Sonntag, 28. April 2024

Neujahrsempfang in Pirmasens: „Stärken nutzen und eigene Wege gehen“

15. Januar 2024 | Kategorie: Allgemein, Regional, Regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Flankiert von Landgräflichen Grenadieren, Landgräfin
und Landgraf hält Pirmasens‘ Oberbürgermeister Markus Zwick seine
Ansprache zum Neujahrsempfang 2024.
Foto: W. G. Stähle

Pirmasens. Auch in diesem Jahr setzte die Stadt Pirmasens „ein Stück gelebte Tradition“ fort und lud ihre Bürgerschaft am letzten Freitagabend (12. Januar 2024) zum Neujahrsempfang in die Festhalle ein.

Oberbürgermeister Markus Zwick, Bürgermeister Michael Maas und Beigeordneter Denis Clauer hießen die eintreffenden Gäste per Handschlag willkommen, flankiert von „Landgräflichen Grenadieren“ in historischen Uniformen.

Der große Saal war dicht gefüllt. Eine öffentliche Einladung an alle interessierten Bürger sei zuvor ergangen sowie 1.600 persönliche Anschreiben verschickt worden, war zu erfahren. Im Kernpunkt der musikalisch umrahmten und von Kulturamtsleiter Uwe Hauser (wie gewohnt) routiniert moderierten Veranstaltung bot Oberbürgermeister Markus Zwick in seiner Ansprache einen Rückblick auf das vergangenen Jahr und einen Ausblick auf das beginnende. Darüber hinaus sprach er „Herausforderungen unserer Zeit“ an.
Im Anschluss an den offiziellen Teil war Gelegenheit zu geselligen Begegnungen und ungezwungenem Austausch, was ausgiebig genutzt wurde.

„Wir leben in einer Zeit, die von Veränderung und Wandel geprägt ist“

Die musikalische Begrüßung und Einstimmung übernahm das Trio „jazz’n“ (Dahn). Seine anschließende Ansprache begann Oberbürgermeister Zwick mit dem Geständnis „ich wollte eigentlich abspecken“ und einer humorigen Schilderung ebenso intimer persönlicher Vorsätze für die kommenden Monate sowie wie er diese taktisch angehen will.
„Wir leben in einer Zeit, die von Veränderung und Wandel geprägt ist“, leitete er dann die eigentliche Neujahrsrede ein.

„Die viel beschworene ‚Zeitenwende‘ stellt viel Bewährtes infrage. Nicht wenige Menschen zweifeln daran, ob das gut für uns ist.“ Bewährtes und Erfolgreiches werde gefühlt immer schneller durch Neues und zum Teil Ungewisses ersetzt. Auch im Stadtvorstand würden Art und Geschwindigkeit mancher aktueller Prozesse mit Sorge betrachtet. Dabei sollten „unsere alten Werte, Stärken und Tugenden nicht vergessen“ werden, „denn sie haben Pirmasens groß gemacht“, rief er auf. Die Herausforderungen unserer Zeit verlangten auch Veränderungen und Wandel, für Pirmasens wie für Deutschland.

Stärken nutzen und eigene Wege gehen

„Der Neujahrsempfang war seit jeher ein guter Anlass, anstehende Aufgaben anzusprechen, Pläne zu schmieden und Pirmasens weiterzuentwickeln, eben noch besser zu machen.“ Es gelte aus Erfolgen und Niederlagen zu lernen, sich auf die Pirmasenser Stärken zu besinnen und eigene Lösungen zu entwickeln“. Seine Neujahrsansprache wolle er deshalb unter die Überschrift „Stärken nutzen und eigene Wege gehen“ stellen.

Vergangenes Jahr geprägt von Herausforderungen und Krisen

Das vergangene Jahr sei für die Stadtgemeinschaft geprägt worden von Herausforderungen und Krisen, von der Pandemie bis hin zu Flüchtlingsströmen, Inflation, gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten sowie Ängsten um den Arbeitsplatz. „All das hat uns stark gefordert.“ Angesichts des Krieges in der Ukraine sowie des blutigen Konfliktes zwischen Israelis und Palästinensern dürfe nicht vergessen werden, welches Privileg der jahrzehntelange Friede in Europa für uns bedeutet. Frieden und Demokratie zu wahren sowie Spaltung und Hass entgegenzutreten sei „auch für uns in Pirmasens“ eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

„Das bedeutet auch, dass wir überall dort, wo wir uns von Berlin und Mainz nicht ausreichend unterstützt sehen, bereit sind, beherzt und mutig eigene Wege zu gehen und unsere eigenen Stärken zu nutzen.“

