Samstag, 27. April 2024

Ziya Yüksel im PEX-Interview: „Alle Menschen aktiv mit einbeziehen und ein Förderzentrum für Demokratie gestalten“

28. März 2024 | Kategorie: Kommunalwahl 2024, Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

Ziya Yüksel
Foto: v. privat

Kreis Germersheim – Er ist 52 Jahre alt, lebt seit 48 Jahren in Deutschland und ist Co-Vorsitzender der SPD im Kreis Germersheim, Mitglied im Gemeinderat in Kuhardt und engagierter Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter – Ziya Yüksel.

Seit 15 Jahren ist er aktiv im Beirat für Migration und Integration des Landkreises Germersheim. Er kandidiert für die SPD als Landrat für den Kreis Germersheim bei den Kommunalwahlen am 9. Juni 2024.

Sollte er die Wahl für sich entscheiden, so hat Yüksel viele Ideen, die er gerne als Landrat für den Kreis Germersheim umsetzen möchte. Neben Möglichkeiten zu schnelleren Wohnraumbeschaffung, dem akuten Ärztemangel und einer belastbaren Infrastruktur liegt sein Hauptaugenmerk auf der Generierung eines Förderzentrums für Demokratie.

Der Pfalz-Express hat ihn dazu befragt. Das Interview führte Nathalie Linares Ramón.

PEX: Welche Ideen haben Sie, um die Wirtschaftsförderung im Landkreis aktiv zu steigern?

Wir brauchen natürlich dringend bessere Straßen und eine zweite Rheinbrücke, aber was für mich hier mehr zur Wirtschaftsförderung gehört ist, das wir eine stärkere Förderung und Vernetzung bilden.

Unsere Wirtschaftsförderung muss hier mehr tun, wir benötigen mehr Ressourcen, wie Batterietechnologie und Wasserstofftechnologie. Wir haben mit den ansässigen Firmen gute Kontakte, die auch Beziehungen zu den umliegenden Schulen haben. Hier brauchen wir aber auch eine Wirtschaftsförderung die die kleinen und mittelständischen Unternehmen mitnimmt. Wir müssen hier die Verbandsgemeinden übergreifend auch bei der Vernetzung unterstützen.

Eine große Möglichkeit, die wir hier haben, sind die Schulen. Dort möchte ich gerne eine Jugend-Berufsagentur anregen und die Jugendlichen mit den Firmen in direkten Kontakt bringt. Durch diese Aktion sind die Schüler schneller während der Schulzeit mit einem beruflichen Alltag konfrontiert.

Verschiedene Themen miteinander zu vernetzen, auch das kann ein Landkreis meistern und das wird die Wirtschaft fördern. Hiermit vermitteln wir den Schülern das Gefühl, das die Schule aktiv einen Beitrag für ihre spätere Zukunft leistet. Es ist wichtig, den Schülern schneller ihre Stärken und Kompetenzen näher zu bringen. Wir benötigen auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen Fachkräfte, und eben hier ist es wichtig, das wir die Jugendlichen abholen und während der Schulzeit eine Orientierung bieten und gegebenenfalls ein Matching herbeiführen. Somit haben auch die kleineren Unternehmen ihre direkte Anlaufstelle.

PEX: Durch die ständig steigenden Mieten wird es für die Bürger immer schwieriger bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wie möchten Sie diese Herausforderung angehen?

Als Landrat im Kreis gibt es für mich einen Punkt, bei dem ich sofort ansetzen würde, womit wir einfach und schnell den Bauprozess fördern können: nämlich die Genehmigunsgprozesse zu beschleunigen. Hier vernehme ich von vielen Menschen, dass es in der Kreisverwaltung nicht gut läuft. Das ist keine Schuldzuweisung, aber das Potential ist hier leider mittlerweile ausgeschöpft. An dieser Stelle muss sich etwas ändern. Wenn ich den Bürgern, den Bürgerinnen und den Firmen helfe, dann indem ich Möglichkeiten biete, mit denen die Bauanträge schneller abgearbeitet werden. Hierdurch fördern wir die Entstehung von neuem Wohnraum.

PEX: Wie genau möchten Sie die Gemeinden in diesem Punkt unterstützen?

