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Insheim: Umweltminister Altmaier trifft Geothermie-Gegner

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Dr. Thomas Gebhart und Bundesumweltminister Peter Altmaier stellten sich den Fragen verschiedener Bürgerinitiativen, die sich gegen die Geothermie aufgestellt haben. Fotos: Licht

Insheim/Steinweiler – Ein mächtiger Knall und wackelnde Hauswände erschreckten am 26. Januar um 20:48 Uhr etliche Einwohner der Hauptstraße in Steinweiler, die spofort ihre Häuser verließen, um sich in Sicherheit zu bringen.

Ein klarer Fall für die Bürgerinitiative Geothermie in Steinweiler (BIGS): Ursache des Erdbebens war zum wiederholten Mal das Geothermiekraftwerk in Insheim. „Die Darstellung von Kraftwerksbetreibern, Geothermiebefürwortern und Politikern, daß durch Abzweigbohrungen oder sogenannte Entlastungsbohrungen die Gefahr von Erdbeben gebannt seien, ist schlicht falsch“, sagt der Vorstandsvorsitzende der BIGS, Dipl-Ingenieur Walter Ecker. „Das Erdbeben in Insheim vom 26. Januar beweist, dass die Auswirkungen von Erschütterungen weit über den Drei-Kilometer-Radius um das Epizentrum hinausgehen und auch umliegende Ortschaften in größerer Entfernung gefährden können.“

Bürgerinitiativen bringen Anliegen vor Minister Altmaier

Da traf es sich gut, dass auf Einladung von Dr. Thomas Gebhart (CDU) der Bundesumweltminister in die Südpfalz kam. Peter Altmaier, Thomas Gebhart und Nicolai Schenk (CDU) besuchten zuerst das Geothermiekraftwerk in Insheim. Im Anschluss trafen sich Altmaier und Gebhart mit Vertretern verschiedener Bürgerinitiativen aus der Region im Sportheim in Insheim. Dieses lag bei der Ankunft des Ministers noch im Dämmerschlaf, zuerst mussten die Rollläden hochgezogen und die Türen aufgeschlossen werden.

Gebhart, der das Zusammentreffen von Bürgerinitiativen und Minister in die Wege geleitet hatte, agierte als Moderator bei der emotional aufgeladenen Versammlung. Die Zeit war mit einer halben Stunde knapp bemessen: Jede Delegation hatte etwa drei Minuten zur Verfügung, ihr Anliegen vorzubringen.

„Trinkwasser muss geschützt werden“

Den Anfang machte Horst Damm von der Bürgerinitiative (BI) Schaidt-AKTIV e.V. Damm richtete die Frage an Altmaier, warum er gerade die teuerste Energieform, die Geothermie, über Gebühr fördere. Auch das Trinkwasser könne durch die Geothermie in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Trinkwasserschutz müsse aber vor allem anderen Vorrang vor der Erdwärmenutzung haben. „Trinkwasser ist das Lebenselixier schlechthin“, sagte Damm, auch wenn Strom ein Lebensbedürfnis sei. Das Baugesetz für Kraftwerke stamme noch aus der Frühindustrialisierung, aus dem Bergbau, aus dem „gefühlten Mittelalter“, und sei in dieser Form heute nicht mehr vertretbar. Damm appellierte an den Umweltminister, auch Vorschläge anderer Gruppen sowie der Opposition nicht sofort in den Wind zu schlagen, sondern von allen Seiten zu betrachten.

 „Geothermiewerke stoßen CO2 aus“

Auch Werner Freudenmacher, 1. Vorsitzender der Bürgerinitiative Geothermie Freckenfeld (BiGF) e.V., sprach sich für ein generelles Verbot von oberflächennaher und tiefer Geothermie in Wasserschutz- und Trinkwassergewinnungsgebieten aus. „Die Risiken von Geothermie sind nicht kalkulierbar“, sagte Freudenmacher. „Wasser ist kein Wirtschaftsgut, sondern eine Notwendigkeit.“ Außerdem sei ein Geothermiekraftwerk keinesfalls CO2-frei, wie häufig behauptet würde – im Gegenteil: Für eine Kilowattstunde würden ganz 300 Kilogramm an CO2 anfallen. Völlig indiskutabel seien auch Aufwand, Ausbeute und Endpreis bei Geothermie-Strom.

 „Geothermie hat nur Nachteile“

Walter Ecker von der BIGS berichtete vom jüngsten Erdbeben und bekräftigte nochmals die Unwirtschaftlichkeit der Geothermie: „Es gibt keinen einzigen Vorteil durch die Geothermie, sondern nur Nachteile. Lärmbelästigung, gesundheitliche Einschränkungen, Erdbebengefahr, potentielle Schäden am Eigentum, keine Arbeitsplätze, weiter steigende Strompreise, Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche, keine Gewerbesteuerzahlung, keine Konzessionsabgaben.“ Dazu blieben die Bürger auf der in den nächsten 20 Jahren anfallende Subventionssumme von etwa 132 Millionen Euro sitzen.