Die Stadtverwaltung stehe bei der Bewältigung der „gewaltigen Herausforderungen“ nicht alleine. „Mit unseren drei Tochtergesellschaften Stadtwerke, Bauhilfe und Städtisches Krankenhaus haben wir starke Partner.“ Außerdem habe man eine erstarkte und leistungsfähige Wirtschaft, „die sich auch in schweren Zeiten sprichwörtlich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann“. Die vielleicht größte Stärke sei „eine anpackende und mutige Zivilgesellschaft: engagierte Menschen, Vereine und Institutionen, die sich ehrenamtlich für die Zukunft unserer schönen Stadt einbringen.“

Kosten der „Energiewende“ enorm

Man habe als Kommune den Auftrag klimaneutral zu werden, Stichwort Energiewende. Eine „gigantische Transformation“ stehe an. Das bedeute, die Stadtwerke müssten in den nächsten Jahren völlig neue Wege gehen. Die Kosten dafür seien enorm, gerade im Hinblick auf potenzielle Energiequellen wie Biogas und Wasserstoff. Dabei brauche es perspektivisch ein Vielfaches mehr an Strom, um Häuser zu heizen und E-Autos zu laden.

„Das ist mit Photovoltaik und Windkraft allein nicht so schnell möglich. Stand heute ist die Infrastruktur deutschlandweit noch nicht dafür ausgelegt, die Wärmeerzeugung von Gas auf Strom oder Fernwärme umzustellen. Alleine bei uns ist dafür ein dreistelliger Millionenbetrag an Investitionen notwendig.“ Darin steckten auch große Chancen unabhängiger von globalisierten Märkten zu werden, Energie großteils selbst vor Ort zu erzeugen und auf lange Sicht eine kostengünstige Versorgung zu sichern.

Politische Rahmenbedingungen ändern sich ständig

„Die politisch gesetzten Rahmenbedingungen ändern sich zurzeit ständig“, stellte Markus Zwick fest. Daher müsse die Planung flexibel sein. Nur so könne es gelingen, über den vorgegebenen Zeitraum von gut 20 Jahren alle Maßgaben umzusetzen. „Als Stadtspitze halten wir es daher für sinnvoll und geboten, die Übergänge und Ziele nicht ideologisch, sondern technologieoffen voranzutreiben, denn unsere wichtigste Aufgabe ist die Sorge für das Wohl der Menschen in Pirmasens. Energie muss bezahlbar bleiben. Bleiben wir realistisch: Übergangsweise sind wir noch länger auf Gas, Kohle und Atomkraft angewiesen. Alles andere sind Wunschträume, die uns teuer zu stehen kommen können.“

Um das deutsche Gesundheitswesen steht es nicht gut

„Wie wir alle wissen, steht es um das deutsche Gesundheitswesen nicht gut“, fuhr Oberbürgermeister Zwick fort. „Zu viele Arztpraxen machen dicht, ohne Nachfolger gefunden zu haben. Bereitschaftspraxen schließen oder beschränken ihre Sprechzeiten und zahlreiche Krankenhäuser stehen mit dem Rücken an der Wand.“ Hauptgründe seien fehlendes Personal und finanzielle Rahmenbedingungen, „für die Bund und Länder verantwortlich sind“. Diese seien „so schlecht wie nie zuvor“.

Ein ungesteuertes Kliniksterben werde politisch in Kauf genommen. „Doch auch hier hat Pirmasens eigene Stärken und geht eigene Wege, mit dem Städtischen Krankenhaus, unserer zweiten Tochter“. Pirmasens habe mit seiner eigenen Pflegeschule und der Auslandsakquise früh Weichen gestellt. „Nicht zuletzt deshalb ist das ‚Städtische‘ eines der wenigen Häuser, das am zentralen Standort noch keine Stationen schließen musste.“

Längst sei auf die Agenda gerückt, beide Standorte (Pirmasens und Rodalben) auch örtlich zu vereinen. Das Land habe zugesagt, ein „Leuchtturmprojekt“ für geschätzt 130 Millionen Euro komplett zu finanzieren. „Auch wir werden weitere eigene Investitionen tätigen. Eine Bausumme dieser Größenordnung dürfte für unsere Stadt ein Novum darstellen und ist eine der wichtigsten Investitionen für die Zukunft unserer gesamten Region.“ Auch das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) unter dem Dach des Städtischen Krankenhauses versorge in mehreren Fachrichtungen jährlich circa 24.000 Menschen. Für ein privates MVZ samt Kindergarten am Krankenhauscampus laufe eine Ausschreibung.

