Südpfalz-Kaserne: Kommandeur Martin Hess´ Marschrichtung: Spezialisierung, Optimierung und viel Empathie

27. Juni 2018 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Leute-Regional, Regional

Oberstleutnant Martin Hess führt das Luftwaffenausbildungsbataillon seit Ende September 2017.
Foto: Wiedemann

Germersheim – Seit September 2017 führt Oberstleutnant Martin Hess das Luftwaffenausbildungsbataillon in Germersheim und Roth (Franken). Ein Fremder in der Region ist er allerdings nicht.

Eine Heimkehr sei es gewesen, als er nach Germersheim zurückgekommen ist, sagt der Kommandeur. Gemeint ist sowohl die Gegend als auch das Bataillon. Hess hat sieben Jahre in Speyer gewohnt, ist dort zu Schule gegangen. In der Germersheimer Kaserne hat er schon einmal gedient, als Oberleutnant von 1998 bis 2001.

Und wie ist es jetzt, nach 17 Jahren als Kommandeur zurückzukommen? Schön, sagt Hess. Er habe viele Weggefährten von früher getroffen. Die Bataillonsangehörigen machen ihre Arbeit gerne, trotz hoher Arbeitsbelastung: „Man merkt das Herzblut.“

Das nimmt ihn selbst nicht aus. Er ist Soldat mit Leib und Seele: „Ich bin Soldat geworden, weil mich diese Werte immer gereizt haben – Zusammenhalt, Verlässlichkeit. Die Entscheidungen waren alle richtig.“ Seine Frau, mit der er seit seinem 15. Lebensjahr zusammen ist, hat ihn immer unterstützt und den Weg frei gemacht. Das Paar hat zwei Kinder, 14 und 16 Jahre alt.

Hohe Auslastung

An Arbeit mangelt es wie gesagt nicht – Hess´ Arbeitstag beginnt morgens um 6 Uhr. In Germersheim werden sowohl Rekruten ausgebildet als auch Soldaten auf ihren Einsatz im Ausland vorbereitet und Angehörige der armenischen Streitkräfte geschult.

Die Auslastung der einsatzvorbereitenden Ausbildung ist hoch. Rund 5.000 Soldaten jährlich werden in Germersheim auf ihre Tätigkeiten in den Krisengebieten der Welt vorbereitet.

Germersheim ist das einzig verbliebene Ausbildungsbataillon der Luftwaffe von zuletzt acht – und war schon immer für seine Professionalität bekannt, sagt Hess. Auch deshalb ist der Standort nicht dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Foto: Pfalz-Express

Wenig Widerrufe und Abbrecher

Seit Hess in Germersheim und Roth (der Standort gehört zum Bataillon) das Sagen hat, haben die Zahlen derer, die bleiben oder kommen wollen, einen ordentlichen Schub gemacht.

„Mit unseren Zahlen stehen wir sehr gut da, es gibt im Schnitt nur 10 Prozent Widerrufe“ (Rekruten, die es sich anders überlegt haben und ihren Dienst aufgeben). Im Moment seien es sogar nur acht Prozent, so Hess. Im Heer und in der Marine sind es doppelt so viele.

Häufig liege ein Abbruch an der persönlichen Situation Einzelner. In empathischen Gesprächen mit den Betroffenen könne ein Widerruf oft abgewendet werden. Das sei eine seiner Marschrichtungen, erklärt der Kommandeur.

Ein Offizier der neuen Schule also, mit Teamgeist und viel Verständnis für die Menschen, die ihm unterstellt sind. Neben seinen soldatischen Qualitäten ist Hess auch ein Personalmanager, der sich überlegt: „Wie gehen wir mit Menschen um?“ Personalbindung zu verstehen und umzusetzen „ist mir unglaublich wichtig“, so der studierte Staats- und Sozialwissenschaftler (Universität der Bundeswehr München).

Interessenten am Soldatenberuf, die sich zuvor im Karrierecenter – beispielsweise in Neustadt oder Kaiserslautern – informieren, bekommen einen Internetzugang mit Passwort, können damit schon einmal auf das Bataillon zugreifen und so Ängste und Ungewissheit abbauen. „Der Umgang mit den uns Anvertrauten trägt Früchte“, so Hess.

Drei Säulen und mehr Spezialisierung

Im Bataillon ruht die Ausbildung nach wie vor auf drei Pfeilern:

  • die allgemeine Grundausbildung für Soldaten auf Zeit (SaZ) und Freiwillig Wehrdienst Leistende (FWD)
  • die einsatzvorbereitende Ausbildung für Auslandseinsätze
  • die zivilberufliche Aus- und Weiterbildung in Kooperation mit den Pfalz-Flugwerken oder der ZAW in Darmstadt, wo neben Fluggerätemechanikern auch Kaufleute ausgebildet werden.

