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Insheim: Umweltminister Altmaier trifft Geothermie-Gegner

9. Februar 2013 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional, Top-Artikel

Dr. Thomas Gebhart und Bundesumweltminister Peter Altmaier stellten sich den Fragen verschiedener Bürgerinitiativen, die sich gegen die Geothermie aufgestellt haben. Fotos: Licht

Insheim/Steinweiler – Ein mächtiger Knall und wackelnde Hauswände erschreckten am 26. Januar um 20:48 Uhr etliche Einwohner der Hauptstraße in Steinweiler, die spofort ihre Häuser verließen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Ein klarer Fall für die Bürgerinitiative Geothermie in Steinweiler (BIGS): Ursache des Erdbebens war zum wiederholten Mal das Geothermiekraftwerk in Insheim. „Die Darstellung von Kraftwerksbetreibern, Geothermiebefürwortern und Politikern, daß durch Abzweigbohrungen oder sogenannte Entlastungsbohrungen die Gefahr von Erdbeben gebannt seien, ist schlicht falsch“, sagt der Vorstandsvorsitzende der BIGS, Dipl-Ingenieur Walter Ecker. „Das Erdbeben in Insheim vom 26. Januar beweist, dass die Auswirkungen von Erschütterungen weit über den Drei-Kilometer-Radius um das Epizentrum hinausgehen und auch umliegende Ortschaften in größerer Entfernung gefährden können.“

Bürgerinitiativen bringen Anliegen vor Minister Altmaier

Da traf es sich gut, dass auf Einladung von Dr. Thomas Gebhart (CDU) der Bundesumweltminister in die Südpfalz kam. Peter Altmaier, Thomas Gebhart und Nicolai Schenk (CDU) besuchten zuerst das Geothermiekraftwerk in Insheim. Im Anschluss trafen sich Altmaier und Gebhart mit Vertretern verschiedener Bürgerinitiativen aus der Region im Sportheim in Insheim. Dieses lag bei der Ankunft des Ministers noch im Dämmerschlaf, zuerst mussten die Rollläden hochgezogen und die Türen aufgeschlossen werden.

Gebhart, der das Zusammentreffen von Bürgerinitiativen und Minister in die Wege geleitet hatte, agierte als Moderator bei der emotional aufgeladenen Versammlung. Die Zeit war mit einer halben Stunde knapp bemessen: Jede Delegation hatte etwa drei Minuten zur Verfügung, ihr Anliegen vorzubringen.

„Trinkwasser muss geschützt werden“

Den Anfang machte Horst Damm von der Bürgerinitiative (BI) Schaidt-AKTIV e.V. Damm richtete die Frage an Altmaier, warum er gerade die teuerste Energieform, die Geothermie, über Gebühr fördere. Auch das Trinkwasser könne durch die Geothermie in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Trinkwasserschutz müsse aber vor allem anderen Vorrang vor der Erdwärmenutzung haben. „Trinkwasser ist das Lebenselixier schlechthin“, sagte Damm, auch wenn Strom ein Lebensbedürfnis sei. Das Baugesetz für Kraftwerke stamme noch aus der Frühindustrialisierung, aus dem Bergbau, aus dem „gefühlten Mittelalter“, und sei in dieser Form heute nicht mehr vertretbar. Damm appellierte an den Umweltminister, auch Vorschläge anderer Gruppen sowie der Opposition nicht sofort in den Wind zu schlagen, sondern von allen Seiten zu betrachten.

 „Geothermiewerke stoßen CO2 aus“

Auch Werner Freudenmacher, 1. Vorsitzender der Bürgerinitiative Geothermie Freckenfeld (BiGF) e.V., sprach sich für ein generelles Verbot von oberflächennaher und tiefer Geothermie in Wasserschutz- und Trinkwassergewinnungsgebieten aus. „Die Risiken von Geothermie sind nicht kalkulierbar“, sagte Freudenmacher. „Wasser ist kein Wirtschaftsgut, sondern eine Notwendigkeit.“ Außerdem sei ein Geothermiekraftwerk keinesfalls CO2-frei, wie häufig behauptet würde – im Gegenteil: Für eine Kilowattstunde würden ganz 300 Kilogramm an CO2 anfallen. Völlig indiskutabel seien auch Aufwand, Ausbeute und Endpreis bei Geothermie-Strom.