„Bauhilfe“ stellt bezahlbaren Wohnraum bereit

Als Stadt schätze man sich glücklich, mit der „Bauhilfe“ eine eigene Tochter zu haben. Diese gehe schon lange eigene Wege und gelte dadurch über die Region hinaus als Vorbild. Als größter Vermieter in der Stadt stelle sie bezahlbaren und hochwertigen Wohnraum bereit, gerade auch für Menschen mit schwierigerem Zugang zum Wohnungsmarkt. Zudem spiele sie mit „richtungweisenden Projekten“ eine wichtige Rolle in der städtebaulichen Entwicklung, darunter „PS:Patio“ (generationenübergreifendes Wohnen), einer selbstbestimmten Wohngruppe und einem inklusiven Wohnprojekt in dem Menschen mit Behinderung zusammen mit Studierenden ihren Alltag bewältigten.

Den Gesamtbestand der Bauhilfe möglichst klimaneutral zu sanieren, stelle eine Herkules-Aufgabe dar. „Wir reden von mehr als 270 Häusern, die von der Hülle und dem Dach über die Wohnungen und das Treppenhaus bis in den Keller saniert werden müssen.“

Aufnahme von Flüchtlingen Herausforderung für alle Kommunen

„Eine der größten Herausforderungen aller Kommunen in Deutschland ist zurzeit die ungebremste Aufnahme von Flüchtlingen.“ Er setze sich deshalb auf verschiedenen Ebenen mit aller Kraft dafür ein, „dass der enorme Flüchtlingszustrom in unsere Städte begrenzt wird“, versicherte Markus Zwick. Die vermehrte Zuweisung seit 2022 habe „auch in Pirmasens zu enormen Herausforderungen für Stadtgesellschaft und Verwaltung geführt.“

Es fehlte chronisch an Wohnraum, Personal und Geld, um die gestellten Aufgaben, vor allem die Integration, zu bewältigen. „Das hindert uns allerdings nicht, eigene und ganz besonders hohe Maßstäbe an die Integration zu setzen. Unser seit Frühjahr praktiziertes Modell hat mittlerweile als ‚Pirmasenser Weg‘ sogar bundesweite Aufmerksamkeit erlangt“. Dahinter stehe die Erkenntnis, „dass es nichts bringt, Flüchtlinge mit Sozialleistungen monatelang nur zu alimentieren, ohne sie sinnvoll für die Stadtgesellschaft zu beschäftigen.

Deshalb haben wir mit der Kirchbergwerkstatt einen verpflichtenden Kurs eingeführt. Direkt nach ihrer Ankunft in Pirmasens erhalten die Asylsuchenden hier praktische Anleitung und Hilfestellung zur schnellen Orientierung im völlig neuen Lebensumfeld.“ Die Idee dahinter sei, „wer nach unseren Regeln leben soll, muss diese überhaupt erst mal kennen und verinnerlichen können“. An dieser Vorgehensweise zeige sogar das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge großes Interesse.

Bezüglich Kommunalfinanzen hat Land Kosmetik betrieben

„Womit ich zum Thema „Kommunalfinanzen“ komme – und ob Sie es glauben oder nicht – ich werde versuchen, mich dabei kurzzuhalten“, leitete Markus Zwick zu seinem nächsten Schwerpunkt über und konstatierte „nach wie vor gibt es für die Kommunen zu wenig Geld vom Land.“ Pirmasens habe stellvertretend für die Kommunen gegen das Land geklagt und Recht bekommen, erinnerte er. „Wie prognostiziert hat das Land daraufhin mehr Kosmetik betrieben als Ursachen beseitigt.

Unter dem Strich wurden die Landesmittel nämlich nur zwischen Gemeinden, Städten und Kreisen umverteilt, aber keine neuen hinzugegeben.“ Trotz neuem Landesfinanzausgleich ergäbe sich für den Haushalt 2024 ein enormer Fehlbedarf.

„Doch eines hat sich durch unseren unermüdlichen Kampf geändert: Bislang kamen wir Pirmasenser uns wie der ‚Rufer in der Wüste‘ vor. Immer wieder waren wir es, die in einsamer Mission den ‚Finger in die Wunde‘ gelegt haben. Mittlerweile ist aber ein regelrechter Flächenbrand entstanden. Landauf und landab schließen sich Gemeinden, Verbandsgemeinden, Städte und Kreise unserem Kampf an.