Den Gemeinden möchte ich mehr Geld für den Gestaltungsfreiraum überlassen. Wir sind einer der wirtschaftlich stärksten Landkreise und knöpfen den Gemeinden zu viel Geld. Das muss sich ändern. Wir benötigen die Mittel in den Gemeinden vor Ort. Das ist auch mit Blick auf die Demokratie-Resilienz sehr wichtig, da die Bürger hier verzweifelt sind und sagen: „Wieso soll ich mich im Gemeinderat noch engagieren, wir haben ja keine Mittel und somit keine Gestaltungsfreiheit.“ Sie kennen ihre Ortschaften und wissen ganz genau was sie vor Ort bewirken wollen, welche Veränderungen notwendig und vor allem sinnvoll sind.

Die Kommunalpolitik vor Ort ist die Keimzelle unserer Demokratie und hier ist es wichtig zu sagen: „Das Geld muss in den Gemeinden bleiben, um ihnen mehr Möglichkeiten zu geben ihre Umgebung attraktiver zu gestalten. Ich bin mir sicher, das auch dadurch die Wohnraumbeschaffung gefördert wird.“

PEX: Die Zahlen der Ärzte und Facharztpraxen sinken zunehmend. Welche Ideen haben Sie um den Kreis Germersheim für Ärzte attraktiver zu gestalten?

Zunächst begrüße ich, dass das Land aktuell die Medizinstudienplätze weiter ausbaut. Die Zahl der Studienanfängerplätze ist bereits um 15 Prozent auf 450 pro Jahr erhöht worden und soll sogar in kurzer Zeit auf 500 ansteigen. Im Kontext knapper Ressourcen ist das eine beeindruckende Leistung, die sich sicher auch bei uns im LK Germersheim bemerkbar machen wird.

Ich begrüße Programme, bei denen sich Studierende eine gewisse Zeit verpflichten, im ländlichen Raum ihre Praxis zu installieren, und dafür mit einem niedrigerem Notendurchschnitt an einer Universität angenommen werden. Diese Maßnahme würde helfen, denn damit sind die notwendigen Schritte vorerst eingeleitet.

Für die Sicherung der ärztlichen Versorgung sehe ich zudem die Schaffung eines Medizinischen Versorgungszentrums auf Kreisebene als dringend geboten. Ein solches Zentrum wird zu einer besseren medizinischen Versorgung und Zugang zu verschiedenen Fachgebieten beitragen. Zusätzlich könnte eine Koordinierungsstelle als zentraler Ansprechpartner eng mit den Gemeinden zusammenarbeiten und so eine effektivere Gesundheitsversorgung im Landkreis sicherstellen.

Ich bin ich aktuell mit einem Arzt im Gespräch, welcher schon praktiziert hat und loslegen könnte, aber jetzt mit dem Berufsanerkennungsverfahren kämpft.

Um die Fachkräftegewinnung zu erhöhen, muss die Ausländerbehörde umorganisiert werden. Hierzu braucht die Behörde dringend mehr Mitarbeitende und Ressourcen. Ich möchte sie bestmöglich ausstatten und in die Mitte eines neu zu schaffenden Migrationsfachzentrums stellen. Hierdurch sollen all die Themen der Arbeitsmarktintegration wie z.B.  Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse und die Themen der allgemeinen Integration wie z.B. Sprachkurse gebündelt und vernetzt werden. So entstehen kurze Wege, Synergien und dadurch schnellere Abläufe und Wertschöpfung für alle.

PEX: Welche Gedanken bewegen Sie im Bezug auf die Energiewende?

Nicht jeder Bürger jede Bürgerin kann sich eine Photovoltaikanlage oder ein Elektroauto leisten, es ist aber wichtig, alle Bürger*innen bei diesem Thema mit zu nehmen. Die Menschen müssen hier im Vorfeld informiert werden. Die Kreisverwaltung hat hier bereits gute Strukturen, mit denen sie in die Bevölkerung hinein agiert, und diese potentiale müssen wir aktiv nutzen um jeden einzelnen Menschen auch zum Thema Energiewende zu erreichen.

