
Obada Barmou
Foto: v. privat
Am 23. Februar 2025 wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Die Wahl entscheidet über die künftige Regierung und voraussichtlich auch über den neuen Bundeskanzler.
Im Wahlkreis Südpfalz (210) stehen zehn Kandidaten zur Wahl. Der Pfalz-Express hat alle Bewerber zu ihren Plänen und Zielen befragt – mit denselben Fragen für alle. Hier sind die Antworten von Obada Barmou von Bündnis 90 / Die Grünen.
Wirtschaft
PEX: Die deutsche Wirtschaft, insbesondere der Mittelstand, ächzt unter hohen Steuern, Bürokratie und steigenden Energiepreisen. Die Digitalisierung läuft schleppend, andere Länder sind in diesem Bereich viel weiter. Welche Entlastungen würden Sie umsetzen, um Unternehmen in Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen, und wie könnte die Südpfalz davon profitieren?
Barmou: Ich setze mich für effizientere Abläufe und weniger Bürokratie ein, um Planungsprozesse zu beschleunigen. Dies betrifft unter anderem Infrastrukturprojekte, Wohnen, Industrie und Energie.
In Zeiten hoher Energiepreise und gestörter Lieferketten bieten wir, Grüne, in unserem Wahlprogramm zielgerichtete Hilfen an, um Härten abzufedern und Strukturbrüche zu verhindern. Dazu gehören Kredite und Bürgschaften, Kostenzuschüsse zur Kostendämpfung und Finanzierungsprogramme für gefährdete Unternehmen. Außerdem fordern wir die Abschaffung von Netzentgelten, um den realen Strompreis für Unternehmen und Verbraucher zu senken.
Wir wollen Investitionen in klimaneutrale und zukunftssichere Technologien fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Dies umfasst auch die Unterstützung von Fachkräftezuwanderung und die Stärkung des gleichberechtigten Arbeitsmarktzugangs für Eltern und Pflegende. Wir haben konkrete Reduktionsziele für Pestizide und Düngemittel sowie ein Flächenziel für Ökolandbau vorgeschlagen, um die Transformation des Agrarsektors in eine nachhaltige Zukunft zu unterstützen.
Migration
Die Begrenzung von Migration und die Umsetzung von Abschiebungen sind zentrale Themen im ganzen Land. Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Zahl der Asylsuchenden zu steuern und abgelehnte Personen konsequenter abzuschieben?
Ich bin für eine digitale Einwanderungsagentur, die Anträge zentral und effektiv bearbeiten soll, um schnelle Entscheidungen zu ermöglichen. Dadurch können frühzeitiger Zugang zu Arbeit und Bildung sowie zügige Abschiebungen bei abgelehnten Anträgen gewährleistet werden.
Auf der anderen Seite haben wir mit dem gemeinsamen Asylsystem in der EU für Solidarität und klare Verantwortlichkeiten gesorgt. Dies umfasst auch die gerechte Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU, um die Belastung einzelner Länder zu reduzieren. Durch die Schaffung sicherer Alternativen zu gefährlichen Fluchtrouten sollen Schleuserkriminalität bekämpft und Leben gerettet werden. Dies wird dazu beitragen, die Zahl der Asylsuchenden zu steuern.
Personen, die schwere Straftaten begehen, sollen konsequent zurückgeführt werden. Dies erfolgt im Einklang mit Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit. Ich sehe in der Zusammenarbeit mit Herkunftsländern ein Potenzial zu einer erfolgreichen Migrationspolitik. Dies umfasst Rücknahmeabkommen und Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Herkunftsländern.
Wohnraum
In vielen Kommunen ist Wohnen zum Luxus geworden. Wie planen Sie, den Wohnraummangel in Deutschland zu bekämpfen und gleichzeitig hohe Miet- und Baupreise in den Griff zu bekommen?
Das neue Faire-Mieten-Gesetz soll Mieter*innen besser schützen und die Mietpreisexplosion effektiv dämpfen. Dies umfasst Maßnahmen wie die Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes und die zweimalige Auszahlung eines Heizkostenzuschusses.
Um den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern, unterstütze ich die Bereitstellung zinsgünstiger staatlicher Kredite. Dies soll insbesondere Familien und einkommensschwächeren Haushalten den Zugang zu Eigentum ermöglichen und somit zur Entlastung des Mietmarktes beitragen. Außerdem unterstützen wir den Bau und die Förderung von Mehrgenerationenhäusern. Diese Wohnkonzepte ermöglichen das Zusammenleben verschiedener Generationen unter einem Dach, fördern den sozialen Zusammenhalt und können zur Lösung des Wohnraummangels beitragen.