Die aktuelle Politik der Landes- und Bündnisverteidigung hat natürlich auch Einfluss auf Ausbildung. In der Rother Außenstelle ist eine neue Kompanie dazu gekommen. Bei der einsatzvorbereitenden Ausbildung hat Hess Optimierungen vorgenommen, die für alle Beteiligten von Vorteil sind.

Da die Einsatzszenarien gestiegen sind – die Bundeswehr ist mittlerweile in 14 Missionen im Einsatz – ist die Spezialisierung deutlich höher geworden.

Die Ausbildungsmodule wurden zeitlich verschlankt, die Ausbildungsinhalte jedoch auf die jeweiligen späteren Aufgaben im Einsatz hin zugeschnitten und vertieft.

Große Bedeutung hat nach wie vor die Vermittlung der kulturellen Gegebenheiten in den jeweiligen Einsatzländern. Die Soldaten erhalten das notwendige theoretische und praktische Rüstzeug, damit keine Missverständnisse mit der dortigen Bevölkerung und den militärischen und behördlichen Partnern entstehen.

Die meisten Teilnehmer bewerten die Lehrgänge mit Top-Noten (nach Abschluss gibt es Fragebögen). „Ein Qualitätsmanagement, um herauszufinden, wo wir noch besser werden können“, so der Kommandeur.

Verbesserungen für Soldaten

Auch die „Hardware“ der Kaserne kommt voran: Die Unterkunftsgebäude 4 und 5 sollen im Herbst in Betrieb genommen werden. Dass ein Generalunternehmer die Sanierungen betreibt, sorgt für ein zügigeres Vorankommen als in den vergangenen Jahren. Bis 2024 soll „alles dem Erdboden gleichgemacht und neu aufgebaut werden“, sagte Hess.

Foto: Pfalz-Express

Die Unterkünfte bekommen W-LAN-Anschluss und Flachbildschirme. Derzeit läuft eine Testphase, wie viele Router gebraucht werden, um gutes Internet in allen Stuben zu gewährleisten.

Die Attraktivitätsagenda von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) beinhalte aber weit mehr, betont Hess. Unter anderem auch Karrierepfade, damit Soldaten nicht mehr so häufig versetzt werden.

Auch er selbst profitiert davon: Seine Dienstzeit in Germersheim beträgt mindesten drei Jahre. Die Kommandeure vor ihm wurden bis auf eine Ausnahme nach 24 bis 30 Monaten wieder auf einen anderen Dienstposten versetzt.

Materialausstattung: Kein ernsthafter Mangel 

Viel mediale Kritik erntete die Truppe in den letzten Monaten zu ihrer Ausstattung. Die Rede ist von nicht einsatzfähigen Panzern, Flugzeugen, U-Booten oder veraltetem oder minderwertigem Ausrüstungsmaterial.

Im Luftwaffenausbildungsbataillon ist man dagegen recht zufrieden. „Wir haben nicht jedes Einsatzfahrzeug – aber wir haben Ersatz. Und ja, wir müssen es immer wieder eingehend begründen, wenn wir etwas benötigen, aber wir werden gut unterstützt. Wir haben beispielsweise nicht die aktuellsten Schutzwesten, aber wir haben welche. Wir haben hier keinen ernsthaften Mangel.“

Andere Mündungsfeuerdämpfer wünscht sich der Kommandeur dennoch, „damit alle üben können.“ Dafür bräuchte es mindestens 500 Stück. „Die Ausbildung wäre deutlich besser, wenn wir sie hätten, aber auch das ist Klagen auf hohem Niveau.“

Klar sei auch: „Hier geht niemand weg ohne die Ausbildung, die er braucht. Wir machen das nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern spezifisch.“ Etwas mehr EPAs (Einmannpackung, kleines Verpflegungspaket) wären trotzdem gut, findet Hess.

Fröhlicher Mensch

Martin Hess ist eine Frohnatur. Wer sich einen übermäßig strengen, Befehle bellenden Offizier vorstellt, liegt falsch. Die Truppe ist mit der Zeit gegangen, antiquierte Führungstile sind überholt. Hess lacht gern und viel, hat immer einen Scherz auf den Lippen. Die durchschnittlich 1500 Soldaten, die ihm unterstehen, mögen ihn und hören auf ihn.

In der Region fühlt er sich wohl und kommt mit seiner Art gut an. Wenn er kann, fährt er am Wochenende nach Hennef zu seiner Familie. Oft aber bleibt hier – Verpflichtungen erfordern auch am Wochenende häufig Präsenz. „Ich mach´s gerne“, sagt er. „Und besonders die Verbundenheit mit den Patengemeinden ist toll.“ (cli)

Hess mit Landrat Brechtel…

 

…und dem Germersheimer Bürgermeister Marcus Schaile, hier auf Spendenammeltour für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Fotos: Pfalz-Express

 

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