Freitag, 26. April 2024

Zukunftsforum Sport und Ehrenamt: Turner-Legende Eberhard Gienger bei Gebhart und Schenk

4. April 2013 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Politik regional, Regional

(v.li.) Dr. Thomas Gebhart und Nico Schenk stoßen mit Eberhard Gienger an. Einen pfälzer „Schoppe“ konnte der Gast allerding nicht genießen – er musste mit dem Pkw die Heimfahrt antreten. Fotos: Licht

Herxheim – „Die schwierigste sportliche Übung ist es, in die Sportkleidung zu steigen“ – auch Tuner-Legende Eberhard Gienger kennt offenbar das Problem, sich manchmal zum Sport aufraffen zu müssen.

Der ehemalige Leistungssportler und heutige CDU-Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg war auf Einladung seines südpfälzer Bundestagskollegen Dr. Thomas Gebhart und von Landratskandidat und Erstem Beigeordneten für den Kreis SÜW, Nico Schenk, nach Herxheim gekommen. In der Gesprächsreihe von Thomas Gebhart, dem „Zukunftsforum“, stand dieses Mal das Thema „Sport und Ehrenamt“ auf der Agenda.

Über 100.000 Übungsstunden

Gebhart hatte das Thema gewählt, weil es ihm besonders am Herzen liege, sagte er bei seiner Begrüßungsrede. 155 Sportvereine gebe es in der Südpfalz, berichtete Gebhart und rechnete weiter: „Das sind pro Jahr über 100.000 Übungsstunden. Und diese werden wiederum von Ehrenamtlichen betreut.“

Das Interesse war groß, zahlreiche Besucher waren gekommmen, unter anderem der Präsident des Sportbunds Pfalz, Dieter Noppenberger, die stellvertretende Vorsitzende des Sportkreises Germersheim, Erika Fleck, Landtagsabgeordneter Marin Brandl, Bürgermeister Franz-Ludwig Trauth und Jürgen Rehm, Vorsitzender des Sportkreises SÜW.

Vereine brauchen Geld

Nico Schenk, der auch SÜW-Sportdezernent ist, hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Vereine und das Ehrenamt besonders zu stärken. Und kam auch gleich zur Sache: „Der Breitensport braucht Geld,“ sagte Schenk. „Wir müssen offen und transparent darüber reden, ob die finanzielle Ausstattung der Kommunen ausreichend ist.“ Die Zuschüsse seien weniger geworden, man schaffe es nicht mehr, einen Verein pro Jahr ordentlich finanziell zu unterstützen: „Was ist uns die Förderung des Ehrenamts im Kreis wert?“ , hakte Schenk nach. Die Vereine und die ehrenamtlich Tätigen müssten merken, dass ihre Arbeit honoriert und wertgeschätzt würde, betonte Schenk nachdrücklich.

Kampf um die Kinder: Mehr Sport, weniger Internet

Der Stargast des Abends, Eberhard Gienger, hat offenbar eine Vorliebe für Gedichte und stieg gleich mit Joachim Ringelnatz ein: Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine, kürzt die öde Zeit, und er schützt uns durch Vereine vor der Einsamkeit. (…) Damit war schon viel gesagt, denn Gienger mahnte an, dass der Kampf um die Kinder begonnen habe: Fernsehen, Internet, Facebook, Twitter sei die große Konkurrenz der Sportvereine.

„20 % der Kinder sind übergewichtig, 7 % sogar adipös, die Gesundheitskosten werden immer weiter steigen. Wir brauchen die tägliche Sportstunde in der Schule“, forderte der Weltklasseturner. Gienger würde sogar noch weiter gehen und bereits im Kindergarten die regelmäßige Sportstunde einführen: „Dort kann man noch Sport wie tägliches Brot aufsaugen, er wird so natürlich wie Zähneputzen. Wenn man daran gewöhnt ist, nimmt man das mit bis ins Seniorenalter“, ist Gienger überzeugt.

Die Vereine seien in der Veränderung, Globalisierung und Informationstechnologie habe insgesamt große Auswirkungen auf die Familie, Arbeit, Sport, Vereine und Verbände: „Deshalb müssen wir reagieren und in den Vereinen mit einem attraktiven Angebot dagegen halten.“ Gienger sieht die Vereine auch als hervorragende Stätten zur Integration und Sozialisation: „Vereinssport und Ehrenamt kann ein Genuss ein, man kann sich fühlen wie in einer zweiten Familie.“

Mehr Angebote, bessere Bedingungen für Ehrenamtliche

Was also zu tun wäre, ist allen klar: Ausbau der Sportstätten, mehr Angebote, mehr Betreuer und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Helfer. Wenn denn da nicht die leidige Frage nach der Finanzierung solcher Maßnahmen wäre. Zwar erspart das Ehrenamt dem Staat knapp 50 Milliarden Euro pro Jahr. Da diese Gelder rein rechnerisch sind, werden sie natürlich nicht erstattet.