Es ist wichtig unseren Mitmenschen zu zeigen welche Chancen sie haben. Wir müssen eine Energieberatung vor Ort anbieten, erklären wie ein Balkonkraftwerk funktioniert und informieren ob ihre Häuser oder Wohnungen für bestimmte umbauten geeignet sind oder nicht. Unser Ziel muss es sein hier jeden einzelnen Menschen mitzunehmen, nur so können sie auch politisch diese Themen mittragen. Bei einer Bürger Energie Genossenschaft können Menschen zum Beispiel schon mit einem geringen Beitrag an den Gewinnen partizipieren.

PEX: Deutschland steckt mitten im Wandel. Wir hinken bei der Digitalisierung anderen Ländern hinterher. Wie möchten Sie diese Herausforderung angehen?

Digitalisierung ist ein Zauberwort und für eine wirtschaftsstarke Zukunft unabdingbar. Digitalisierung hat einen großen Einfluss auf den gesamten Alltag der Menschen. Ich sehe hier Chancen für mehr Wohlstand und mehr Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen.

Jedoch bringt uns all diese Digitalisierung nicht weiter, wenn ein Großteil der Gesellschaft nicht weiß, wie sie die Endgeräte bedienen und die Anwendungen benutzen sollen. Hier müssen wir aktiv aufklären und Angebote machen, bei der sich die Bürger*innen gegenseitig unterstützen und beraten können. Ganz konkret meine ich hier das Projekt „Digitalbotschafterinnen und Digitalbotschafter“, das ich im Kreis Germersheim in der Breite bekannt machen und aktiv unterstützen werde.

Leider erleben wir zunehmend das die Verwaltung nicht mehr direkt erreichbar ist. Deshalb sehe ich hier die Notwendigkeit von Informationszentren, hier können die Menschen ihre Anliegen äußern und vor Ort direkt die Information einholen die sie benötigen, um die Vorhaben durchzuführen. Jeder Mensch hat ein Recht darauf die Hilfe zu bekommen, die er benötigt. Diese personelle Mehrausstattung entlastet die Verwaltung indem Dokumente im Vorfeld vorsortiert und vorgearbeitet werden.

Wichtig ist es auch die Bürger*innen mitzunehmen, die eben nicht wissen, wie sie ihr Fahrzeug mal eben über das Mobiltelefon an- oder abmelden. Wir brauchen an dieser Stelle den Menschen als Ansprechpartner.

PEX: Als Vorsitzender im Beirat für Migration und Integration bieten Sie einen besonderen Aspekt. Was möchten Sie im Fall eines Wahlsiegs erreichen?

Wir müssen festhalten, dass sich global gesehen vieles verändert. Wir haben die Kriege um uns herum – wie den Nahost Konflikt oder Putins Krieg in der Ukraine.  Wir sind im ständigen Krisenmodus und das verängstigt die Menschen.

In den letzten 10 Jahren gab es aufgrund von globalen Konflikten und auch von klimatischen Veränderung erhöhte Flüchtlingszahlen. Die globalen Veränderungen prasseln auf die Bevölkerung ein. Meines Erachtens sucht man hier die Problemlösung zu sehr bei dem Thema Migration und genau hier möchte ich aufräumen, den Menschen mehr Aufklärung bieten. Wir können keine Mauern um Europa bauen, aber wir können kluge Politik machen. Dafür ist die europäische Politik mitverantwortlich, zum Beispiel mit gerechter Verteilung. Es ist ein Irrglaube, Migration komplett abschotten zu können. Die Bürger im Landkreis Germersheim haben ein Recht auf sachliche Information statt der ständigen Schuldzuweisungen und dem inflationären Hinweis auf die Überlastung der Gemeinden.

Wir brauchen hier eine gute Politik, die diese Themen auf den Punkt bringt. Hier haben wir zum Thema Migration und Integration viele Möglichkeiten. Unter anderem die Aufklärung über das Integrationskonzept. Wie können wir aus dieser Situation eine Wertschöpfung generieren? Indem wir die Menschen so schnell wie möglich in Lohn und Brot bringen, damit hieraus wieder Sozialversicherungsbeiträge generiert werden und ein gesellschaftlicher Mehrwert entsteht.

