Mittwoch, 24. April 2024

Jeden Tag Rosen oder bösartige Drohungen: Stalking hat viele Gesichter

21. Dezember 2012 | Kategorie: Politik Rheinland-Pfalz, Rheinland-Pfalz

Sängerin Taylor Swift wurde erst kürzlich gestalkt. Foto: dts

 

Mainz – Gehetzt, verfolgt, bedrängt werden viele Menschen. Einer Studie zufolge wurden bis zu zwölf Prozent der Bürger in ihrem Leben schon mal systematisch belästigt oder „gestalkt“. In jedem vierten Fall hielt dieser Psychoterror länger als ein Jahr an. Die Lebesqualität der Opfer bewegt sich auf Null zu.

 

Auch der rheinland-pfälzische Landtag hat sich in seiner letzten Plenarsitzung Gedanken über einen besseren Schutz für Stalking-Opfer gemacht.

Die CDU-Fraktion, bzw. deren rechtspolitischer Sprecher Dr. Axel Wilke, findet es  „enttäuschend“, dass die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Plenarsitzung nicht für eine Verschärfung des sog. „Stalking-Paragraphen“ gestimmt hatten.

Unstimmigkeiten zwischen den Regierungstragenden Fraktionen würden auf dem Rücken der Opfer ausgetragen. „Es ist schade, dass die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich nicht durchringen konnten, unserem Antrag für einen wirksameren Schutz von Stalking-Opfern zuzustimmen. Stattdessen wurde der Antrag zunächst ohne stichhaltige Begründung in den Ausschuss überwiesen und seine abschließende Behandlung damit ins nächste Jahr verschoben.

Während die Fraktion der SPD und auch der Justizminister bereits zugesagt haben, hier einen gemeinsamen Weg mit der CDU-Fraktion zu gehen, ist die Verabschiedung offensichtlich am Widerstand der GRÜNEN gescheitert. Die GRÜNEN haben damit auch den Justizminister im Regen stehen lassen“, so Dr.Wilke. Leidtragende seien die Opfer, denen ein besserer Schutz versagt bleibe. Wer aber – wie die GRÜNEN – beim Thema Stalking auf bessere Prävention setze, habe das Problem nicht verstanden. Neben einerguten Opferbetreuung brauchten Opfer von Nachstellungen auch den vollen Schutz des Strafrechts.

Statement des Justiziars der SPD-Landtagsfraktion, Clemens Hoch:

Der sogenannte Stalking-Paragraf hat sich grundsätzlich bewährt. Es war gut ihn zu schaffen, er hat viele Opfer geschützt, die unter dem beharrlichen Nachstellen leiden. Darin waren sich in der vergangenen Landtagssitzung alle Fraktionen einig. Nach nunmehr fünfjähriger Erfahrung mit dem Stalking-Paragrafen ist eine Evaluation und eine mögliche Revision anzustreben. Mit der Stimme von Rheinland-Pfalz hat die Konferenz mehrheitlich beschlossen, dass angestrebt werden soll, Stalking von einem Erfolgsdelikt zu einem Eignungsdelikt umzugestalten.

Das Verhalten der CDU-Landtagsfraktion ist hingegen reine Effekthascherei. Bereits ihr Antrag lässt den wesentlichen Hergang der Beratungen unter den Bundesländern außer Acht. Sie hat vielmehr einen Antrag der Staatsregierung Bayern einfach in bester ‚Gutenberg-Manier‘ abgeschrieben und behauptet nun, dass die Regierungstragenden Fraktionen eine Verabschiedung angeblich verzögern. Richtig ist viel mehr, dass der Bundestag und damit Schwarz-Gelb für die Änderung des Stalking-Paragrafen zuständig ist. Der Antrag nimmt in Rheinland-Pfalz nun den üblichen Gang in die Ausschüsse und wir haben signalisiert, dass hier ein gemeinsames Vorgehen möglich erscheint, wenn die CDU an dieser Stelle über ihren Schatten springt.

Statement BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,  Justizpolitische Sprecherin, Katharina Raue,

Die Grünen-Fraktion sieht die generalpräventive Wirkung von Strafvorschriften als begrenzt an. „Würde eine Strafandrohung allein schon ausreichen, Polizei und Justiz wären so gut wie arbeitslos“, so Raue.

Eine Verurteilungsquote sei wenig aussagekräftig. Viel wirksamer seien polizeiliche Maßnahmen: „Staatliche Reaktionen innerhalb der ersten 48 Stunden haben nämlich zu 80 Prozent beendende Wirkung.“ Durch Platzverweise, Kontaktverbote und andere – gerichtliche – Maßnahmen, die zum Beispiel das Gewaltschutzgesetz vorsieht, könnten Opfer von Nachstellungen sehr viel effektiver geschützt werden als durch eine weitere Strafandrohung, die für den Täter weit weg und abstrakt erscheint.

Hier kommt die Prävention ins Spiel: „Wichtig ist es aus Opferperspektive, dass Interventionsstellen, Frauenhäuser, Frauenhaus-Beratungsstellen, dass Frauennotrufe, Opfer-Organisationen wie der Weiße Ring, aber auch Täterarbeitseinrichtungen mit ausreichenden Mitteln und Personal ausgestattet sind, um ihre wichtige Arbeit zu leisten,“ sagt Raue.

Roland Hertel von der Gerichtshilfe der Staatsanwaltschaft, auch Leiter der Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt Südpfalz:

„Man unterscheidet ja „normales Stalking“ und „Trennungsstalking“. In der Südpfalz und sicherlich nicht nur dort, steht das Trennungsstalking im Mittelpunkt. Durchschnittlich 70 bis 80 Fälle pro Jahr werden an die Interventionsstelle herangetragen.

Seit 2011 gibt es ein vom Ministerium gefördertes Konzeptangebot für die Arbeit mit Trennungsstalkern, das Gruppen- und Einzelgespräche mit diesem Klientenkreis in den Fokus genommen hat.“ In der Arbeit mit Trennungsstalkern finden Themen, die sich auf die Expartnerin beziehen keinen Platz. Vielmehr geht es um die Konflikte des Trennungsstalkers, die Motive für seine Verhaltensweisen waren (zum Beispiel Trennung und Verlustängste, persönliche Verletzungen, aktuelle Lebenskrisen).

„Stalker sind häufig Wiederholungstäter. Sie zeigen oft kein Mitleid mit dem Opfer beziehungsweise projizieren die Schuld an ihren Stalkingverhaltensweisen auf die Expartnerin und besitzen demzufolge keine Einsicht.“ Hauptziel sei der Schutz des Opfers und die Beendigung der Gewalt, sagt Hertel. Netzwerke aus Polizei, Interventionsstellen, Täterarbeitseinrichtungen, Justiz, Jugendamt, Frauenunterstützungseinrichtungen und anderen Beratungsstellen arbeiten zusammen, um die Gewalt zu beenden. (desa)

Begriffe:

Stalking: das ungewollte Belästigen, Nachstellen und Verfolgen eines Menschen über einen längeren Zeitraum.

Tracking-Software: Spuren-verfolgende Software

Evaluation: Begutachtung

Erfolgsdelikt: Delikt, dessen Tatbestand einen bestimmten von der Handlung getrennten „Erfolg“ voraussetzt, wie z.B. den Tod des Opfers .

Eignungsdelikt: Die Tat führt eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers herbei.

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