Regionale Banken schütten meist eine Summe von etwa 7.000 Euro an Stiftungsgeldern aus. Eine recht stattliche Summe kommt von den 16 Lotteriegesellschaften: ca. 500 Millionen Euro pro Jahr. Dennoch bleibt nach Verteilung des Betrags über die Fachverbände für die einzelnen Vereine nicht allzu viel übrig. Immerhin: die Übungsleiterpauschale wurde in diesem Jahr auf 2.400 Euro erhöht. Ebenso wurden die Haftungsregelungen z. B. für Vereinsvorstände gelockert.

„Ringen soll olympische Disziplin bleiben“

Am Ende des Vortrags diskutierte Gienger, den es nicht auf seinem Stuhl hielt, auf lockere Art mit den Gästen, wollte Anregungen und Inputs mit nach Berlin nehmen. Ein großes Thema war neben der Frage, was noch möglich wäre, um Sport und Ehrenamt weiter in der Gesellschaft zu verankern, der Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Ringen als olympische Sportart auszuschließen.

„Das hat uns kalt erwischt“, sagte Gienger. „Wir haben mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht mit Ringen.“ Dennoch kam die Entscheidung offenbar nicht ganz überraschend: „Das IOC hatte den Ringerverband wohl schon vorgewarnt“, erklärte Gienger. Der Internationale Ringerverband habe offenbar nicht mehr den Standarts entsprochen, die man im IOC gesetzt hatte, z. B. ein verständliches Regelwerk zu schaffen oder die Finanzen in Ordnung zu bringen. „Der Präsident des Internationalen Ringerverbands hat da wohl etwas verschlafen“, sagte Gienger. Damit abfinden will man sich jedoch noch nicht: Der Sportausschuss will dafür kämpfen, Ringen in Olympia zu belassen. Auch Griechenland ist derselben Meinung. „Was wir dazu beitragen können, werden wir tun“, bekräftigte Eberhard Gienger.

„Pälzer Schoppe“

Zum Abschied gab es für den Gast aus Baden-Württemberg einen kleinen Lehrgang in pfälzer Trinkkultur: Wie trinkt man hier Wein? Natürlich aus dem „Schoppeglas“ – das kannte der Schwabe bis dato noch nicht. Zum Ausprobieren überreichten Thomas Gebhart und Nico Schenk einen Pfälzer Wein an Gienger – und natürlich Herxheimer Schokoküsse. (cli)

Informationen zu Eberhard Gienger:

 

  • geboren am 21.07.1951 in Künzelsau / Baden-Württemberg
  • seit 1978 verheiratet mit Prof. Dr. Sibylle Gienger
  • 3 Kinder: Tobias, Markus, Andreas

Frühere sportliche Erfolge im Turnen:

  • 36-facher Deutscher Meister in den Jahren 1971 – 1981
  • 3-facher Europameister am Reck (1973, 1975, 1981)
  • 3-facher Vize-Weltmeister am Seitpferd und Reck (1978 und 1981)
  • 3-facher Welt-Cup Sieger (1977 – 1979)
  • 3. Platz Olympische Spiele 1976 in Montreal
  • 1974 Weltmeister am Reck in Varna
  • 1974 und 1978 Sportler des Jahres

Politische Tätigkeiten:

  • seit 1996 Arbeitskreis Leistungssport der CDU
  • seit 2001 Mitglied des CDU Kreisvorstandes in Ludwigsburg
  • seit 2002 Bundestagsabgeordneter
  • Mitglied der Europa Union Deutschland e.V.

Ehrenämter:

  • Stiftung Deutsche Sporthilfe, Frankfurt / Main,
    Mitglied des Vorstandes (bis März 2010)
    Mitglied des Aufsichtsrates und des Kuratoriums, ehrenamtlich (bis 04.12.2010)
  • Deutscher Olympischer SportBund (DOSB), Frankfurt / Main,
    Vizepräsident Leistungssport, ehrenamtlich (bis 04.12.2010)
  • Bundesliga-Stiftung, Frankfurt/Main, Mitglied des Kuratoriums
  • Oesophagus Stiftung für Kinder mit Speiseröhrenmissbildung, Stuttgart,Mitglied des Beirates
  • Mitglied des Aufsichtsrats der Bewerbungsgesellschaft Olympia München 2018 GmbH (bis 21.09.2010)
  • Vorsitzender „Freundeskreis Turnen“ in der STB-Stiftung des Schwäbischen Turnerbundes e.V
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