Ich erinnere an den Rücktritt ganzer Räte in den Landkreisen Germersheim und Kusel. Seien Sie versichert: Wir werden weder Bund noch Land aus der Pflicht lassen.“ Die betreffenden Probleme seien nicht selbst verschuldet, betonte OB Zwick nachdrücklich. „Deshalb werden wir auch weiter kämpfen für eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen und für die berechtigten Interessen unserer Bürger.“

Es gebe aber auch eine gute Nachricht: „In den kommenden Wochen werden wir von beeindruckenden 280 Millionen Euro Schulden entlastet. Bei den aktuell gestiegenen Zinsen ein historischer Erfolg. Dem Land sage ich an dieser Stelle, trotz aller Differenzen, ausdrücklich Danke. Das war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“
Trotz der prekären Haushaltslage werden man an richtungsweisenden Zukunftsprojekten festhalten, kündigte der Verwaltungschef an. Seit langem trage er sich mit dem Gedanken an eine eigene Bürgerstiftung für alle Vororte und die Stadt. Nun seien Mitstreiter gefunden. Er werde schon bald näher informieren.

Gute Nachbarschaft

Zu Stadt und Verbandsgemeinde Rodalben bestünde eine gute Nachbarschaft. Mit dem (das Stadtgebiet umgebenden) Landkreis Südwestpfalz und der Nachbarstadt Zweibrücken habe man ein Modellprojekt zur interkommunalen Zusammenarbeit durchgeführt. „Mit diesem Erfolg sollten die unseligen Forderungen nach einer Einkreisung von Pirmasens und Zweibrücken in den Landkreis hoffentlich ein für allemal vom Tisch sein“, erwartet Oberbürgermeister Zwick, die anwesende Landrätin Dr. Susanne Ganster namentlich ansprechend sowie Dr. Marold Wosnitza, den Amtskollegen aus Zweibrücken.

Stadtgesellschaft steht immer wieder zusammen

Als Stadtoberhaupt sei es ihm ein Herzensanliegen, in Anlehnung an seine letztjährige Ansprache unter dem Motto „Mut und Zuversicht“ (wir berichteten) zu betonen: „Es gibt mir Mut zu sehen, wie hoch motiviert sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich ins Zeug legen und wie eng verzahnt auch in unseren Tochtergesellschaften gearbeitet wird, um das Beste für Pirmasens zu erreichen. Gleichzeitig erfüllt es mich mit großer Zuversicht, wenn ich sehe, wie unsere Stadtgesellschaft immer wieder zusammensteht, ihre Stärken erkennt, eigene Wege geht und die anstehenden Aufgaben meistert.“

Stärken nutzen

Mit, er wolle sich ganz herzlich bei seinen  Kollegen von der Stadtverwaltung bedanken, den Städtischen Töchtern und allen Unterstützern von Pirmasens, leitete Markus Zwick den Abschluss ein. Besonderer Dank für die hervorragende Organisation des Abends gelte Annette Legleitner, der Leiterin seines Büros. „Lassen Sie uns also gemeinsam unsere Stärken nutzen und Berge versetzen und lassen Sie uns weiterhin unseren eigenen Pirmasenser Wege gehen. Ganz in diesem Sinne wünschen meine Kollegen im Stadtvorstand und ich Ihnen und Ihren Familien alles erdenklich Gute für das neue Jahr 2024.“

Verleihung von Stadtehrenplakette und Landgrafenmedaillen

Nach musikalischem Intermezzo des von Moderator Uwe Hauser sinngemäß als musikalisches Urgestein präsentierten Sängers Ralf Maxstadt („Maxa“) mit der Pirmasens-Hymne „Do bin isch dahäm“ nahm Markus Zwick den Neujahrsempfang zum Anlass, drei Mitbürger auszuzeichnen, „die mit großem persönlichem Einsatz Solidarität in vorbildlicher Weise leben und Subsidiarität praktizieren“.

Verliehen wurde die „Stadtehrenplakette“ in Bronze an Karl F. Schütz für sein fast 30 Jahre währendes Engagement im Carnevalverein Pirmasens (CVP). Die „Landgrafenmedaille“erhielt Bäckermeister und „Volkornpapst“ Volker Drebes, dem ganz besonders die Ausbildung des Nachwuchses am Herzen liege, für sein mehr als 50 Jahre währendes berufliches Wirken. Bis auf den heutigen Tag lade er regelmäßig Grundschüler in die Backstube ein und engagiere sich in der Aktion „gesundes (Schul-)Frühstück“. Eine weitere „Landgrafenmedaille“ wurde Ralf Maxstadt verliehen „für sein musikalischen Engagement mit einer großen Außenwirkung zugunsten von Pirmasens.“
Den musikalischen Ausklang übernahmen „jazz’n“. (Werner G. Stähle)

Ralf Maxstadt („Maxa“) präsentiert die Pirmasens-Hymne „Do bin isch dahäm“.
Foto: W. G. Stähle

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