Wurden angemahnt und sollten mundtot  gemacht werden“

Werner Müller von der BI „Alternative Energien in Landau“ erläuterte, dass fast die gesamt BI aus Betroffenen bestehe. Über 100 Schadensmeldungen seien der BI bekannt geworden. Unglaubliches berichtete Müller dem Minister: Die Schadensmeldungen, die direkt an den Betreiber gingen, seien bis heute geheim gehalten worden. Gutachten von unabhängigen Wissenschaftlern würden nicht anerkannt, statt dessen würde der Kraftwerks-Betreiber geo x GmbH sich selbst „überwachen“. Unlängst bekam die BI ein Abmahnschreiben zugestellt – über satte 50.000 Euro. Die Abmahnung konnte mittlerweile abgeschmettert werden. „Der Betreiber will uns platt und mundtot machen“, sagt Müller.

„Beweislast umkehren“

Dr. Eugen Hoffmann von der BI Geinsheim pochte auf eine Einbeziehung der Bürger. „Das Bergrecht lässt die Exploration (Bohrerlaubnis) zu – aber die Mitwirkung der Bürger bei Standortentscheidungen ist darin nicht vorgesehen“, sagte Hoffmann. „Aus unserem Blickwinkel waren es Schadensereignisse, die die Bürger zur Aktivität gebracht haben: Lärm, Erdbeben, Trinkwasserproblematik und Biotopschutz. Mittlerweile haben wir ein Arbeitsergebnis produziert, das bundesweit diskutiert wird.“ Hoffmann forderte Altmaier direkt auf, die Novellierung des Bergrechts zu unterstützen. So sei die Schadenregulierung durch Geothermie durch das Bergrecht nicht formuliert. Momentan sei noch der Bürger in der Beweislast. „Das muss angefasst werden, es müssen Wege gefunden werden, um die Beweislast umzukehren.“ Auch Hoffmann klassifizierte die Energieausbeute und Wirtschaftlichkeit als niedrig und unrentabel.

 „Alles Mögliche wird der Geothermie ungerechtfertigt angelastet“

Einziger Befürworter der Geothermie war Hans-Joachim Kreisel von der Initiative „Pro Geothermie“. Dieser zeigte sich aufgeschlossen, dass die genannten Fakten und Schriftsätze geprüft werden sollten und betonte: „Wir verstehen uns nicht als die „Gegner der Gegner“, sondern als Relativierer aller vorgetragenen Ereignisse.“ Wichtig sei aber weiterhin eine sachliche Diskussion in allen strittigen Fragen. „Immerhin haben wir erreicht, dass die nächste, die dritte Bohrung in Landau mitfinanziert wird“, sagte Kreisel.

Empörung brach sich Bahn, als Kreisel von schlecht gebauten Häusern sprach, deren Schäden nun der Geothermie angelastet werden sollten. Besonders übel dürfte diese Aussage Werner Müller (BI Landau), von Beruf Bauingenieur, aufgestoßen sein. Müller selbst klagt über zahlreiche Risse an seinem Haus seit Inkraftnahme des Geothermiewerks Landau.

 „Zu wenige Erfahrungswerte für endgültige Einschätzung“

Der Bundesumweltminister hörte sich die Beschwerden an, machte sich ab und zu Notizen und holte zu seinem eigenen Statement aus, das er mit Verweis auf die knappe Zeit kurz halten wollte.

„Das alles ist mir nicht unbekannt. – ich komme aus dem Saarland und bin Bergmannsbub. Auch damals gab es tektonische Situationen“, erklärte Altmaier. „Jetzt haben wir die Energiewende, das ist etwas völlig Neues.“

Alle Einwände seien ernst zu nehmen und zu prüfen, sagte Altmaier. Mit vielen Bürgern habe er gesprochen, quer durch die Republik, zu verschiedenen Themen. Es gäbe aber immer eine große Anzahl an Bürgerinitiativen, egal, um was es sich handele – Kernkraftwerke seien sowieso immer in der Kritik gestanden, bei Windrädern gäbe es Klagen über werden „geschredderte Vögel“ und verspargelte Landschaft, bei Biogas fühlten sich die Menschen durch Geruchsentwicklung und Transmissionen belästigt, bei Fotovoltaikanlagen sei es das verschandelte Stadtbild – und so weiter. Und nun sei es ebenso bei der Tiefengeothermie.

Der Minister sagte zu, den Einwänden nachzugehen und diese klären. Er verwies dabei auf Thomas Gebhart, an den sich die Bürger wenden sollten – er habe einen guten Draht zu ihm. Gleichzeitig wurde ein Gesetz in Aussicht gestellt, das demnächst den Bundestag passieren soll: Ein Fracking-Verbot in Trinkwasserschutzgebieten. „Ich kann noch nicht sagen, inwieweit Geothermie einen substantiellen Beitrag zur Stromversorgung in Deutschland spielen wird, dafür gibt es zu wenig Erfahrungswerte.“

Man wird sehen, lautete die unverbindliche Devise des Bundesumweltministers. Sehen, ob die Erwartungen an die Geothermie erfüllt würden, oder aber die Befürchtungen der Tiefengeothermiegegner langfristig berechtigt seien. In etwa 15 Jahren. (cli)

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