Freitag, 19. April 2024

„Paradigma“-tische Ansichten: Feinstes Polit-Kabarett mit Django Asül in der Kandeler „Kurt-Beck-Gedächtnishalle“

1. April 2014 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional

Nicht nur mit Worten, auch mit Gestik und Mimik unterstreicht Django Asül anschaulich seine Weltsicht.
Fotos: pfalz-express/Licht

Kandel – Volles Haus in der Stadthalle: Der bayerische Kabarettist Django Asül hatte gleich zu Beginn die Lacher auf seiner Seite.

Mit seinen regionalen Bezügen zum Einstieg in sein Programm „Paradigma“ traf er den Nerv des Publikums in der ausverkauften „Kurt-Beck-Gedächtnishalle“ – wie er die Stadthalle kurzerhand umtaufte. Paradigma ist griechisch und bedeutet in etwa „Sicht der Dinge“. Und mit dieser brachte Django Asül seine Zuschauer auf humoristische Weise ins Grübeln.

In Kandel war es sein zweiter Auftritt, mit acht Jahren Abstand. Er käme gerne hierher, versicherte der Kabarettist. Kandel sei mindestens so mondän wie Baden-Baden, „allerdings ohne Russen“. Auch eine Stadtrundfahrt habe er unternommen – und die zwei Minuten sehr genossen. Als besonderes Highlight fiel dem türkischstämmigen Deutschen mit dem niederbayerischen Zungenschlag das Dampfnudeltor auf, das „künftige Kurt-Beck-Mausoleum“.

Überhaupt sei er froh, wieder soliden pfälzer Boden unter den Füßen zu haben, wenngleich die Kurt-Beck-Gedächtnishalle in der Zwischenzeit der Residenz des Limburger Bischofs Tebartz-van-Elst gleiche. Ob einfach gut informiert oder ein Schuss ins Blaue zur Finanzproblematik der Kandeler Stadthalle – der Seitenhieb traf ins Schwarze.

In der Folge kamen die Zuschauer in den Genuss eines klassischen Politik-Kabaretts. Von der welt-, europa- und deutschlandpolitischen Bühne ging es verbal an den Stammtisch und wieder zurück.

Beliebt natürlich: Die aktuelle NSA-Affäre, Merkel und Putin. So ist sich Asül sicher: Obama hat der Kanzlerin eingeredet, ihr Handy zu überwachen sei notwendig, damit es nicht geklaut würde.

Pointiert, aber auch subtil brachte Asül seine Wortspiele ein: Im Fall Edathy habe man ein Bauernopfer gebraucht: „Und wen trifft´s? Den Landwirtschaftsminister!“. Der sei eh mit allen Abwassern gewaschen, behauptete Django. Ob Finanzkrise, Krim-Krise, G8, Urteile und Vorurteile, menschliche Verhaltensweisen – nichts war vor dem scharfsinnigen Humor von Django Asül während der 100 Minuten seine Programms sicher.

Full house für Django.

Pfalz-Express traf den Künstler vor seinem Auftritt zu einem Interview: (!Achtung Satire!)

Django, du hast Bankkaufmann gelernt, bist Tennislehrer und -spieler. Wie wird man bei einem relativ „bürgerlichen“ Leben zum Kabarettisten?

Das ist eine lineare Entwicklung: Bayerisches Abitur, Sparkasse, Tennistraining. Daraus ergibt sich automatisch, dass ich Kabarettist wurde. Das ist der normale Lebenslauf. Das macht nicht Jeder, aber ich find´s schlüssig.

Hattest du vorher schon eine Affinität zum Kabarett?

Nein. Ich habe Mathias Beltz gesehen und war so angetan, dass ich dachte: Das will ich jetzt mal probieren. Ich will wissen, ob mir so was taugt oder nicht. Scheinbar taugt´s mir.

