Dienstag, 30. April 2024

Neustadt: Britischer Journalist Harding darf Ermittlungsakten zum Mord an Familie von Robert Einstein einsehen

20. November 2023 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional

Schwierige Recherche: Die meisten Zeitzeugen sind tot.
Symbolbild: Thomas Rüdesheim / Pixabay

Neustadt – Ein britischer Journalist will die Wahrheit über ein grausames Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg herausfinden. Er klagt vor Gericht auf das Recht, die Ermittlungsakte zu den Morden an der Familie von Robert Einstein, Cousin von Albert Einstein, dem berühmten Physiker und Friedensnobelpreisträger, einzusehen.

Die Familie wurde im Jahr 1944 von deutschen Soldaten in Italien ermordet. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hatte die Akte bisher nicht freigegeben.

Landesmediengesetz gibt Presse Auskunftsrecht

Der Journalist und Schriftsteller Thomas Harding beruft sich auf das Landesmediengesetz, das der Presse das Recht auf Auskünfte von Behörden zusichert. Er will die Umstände der Morde und der Einstellung des Verfahrens gegen die mutmaßlichen Täter im Jahr 2014 recherchieren.

Harding hatte einen Presseausweis der „British Association of Journalists“ vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm die Einsichtnahme in die Akte verweigert und argumentiert, dass die Akte zu viele personenbezogene Daten enthalte, die nicht ohne großen Aufwand geschwärzt werden könnten.

Öffentliches Interesse überwiegt private Interessen

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat dem Journalisten jedoch recht gegeben. Es hat entschieden, dass das öffentliche Interesse an der strafrechtlichen Aufarbeitung von NS-Verbrechen höher wiege als die privaten Interessen der Soldaten und ihrer Angehörigen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wehrmachtseinheit und der Dienstgrad seien keine schutzwürdigen Daten, zumal kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten bestanden habe.

Die Namen der Soldaten seien lediglich Tatsachen und verfälschten nicht ihr Lebensbild. Auch die Gefahr einer Sippenhaftung für die Verwandten sei nicht gegeben.

Gericht verpflichtet Staatsanwaltschaft zur Herausgabe der Akte

Das Gericht hat die Staatsanwaltschaft verpflichtet, dem Journalisten Kopien der Ermittlungsakte zu überlassen. Es hat festgestellt, dass nur die Sichtung der Akte geeignet sei, den Sachverhalt einschätzen und verstehen zu können. Dies gelte sowohl für die Morde als auch für die Verfahrenseinstellung im Jahr 2014. Das Gericht hat betont, dass die Presserecherche aufgrund der historischen Dimension der strafrechtlichen Aufarbeitung von Verbrechen aus der NS-Zeit weiterhin ein herausgehobenes öffentliches Interesse habe.

Hintergrund der Morde an Robert Einsteins Familie

Die Morde an der Ehefrau und den beiden Töchtern von Robert Einstein am 3. August 1944 in der Nähe von Florenz waren Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz), das sich gegen einen ehemaligen Hauptmann und weitere Angehörige einer Wehrmachtseinheit richtete.

Das Verfahren wurde am 5. Januar 2014 mit der Begründung eingestellt, dass kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten bestehe. 

Die Familie von Robert Einstein lebte in einer Villa in Rignano sull’Arno, 20 Kilometer südöstlich von Florenz. Mehr dazu hier im Wikipedia-Artikel

Das Verbrechen ist zwar offensichtlich klar bekannt, aber die Identifizierung der Täter ist sehr schwierig. Die Morde geschahen vor fast 70 Jahren und viele der beteiligten Soldaten sind verstorben oder nicht mehr auffindbar. Außerdem gibt es nur wenige überlebende Zeugen, die die Gesichter oder Namen der Soldaten erkennen oder beschreiben können.

Die Ermittler konnten nur die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wehrmachtseinheit und den Dienstgrad der Soldaten feststellen, aber das reicht nicht aus, um einen Anfangsverdacht zu begründen. (cli)

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