Freitag, 19. April 2024

Verblüffende Parallelen über 2000 Jahre: Römische Armee und Bundeswehr ganz ähnlich

12. April 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional

V.li.: Oberstleutnant Meinrad Angermayer Dr. Marcus Reuter und Gerhard Beil.
Fotos: pfalz-express.de/Licht
Fotogalerie am Textende

Rheinzabern – Das antike Tabernae – das heutige Rheinzabern –  lag an einer vom römischen Militär angelegten Fernstraße. Und so hatte der Volkshochschul-Vortrag „Militär einst und jetzt: Mittel – Methoden – Mechanismen“ im Kleinen Kulturzentrum durchaus Beziehung zum Römerdorf.

Zwei Experten entwickelten in unterhaltsamem Dialog erstaunliche Parallelen zwischen der Römischen Armee vor 2000 Jahren und der Bundeswehr heute. Dr. Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier, ist ein profunder Kenner der Materie. Er plauderte aus dem Nähkästchen, entzifferte Grabinschriften, Steintäfelchen, Reliefs auf Siegessäulen und belegte seine Argumente anhand vielfältiger römischer Quellen.

Oberstleutnant Meinrad Angermayer, Stabsoffizier für Öffentlichkeitsarbeit beim Landeskommando Hessen und mit persönlichen Erfahrungen in Afghanistan, zeigte mit Fotos vom Einsatz am Hindukusch, wie deutsche Soldaten im Rahmen der ISAF-Truppen agieren.

Ist im Krieg alles erlaubt?

Im römischen „ius belli“ war alles erlaubt, so dass es keine Kriegsverbrechen gab. Der siegreiche Feldherr galt als Herrscher über Leben und Tod in seinem eroberten Gebiet. Er erwies sich aber häufig als gnädig und schenkt der unterworfenen Bevölkerung symbolisch das Leben. Heutige Armeen unterliegen dem Völkerrecht, UN-Konventionen und der demokratischen Kontrolle. Gegenwärtig sind uns die Haager Kriegsverbrecherprozesse. Bis dahin bedurfte es aber Jahrhunderte geistesgeschichtlicher Entwicklung.

„Flagge zeigen“

Um dem militärischen Ziel Nachdruck zu verleihen, zeigte das römische Heer Präsenz in der Fläche. Tun dies die Römer in unüberschaubarem Gelände z.B. durch den Hadrianswall und zahlreiche Kastelle, so funktionieren die Bundeswehrstützpunkte im Norden Afghanistans nicht viel anders: Festungsartig, Patrouillen in gepanzerten Fahrzeugen, geschützt gegen Hinterhalte, zeigen, dass man da ist.

„Flagge zeigen“ auch – und möglichst mit den Einheimischen Kontakt aufnehmen. Kundschafter ermitteln Sicherheit, Dolmetscher schlagen Kontakte zu Stammeshäuptlingen und Dorfältesten. Diese sind unabdingbar zur Erhaltung der Stabilität – erst recht beim Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen. Zu den Kontakten gehören freundliche Gebärden und notwendige Rituale. Respekt ist notwendig, keine Besatzermentalität.

Die ISAF-Truppen sind auf Wunsch Präsident Karsais im Land und in einer Gastrolle, so gilt es daraus etwas zu machen: Humanitäre und technische Hilfe, Ressentiments abbauen, den Wiederaufbau unterstützen, Umdenken anbahnen. Al Kaida und Taliban werden genannt. Schwierige „Brocken“.

Lagerleben, Lagerlogik

Ob Saalburg oder Masar-e Sharif, die Feldlager und Kastelle sind nach bestimmten Standards und militärischer Logik angelegt. Ob in Afrika oder Germanien – der römische Soldat findet sich überall sofort zurecht – ähnlich der Standardisierung heutiger Supermärkte oder Kaufhausketten. Bestes Beispiel ist die Saalburg.