Aber wir erleben eine Diskussion in den Medien, eine Missgunst in den Verwaltungen und politische offene Briefe. Das halte ich für gefährlich und das sorgt für ein Klima, das in die falsche Richtung geht. Darüber mache ich mir Sorgen. Ich möchte ein Landrat sein, der versachlicht und den Menschen ganz klar Situationen näher bringt, aber auch die Chancen aus den verschiedenen Herausforderungen zieht.

Als Beirat im Vorstand für Migration und Integration ist es mir hier wichtig zu sagen: Es ist wunderbar was hier passiert ist – als Deutschland, als Kreis Germersheim, als Gemeinden zu sehen wie vielen Menschen wir Schutz geben konnten, die aus triftigem Grund fliehen mussten und hier können wir stolz drauf sein. Wir haben was Tolles geschafft. Doch stattdessen verrennen wir uns in Themen, die uns negativ darstellen und das schadet uns. Sowohl bei der Außendarstellung, als auch bei der Fachkräftegewinnung.

Ich mache mir Sorgen um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die Demokratie fliegt uns um die Ohren. Ich mache mir Sorgen, wenn ich die Meinung der Expert*innen höre, die sagen das die Wahltendenzen in den neuen Bundesländern um etwa 5 Jahre versetzt sind und uns aufzeigen, was uns hier erwartet. Dann können wir noch so viel über neue Straßen und Digitalisierung reden, aber wenn die Verhältnisse hier umschwenken und wir Menschen in die Verantwortung bekommen, die faschistischen Tendenzen haben, wird der Schaden immens. Diese Leute rütteln bereits jetzt schon an den Institutionen unserer Demokratie, sie wollen den Austritt Deutschlands aus der EU und viele andere Sachen, die uns Wohlstand und Zusammenhalt kosten werden.

Das Thema Demokratie Resilienz wird für mich eine wichtige Angelegenheit sein, welches wir sachlich und konkret kommunizieren müssen und dabei nicht vergessen, das eine große Zahl von zugewanderten Menschen mitgenommen werden muss.

Der 7. Oktober hat uns gelehrt, das auch bei der zugewanderten Bevölkerung andere Ansichten vorhanden sind und hier benötigen wir unter anderem Unterstützung für Lehrer*innen und vieles mehr.

PEX: Wie gedenken Sie die Bürger mehr in dem Thema Demokratie Resilienz mitzunehmen?

Wir stellen zunehmend fest, das unsere Erinnerungskultur irgendwo nicht mehr so funktioniert wie wir es uns vorgestellt haben. Mit Blick auf diese Erinnerungskultur würde ich gerne das Haus Kahn, welches sich im Besitz der Kreisverwaltung befindet, zu einem Demokratie Förderzentrum umgestalten. Das ist ein Prozess der parteiübergreifend angegangen werden muss, hier möchte ich auch alle Mitmenschen einladen sich zu engagieren.

Ich möchte in Bezug auf die Demokratie Resilienz auch Bürgerräte generieren. Wir müssen alle Menschen aktiv einladen und interessante Themen generieren. Es besteht hier ein Aufklärungsbedarf. Eine weitere Priorität ist es, junge Menschen für Demokratie und politische Abläufe zu begeistern.

PEX: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Yüksel. Was möchten Sie den Lesern zum Schluss noch mit auf den Weg geben?

Ich erlebe die Menschen als sehr offen und herzlich. Deshalb lebe ich hier sehr gerne und Sie können im Fall eines Wahlsiegs bei mir sicher sein, dass ich alle Menschen mitnehme, auf alle Leute zugehen werde.

Wir haben eine polarisierte Gesellschaft, damit meine ich nicht nur die fast 40.000 mit Migrationshintergrund, sondern auch die Menschen, die vielleicht einen kritischen Blick auf unsere Gesellschaft haben, die sich nicht abgeholt fühlen. Für alle Menschen, die sich wirklich eine Abkehr von dieser immer weiter fortschreitenden Polarisierung wünschen, mache ich ein Angebot, ich stehe authentisch für Versachlichung, für einen Umgang mit Herz und Versand. Mein Ziel ist es, alle davon zu überzeugen, im Zusammenhalt diesen wunderbaren Landkreis weiterentwickeln und für die Zukunft fit machen können.

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