Mittwoch, 01. Mai 2024

Karfreitagspredigt: „Gehört eigentlich der Karfreitag zu Deutschland?“

7. April 2023 | Kategorie: Kreis Bad Dürkheim, Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Ludwigshafen, Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional, Rhein-Pfalz-Kreis, Südwestpfalz und Westpfalz

Weihbischof Otto Georgens
Quelle: Bistum Speyer

Bistum Speyer – „Gehört eigentlich der Karfreitag zu Deutschland?“ – Diese Frage stellte Weihbischof Otto Georgens in seiner Karfreitagspredigt.

Die Predigt weiter im Wortlaut:

„Klar. Als gesetzlicher Feiertag. Als so genannter „stiller Feiertag“. Und da hört das Verständnis bei Vielen schon auf. Gehört das wirklich noch zu Deutschland, dass das Gesetz vorschreibt, dass wegen Jesu Sterben am Kreuz – zu dessen Gedenken bestenfalls 10 Prozent der Bevölkerung in die Kirche kommen – das ganze Volk nicht tanzen und nicht ausgelassen feiern darf?

Der Karfreitag macht es uns nicht leicht, wenn er zu unserer Identität gehören soll – weniger, weil man einen Tag lang aufs Tanzen verzichten muss – als dass das Kreuz nicht gerade ein kuscheliges Identitätsmerkmal ist. Das Kreuz durch-kreuzt so manches, was wir uns viel idyllischer und harmonischer vorstellen könnten. Das Kreuz bringt uns eher durcheinander, als dass es uns Sicherheit gibt. Das Kreuz stellt das Leid vor Augen. Wer will das schon? Das Kreuz kündet von der Grausamkeit, zu der Menschen fähig sind. Die Rahmengeschichte der Kreuzigung Jesu erzählt von Verrat und Feigheit, Machtgier und Willkürjustiz, Manipulation der Massen, Folter und Demütigung. Das gehört zu unserer Welt – ohne Zweifel. Leider!

Der Karfreitag konfrontiert und schmerzt. Er harmonisiert nicht, kehrt nicht unter den Teppich. Man kann nicht entgegnen: „Alles halb so schlimm“ oder „wird schon wieder“. Es ist nicht „halb so schlimm“. Die bitteren Karfreitagserfahrungen gehen an keinem spurlos vorbei.

„Ecce homo“ – „Seht den Menschen“, sagt Pilatus, als er Jesus nach seiner Folterung dem Pöbel vorführt, und sie schreien: „Ans Kreuz mit ihm!“ In dieses Menschsein hat sich Gott hineinbegeben: in ein Menschsein, in dem einige meinen, andere vorführen zu können, in dem manche sich in der Masse stark fühlen und den Einzelnen fertig machen. Angesichts dieses Menschseins will der erniedrigte Gottessohn an einem „anderen Königtum“ festhalten, an einer anderen Wahrheit, die es neben der grausamen Wirklichkeit dieser Welt auch noch gibt.

Der Ohnmächtige bleibt sich treu. Er lebt und stirbt seine Wahrheit – im Gegensatz zu den Mächtigen, die sich selbst verraten und verkaufen, die schon am Anfang der Leidensgeschichte des Johannes „zurückweichen und stürzen“, als Jesus sein klares „Ich bin es“ spricht. Dieses Stehen zu sich selbst haut sie um. Sie kennen das gar nicht: zu sich selber stehen. Auch Petrus hat damit so seine Schwierigkeiten. Angst ums eigene Überleben macht es schier unmöglich zu dem zu stehen, was grad nicht opportun ist, obwohl es einem doch einmal so wichtig war.

Wir sollten nicht voreilig urteilen und sagen, wir wären da anders. Wer weiß schon, ob er mutig genug wäre, vor den Arbeitskollegen, Klassenkameraden, Vereinsmitgliedern zu bekennen, was ihm Jesus, sein Tod und seine Auferstehung bedeuten? Sagen wir nicht manchmal auch – ausdrücklich oder stillschweigend – „Ich kenne ihn nicht?“ Schweigen wir ihn nicht manchmal tot?

Jesus wird gekreuzigt auf Golgota, der „Schädelhöhe“. Die christliche Legende sagt, das sei der Ort, wo Adam begraben wurde. Christliche Künstler malen oft einen Totenkopf an den Fuß des Kreuzes, den Totenkopf des ersten Menschen. Der „alte“ Adam und der „neue“ Adam kommen auf der Schädelhöhe zusammen. Auf Osterikonen wird oft dargestellt, wie der auferstandene Jesus den Adam aus dem Grab zieht.

Das ist wohl die entscheidende Frage des Karfreitags: Können wir zum einen zur Wahrheit unsres zerbrechlichen, verletzlichen und verletzenden Lebens stehen? Und zum anderen: Sind wir bereit, die Hilfe anzunehmen, die sich da anbietet, uns aus dem Grab der Unwahrhaftigkeit und der Unversöhntheit herausziehen zu lassen?

Gehört der Karfreitag zu Deutschland? Die meisten würden ihn wahrscheinlich gerne abschaffen oder austauschen gegen etwas Netteres. Ich finde es gut, dass es diesen sperrigen Feiertag gibt, auch wenn ich natürlich wie andere Ostern und Fröhlichkeit lieber mag als das Düstere und Bedrückende. Aber braucht es nicht auch einen Gedenktag, der gerade das ernst nimmt? Ist es nicht zu oberflächlich, sich nur mit dem Schönen und Freundlichen zu identifizieren und das Hässliche und Schwere zu ignorieren?

Ich finde es gut, dass es diesen Tag gibt – ausgerichtet auf Ostern hin. „Es ist vollbracht“, sagt der Sterbende. Er sagt nicht: „Es ist vorbei“, „Das war’s dann wohl.“ Das Kreuz durchkreuzt vorläufige Sicherheiten, die nicht tief genug gehen oder nicht ehrlich genug sind. Das Kreuz wird ein Leben lang immer eine Herausforderung bleiben – immer etwas, das unsicher macht, aber hoffentlich auch etwas, das die Verbindung herstellt zu dem „anderen Königtum“, das nicht von dieser Welt ist. Verbindung zu der Wahrheit jenseits der irdischen Grenzen, die uns ermöglicht, auch hier schon zu unserer Wahrheit zu stehen.“

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