Wir fördern den sozialen Wohnungsbau und wollen die Nutzungs- und Bindungsdauer verlängern. Wir setzen auf die Umnutzung leerstehender Gebäude, um den Wohnraummangel zu verringern.
Innere Sicherheit
Welche konkreten Schritte wollen Sie unternehmen, um die innere Sicherheit in Deutschland zu stärken und Kriminalität wirksam zu bekämpfen? Wie kann die Polizei besser ausgestattet werden?
Das Bundeskriminalamt und Bundespolizei brauchen Befugnisse, um Daten systemübergreifend zu analysieren und terroristische oder schwere Straftaten zu verhindern. Wir wollen den Datenaustausch zwischen den Behörden ermöglichen, damit die Behörden bei bestehender Gefahr rechtzeitig eingreifen können. Außerdem brauchen wir konsequente Vollstreckung von Haftbefehlen, insbesondere bei Extremisten und Schwerkriminellen.
Dafür müssen wir in unsere Sicherheitsbehörden mehr investieren. Ich unterstütze einen internationalen Pakt zur Bekämpfung von politischem und religiösen Extremismus.
Ukraine-Krieg
Wie stehen Sie zur weiteren militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine, und sehen Sie Chancen für diplomatische Initiativen oder Friedensverhandlungen?
Ich stehe ganz klar der Ukraine zu Seite und fordere mehr Unterstützung. Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Denn dabei geht es um unsere Freiheit, Souveränität und Sicherheit. Wir wollen echten Frieden, aber keinen Frieden um jeden Preis. Wir verzichten nicht auf unsere Freiheit und unterstützen die Ukraine bei ihrem Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit.
Wenn die Ukraine zur NATO und zu der EU gehören will, dann sollen wir sie dabei selbstverständlich unterstützen.
Gesundheitssystem
Wie wollen Sie das Gesundheitssystem und die Rente zukunftssicher finanzieren und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern?
Ich bin absolut davon überzeugt, dass das Gesundheitssystem durch die Einführung einer Bürgerversicherung zukunftssicher finanziert werden kann. Dabei sollen alle Bürger, unabhängig von ihrem Einkommen, in ein einheitliches System einzahlen und gleiche Leistungen erhalten. Zum einen sollen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte durch bessere Gehälter, planbare Einsatzzeiten, qualifizierte Weiterbildungsangebote und Aufstiegschancen verbessert werden. Zum anderen brauchen wir unbedingt Fachkräfte aus dem Ausland, die in kritischen Bereichen den Mangel decken können.
Prioritäten
Was sind für Sie persönlich aktuell die drei wichtigsten politischen Themen?
Für mich ist diese Wahl entscheidender denn je, um die ökologische und ökonomische Transformation in eine gerechte Welt und bessere Zukunft in einer nachhaltigen Gesellschaft voranzutreiben und Kurs zu halten. Grüner Strom wird billiger und macht unsere Wirtschaft unabhängiger und effizienter.
Die Unterstützung der Ukraine und die Fachkräfteeinwanderung sind für unsere Zukunft in Sicherheit und Wohlstand elementar wichtig. Soziale Gerechtigkeit und Bildungspolitik müssen wir in den kommenden Jahren in den Vordergrund rücken, die Menschen mit Niedrigeinkommen unterstützen, mehr Wohnungen bauen und in Schulen und Kitas ordentlich investieren.
Zur Person: Obada Barmou ist 27 Jahre alt, wurde in Syrien geboren und besuchte dort bis 2015 die Schule. Nach seiner Flucht nach Deutschland legte er 2020 das Abitur an der IGS Rülzheim ab. Anschließend studierte er Technische Volkswirtschaftslehre am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und setzte 2024 sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim fort. Beruflich war er als Werkstudent bei der Siemens AG tätig und arbeitet seit 2024 in dieser Funktion bei der VR Payment GmbH.
Politisch engagierte er sich ab 2022 als Ortsverbandsvorsitzender der Grünen in der Verbandsgemeinde Jockgrim und ist seit 2023 Ko-Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht. 2024 übernahm er zudem die Rolle des Fraktionssprechers im Verbandsgemeinderat Jockgrim und ist seither Pressesprecher des Grünen-Kreisverbands Germersheim.