 „Geothermie hat nur Nachteile“

Walter Ecker von der BIGS berichtete vom jüngsten Erdbeben und bekräftigte nochmals die Unwirtschaftlichkeit der Geothermie: „Es gibt keinen einzigen Vorteil durch die Geothermie, sondern nur Nachteile. Lärmbelästigung, gesundheitliche Einschränkungen, Erdbebengefahr, potentielle Schäden am Eigentum, keine Arbeitsplätze, weiter steigende Strompreise, Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche, keine Gewerbesteuerzahlung, keine Konzessionsabgaben.“ Dazu blieben die Bürger auf der in den nächsten 20 Jahren anfallende Subventionssumme von etwa 132 Millionen Euro sitzen.

Wurden angemahnt und sollten mundtot  gemacht werden“

Werner Müller von der BI „Alternative Energien in Landau“ erläuterte, dass fast die gesamt BI aus Betroffenen bestehe. Über 100 Schadensmeldungen seien der BI bekannt geworden. Unglaubliches berichtete Müller dem Minister: Die Schadensmeldungen, die direkt an den Betreiber gingen, seien bis heute geheim gehalten worden. Gutachten von unabhängigen Wissenschaftlern würden nicht anerkannt, statt dessen würde der Kraftwerks-Betreiber geo x GmbH sich selbst „überwachen“. Unlängst bekam die BI ein Abmahnschreiben zugestellt – über satte 50.000 Euro. Die Abmahnung konnte mittlerweile abgeschmettert werden. „Der Betreiber will uns platt und mundtot machen“, sagt Müller.

„Beweislast umkehren“

Dr. Eugen Hoffmann von der BI Geinsheim pochte auf eine Einbeziehung der Bürger. „Das Bergrecht lässt die Exploration (Bohrerlaubnis) zu – aber die Mitwirkung der Bürger bei Standortentscheidungen ist darin nicht vorgesehen“, sagte Hoffmann. „Aus unserem Blickwinkel waren es Schadensereignisse, die die Bürger zur Aktivität gebracht haben: Lärm, Erdbeben, Trinkwasserproblematik und Biotopschutz. Mittlerweile haben wir ein Arbeitsergebnis produziert, das bundesweit diskutiert wird.“ Hoffmann forderte Altmaier direkt auf, die Novellierung des Bergrechts zu unterstützen. So sei die Schadenregulierung durch Geothermie durch das Bergrecht nicht formuliert. Momentan sei noch der Bürger in der Beweislast. „Das muss angefasst werden, es müssen Wege gefunden werden, um die Beweislast umzukehren.“ Auch Hoffmann klassifizierte die Energieausbeute und Wirtschaftlichkeit als niedrig und unrentabel.

 „Alles Mögliche wird der Geothermie ungerechtfertigt angelastet“

Einziger Befürworter der Geothermie war Hans-Joachim Kreisel von der Initiative „Pro Geothermie“. Dieser zeigte sich aufgeschlossen, dass die genannten Fakten und Schriftsätze geprüft werden sollten und betonte: „Wir verstehen uns nicht als die „Gegner der Gegner“, sondern als Relativierer aller vorgetragenen Ereignisse.“ Wichtig sei aber weiterhin eine sachliche Diskussion in allen strittigen Fragen. „Immerhin haben wir erreicht, dass die nächste, die dritte Bohrung in Landau mitfinanziert wird“, sagte Kreisel.

Empörung brach sich Bahn, als Kreisel von schlecht gebauten Häusern sprach, deren Schäden nun der Geothermie angelastet werden sollten. Besonders übel dürfte diese Aussage Werner Müller (BI Landau), von Beruf Bauingenieur, aufgestoßen sein. Müller selbst klagt über zahlreiche Risse an seinem Haus seit Inkraftnahme des Geothermiewerks Landau.