Mich hat immer das Amüsante und das selbst Produzierte interessiert. Das Schöne an meinem Kabarettistendasein ist, dass ich das alles alleine auf die Beine stelle und keiner dazwischenquatscht, ich mich mit niemand abstimmen muss und tagsüber Zeit habe für die wichtigen Dinge des Lebens.

Wie lange schreibst du an einem Programm wie Paradigma?

Naja…wenn es 100 Minuten auf der Bühne sind, braucht man mindestens 110 Minuten, bis man´s produziert hat.

In der Regel sammle ich die ganz Zeit – es gibt keinen Tag X. Im Moment habe ich bereits 80 Seiten Material – ob das in einem neuen Programm umgesetzt wird, im Jahresrückblick oder gar in ein bestehendes Programm eingebaut wird, das entscheide ich dann, wie´s passt.

In welche Richtungen lässt du denn deinen Scanner-Blick schweifen?

In alle, da wird nichts ausgenommen. Nur muss es für sich schon etwas Humoristischen haben – dann wird’s interessant. Das kann sämtliche Bereiche – Sport, Gesellschaft, Politik, Medizin , Technik – abdecken. Ich habe da überhaupt keine Scheren im Kopf. Auf jedem Gebiet gibt es Skurriles und Interessantes.

Der Chef der bayerischen SPD, Florian Pronold, ist ein alter Klassenkamerad von dir. Hat er auch schon seit Fett abbekommen?

Selbstverständlich. Wir kennen uns seit 30 Jahren, sehen uns auch heute noch. In meinem letzten Programm habe ich erwähnt, dass wir viele Jahre gemeinsam bestritten haben: Schule, Abitur, USA-Schüleraustausch. Dann trennen sich nun mal die Wege. So ist das Leben. Der eine macht Karriere, der andere geht zur SPD.

Mittlerweile sitzt er im Bundeskabinett, als Quoten-Bayer sozusagen. Mit Bayern und der SPD verhält sich so wie die Bundesliga und die Pfalz momentan.

Vor drei Jahren hast du die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und musstest dafür deinen türkischen Pass abgeben…

Das war eben irgendwann konsequent. Das Problem war, dass ich in meiner Familie das einzige echte türkische Familienmitglied war. Da hat sich dieser Alltagsrassismus auf immer unangenehmere Weise mir gegenüber bemerkbar gemacht. Ich wollte das Ausgegrenztsein im eigenen Clan einfach mal beenden.

Gibt es Themen, an die du dich nicht ran traust?

Nein. Es gibt nur Themen, die mich interessieren und nicht interessieren.

Wie viele Tour-Tage hast du im Schnitt pro Jahr?

Die Zweihunderterschwelle wird da locker überschritten. Insgesamt komme ich auf über 3.000 Auftritte – und davon schon zwei in Kandel!

Was zieht dich nach Kandel?

Kandel bildet die intellektuelle Speerspitze der Pfalz ab, ganz klar. Und durch die geografische Lage ist es das Gibraltar von Rheinland-Pfalz – eine Trutzburg, bevor es in andere Kulturkreise geht.

Zudem kommt Kandel meinem Faible für das Mondäne entgegen. Ich habe nicht die Zeit, jedes Mal nach Tokio, Schanghai oder Paris zu fliegen. Warum in die Ferne schweifen, wenn ich in Kandel alles auf engstem Raum habe. Ich schätze eben Städte, in denen selbst die Peripherie relativ zentral ist.

Gab´s mal ein Ereignis, bei dem du dachtest: Poah, war das peinlich.

Nein.

Und andersrum? Ein riesen Highlight?

Mein Leben bewegt sich insgesamt auf einer Bandbreite, die jegliche Euphorie meidet. .

Hast du zum Abschied noch einen Lebenstipp für unsere Leser?

Jeden Tag mindestens 30 Minuten absolute Ruhe, um mal runterzukommen. (cli)

Ein Herz für das KuKuK-Team: Der Kabarettist vor dem Auftritt.

 

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