Leistungen sind nicht möglich, vom finanziellen Gestaltungsspielraum ganz zu schweigen.

Die Einwohner Weingartens haben das gleiche Recht auf adäquat ausgestattete Kindertagesstätten, funktionierende Infrastruktur, etc., wie es die Wörther Bürgerinnen und Bürger auch haben. Aufgrund der schwachen Finanzausstattung muss leider auf viele eigentlich notwendige Dinge verzichtet, bzw. sie müssen in die Zukunft verschoben werden. Dennoch wird das Defizit von Jahr zu Jahr größer. Zum nahen finanziellen Kollaps tragen nicht zuletzt Entscheidungen des Landes wie z.B. im Zusammenhang der KiTa-Novelle bei, die den Kommunen ohne finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastungen aufgebürdet werden.

„Stärkere Schultern sollen auch mehr tragen!“ Diese Devise ist oft aus dem Umfeld der Partei, der Herr Nitsche angehört, zu hören. Auch der Hinweis auf Solidarität darf nie fehlen. Die stärkeren Schultern scheint die Stadt Wörth zu haben, sonst wäre die Progression bei der Kreisumlage nicht möglich. Solidarität scheint dann gefordert zu sein, wenn Andere sie erbringen sollen.

Mit seinem Urteil am 16.12.2020 zum entsprechenden Normenkontrollverfahren hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz festgestellt, dass das Land mit seinen Vorschriften über die Verteilung der Finanzausgleichsmasse und die Finanzzuweisungen seit 2014 gegen die eigene Verfassung verstößt (!) und hat es gleichzeitig aufgefordert, eine verfassungsgemäße Neuregelung des Finanzausgleichs bis zum 1. Januar 2023 zu treffen.

In diesem Zusammenhang bitte ich das Ehepaar Nitsche inständig, ihren Einfluss und ihre Möglichkeiten in Mainz zu nutzen, damit das Landesfinanzausgleichsgesetz derart gestaltet wird, dass auch finanzschwache Kommunen wie Weingarten die Möglichkeit haben, die ihnen vom Land übertragenen Aufgaben zu erfüllen und – was für mich schon in den Luxusbereich reicht – wenigstens minimalen Gestaltungsspielraum erhalten. Dann wären derartige Diskussionen wie sie jetzt im Kreistag geführt werden, obsolet.“

Stefan Becker

Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde Weingarten

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