 „Zu wenige Erfahrungswerte für endgültige Einschätzung“

Der Bundesumweltminister hörte sich die Beschwerden an, machte sich ab und zu Notizen und holte zu seinem eigenen Statement aus, das er mit Verweis auf die knappe Zeit kurz halten wollte.

„Das alles ist mir nicht unbekannt. – ich komme aus dem Saarland und bin Bergmannsbub. Auch damals gab es tektonische Situationen“, erklärte Altmaier. „Jetzt haben wir die Energiewende, das ist etwas völlig Neues.“

Alle Einwände seien ernst zu nehmen und zu prüfen, sagte Altmaier. Mit vielen Bürgern habe er gesprochen, quer durch die Republik, zu verschiedenen Themen. Es gäbe aber immer eine große Anzahl an Bürgerinitiativen, egal, um was es sich handele – Kernkraftwerke seien sowieso immer in der Kritik gestanden, bei Windrädern gäbe es Klagen über werden „geschredderte Vögel“ und verspargelte Landschaft, bei Biogas fühlten sich die Menschen durch Geruchsentwicklung und Transmissionen belästigt, bei Fotovoltaikanlagen sei es das verschandelte Stadtbild – und so weiter. Und nun sei es ebenso bei der Tiefengeothermie.

Der Minister sagte zu, den Einwänden nachzugehen und diese klären. Er verwies dabei auf Thomas Gebhart, an den sich die Bürger wenden sollten – er habe einen guten Draht zu ihm. Gleichzeitig wurde ein Gesetz in Aussicht gestellt, das demnächst den Bundestag passieren soll: Ein Fracking-Verbot in Trinkwasserschutzgebieten. „Ich kann noch nicht sagen, inwieweit Geothermie einen substantiellen Beitrag zur Stromversorgung in Deutschland spielen wird, dafür gibt es zu wenig Erfahrungswerte.“

Man wird sehen, lautete die unverbindliche Devise des Bundesumweltministers. Sehen, ob die Erwartungen an die Geothermie erfüllt würden, oder aber die Befürchtungen der Tiefengeothermiegegner langfristig berechtigt seien. In etwa 15 Jahren. (cli)

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Ein Kommentar auf "Insheim: Umweltminister Altmaier trifft Geothermie-Gegner"