Auch im Innern läuft noch heute viel Routine ab, wie sie schon seit Jahrtausenden der Fall ist. Die Truppe muss bei Laune, in Fitness und Disziplin gehalten werden. Langeweile kann tödlich sein, erst recht angesichts sehr kleiner Privatbereiche.

In ruhigen Zeiten waren die römischen Kastelle von regulärer Besatzung ausgedünnt, weil die Soldaten in der Ziegelei, in der Landwirtschaft, beim Holzeinschlag beschäftigt wurden. Neben dem üblichen Reinigungsdienst etc. brauchten Soldaten auch Muse. Gewohnheiten aus der Heimat sind ganz wichtig, weswegen selbst im kleinen Tabernae ein Römerbad errichtet wurde. Nicht zu vergessen der Import von Wein, Olivenöl oder die Übernahme von Kulturpflanzen.

Dies lässt sich im fundamentalistisch-islamisch geprägten Afghanistan nicht machen, weshalb die Truppe eher isoliert ist. Das Vorratslager des „Küchenbullen“ ähnelt einem deutschen Supermarkt. Und für Cola, Comic oder Zeitung sorgen Marketenderei und Internetverbindung. Wasser aber ist auch im trockenen Afghanistan ausreichend vorhanden, um die einfachsten hygienischen Standards einhalten zu können.

Sanitätsdienst fast wie heute

Wir kennen Feldkrankenhäuser der Bundeswehr mit modernster Infrastruktur, Operationssälen und Rettungsflugverbindungen. Archäologische Funde beweisen aber: Schon die Römer hatten moderne Lazarette und einen effektiven Sanitätsdienst mit medizinischen Abteilungen. So verminderte man das Risiko, dass die teuer und langwierig ausgebildete Truppe schon vor dem Kampf durch Krankheiten dezimiert wurde.

Parallelität auch im Alltäglichen

Die beiden Experten vergleichen sogar scheinbar Banales. Feldpostbriefe sind dankbare Quellen. Ob heutige E-Mails aus Juba oder antike Holztäfelchen aus Hispania, meist sind die Themen gleich geblieben. Es wird über fehlendes Bier geklagt, man liest von Heimweh, Liebe und Alltagskleinigkeiten. Kriegskuriosität am Rande: Feldpostbriefe aus Afghanistan – mit Stempeln von Ostersonntag oder Karfreitag – haben hohen philatelistischen Wert, weil an solchen Tagen im Heimatland Feiertag ist.

Limitierende Logistik

Ohne Nachschub ist alles nichts. Auf der Siegessäule von Kaiser Trajan in Rom ist die Eroberung Dakiens verewigt. Die Versorgung einer Truppe von über 40 000 Personen mit Getreide, Wein, Dörrfleisch, Wasser und Tierfutter war eine logistische Meisterleistung. Wann immer möglich, wurde der preiswerte Wasserweg genutzt, was in Afghanistan natürlich nicht geht. Hier ist man auf Lufttransporte und Durchquerung Russlands oder Kasachstans angewiesen.

Schon immer siedeln sich um einen Truppenstandort Handwerk und Handel an, denn regelmäßige Soldzahlungen sind ein Wirtschaftsfaktor. Wo immer es geht, versucht die Bundeswehr umliegenden Handwerkern Aufträge zu geben.

Prunum zum Schluss

Ein kurzweiliger Abend, der erst zu Ende scheint, als der Nachschub an Wasser ausgeht. Limitierende Logistik auch hier. Zwei Stunden sprudeln die beiden Referenten voller Begeisterung.

Mit einem „Prunum“- Getränk, „Zibärtl“ aus Wildpflaumen, die einst die Römer bei uns importierten, dankte Ortsbürgermeister Gerhard Beil den beiden Herrn, die, bevor sie sich verabschiedeten, noch ausführlich Fragen aus dem Publikum beantworteten. (Gerhard Beil/red)

 

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