  1. Horst Damm sagt:

    Bei der Eröffnung des Geothermiekraftwerks Landau am 21.11.2007 bezeichnete Kurt Beck den Hoffnungsträger Geothermie vollmundig als einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur intelligenten und klimaverträglichen Energieerzeugung von morgen. Was ist daraus geworden? Landau war bereits wirtschaftlich tot und wurde mit öffentlichen Mitteln künstlich am Leben gehalten. Aus dem Beck´schen Meilenstein wurde ein Forschungsprojekt. Aus hochtrabenden Vorschusslorbeeren wurden Rohrkrepierer. Selbst Miteigner Energie Südwest kündigte den zwischenzeitlichen Ausstieg aus dem Geothermieprojekt Landau an. Insheim wird vom Bundesumweltminister Peter Altmaier nur als Pionierkraftwerk bezeichnet, ein Kraftwerk, das Fakten und Werte liefern soll, welche bei weiteren Projekten Synergien freisetzen. Der Hinweis auf Entwicklungen in der IT- oder Telefonbranche ist dabei wohl eher fehl am Platz. Selbst etablierte, geothermiebeführwortende Wissenschaftler, wie der KIT-Professor Thomas Kohl wiesen in Vorträgen darauf hin, dass die Synergiemöglichkeiten in der Geothermie wohl weit überschätzt werden. Nur in der Politik lebt man weiter von Träumen und Visionen. Wie Herr Altmaier selbst bestätigt, ist die Tiefe Geothermie in Deutschland, derzeit unwirtschaftlich. Nach seinen Angaben wird es nur die Praxis beweisen, ob sich daran etwas ändert. Recht hat er. Deshalb werden Forschungsprojekte gebraucht. Diese haben aber weder etwas in der Nähe der Wohnbebauung, noch in Trinkwasserschutzgebieten zu suchen. Die angeführten, vermutlich noch anstehenden 15 Jahre Forschungsarbeit, bedeuten schlicht weg, dass die hinter uns liegenden 5 Jahre Landau und die 25 jährige Forschung im elsässischen Gemeinschaftsprojekt Soultz-sous-Forêts wohl nicht besonders erfolgreich waren. Dort ist 1987 ein internationales Team von Forschern, Ingenieuren und Energiefachleuten aus ganz Europa angetreten, um die Erdwärme zum Kometen am Sternenhimmel der Energie zu machen. Es ist zu befürchten, dass die vielen Millionen eingesetzter Euro eher als Sternschnuppe verpuffen.
    Grundlastfähig! Nur ein Schlagwort oder mehr?
    Was ist dran, an diesem Schlagwort, das nicht nur der Bundesumweltminister in seinem Sprachrepertoire hat.
    Unter Grundlast versteht man die Belastung eines Stromnetzes, die, um Engpässe zu vermeiden, nicht unterschritten werden darf. Neben der Frage, ob eine Grundlastlücke in der angedachten, immer wieder gebetsmühlenartig heruntergeleierten Größenordnung überhaupt eintreten wird, stellt sich vor allem die Frage, ob Geothermie in der Lage ist, die Grundlastlücke, die durch den Wegfall von Atomkraftwerken entsteht, wirklich entscheidend mit abdecken zu können. Diese Frage kann sich jeder selbst beantworten. Die derzeit noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke liefern eine Nennleistung von ca. 12600 MW. Ein Kraftwerk der Insheimklasse 4,5 MW. Rein rechnerisch benötigte man demnach hierfür also 2800 Geothermie-Kraftwerke. Nicht hinzuaddiert sind Braunkohlekraftwerke oder andere, als Dreckschleudern bezeichnete Kraftwerke, die früher oder später ebenfalls vom Netz gehen sollten. Selbst wenn also die Geothermie nur 10 % dieser Atomgrundlast abdecken soll, würden 280 Kraftwerke gebraucht, die weit und breit nicht in Sichtweite sind. Wie werden aber die fehlenden restlichen (in diesem Beispiel) 90 % bezüglich der Grundlast abgedeckt, wenn die Geothermie nur einen bescheidenen Beitrag leisten kann? Wenn aber schon 90 % und mehr anderweitig abgedeckt werden müssen, dann könnte man doch auch auf die teuren 10 % aus der Geothermie ganz verzichten. Die Atomanlagen sollen bis 2022 vollständig vom Netz. Wenn wir aber noch 15 Jahre Forschung für die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit von Geothermieanlagen benötigen – was eine rein aus der Luft gegriffene Zahl darstellt -werden wohl bis zum Ablauf des deutschen Atomzeitalters kaum Nennenswerte Geothermieleistungen in die Bresche springen können, zumal andere Faktoren, wie auf dem Markt verfügbare Bohrkapazitäten, den Ausbau weiter abbremsen werden. Um Fragen dieser Art, von denen es noch viel mehr gibt, zu diskutieren war die Zeit leider nicht vorhanden. Wo ist Geothermie ökologisch, klimafreundlich, CO2-neutral oder nachhaltig? Fragen über Fragen mussten offen bleiben. Schade! Es ist zu hoffen, dass Herr Altmaier diesen Fragen nicht ausweichen wollte und es nur der Zeitnot geschuldet war. Vielleicht erinnert er sich ja daran, dass wir eine weitere Diskussionsrunde angeregt haben und stellt uns zumindest einen Teil der Zeit zur Verfügung, die er seinen sonstigen Informanten in dieser Angelegenheit widmet.
    Bürgerinitiative Schaidt AKTIV e. V.
    Horst Damm