Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt eingeweiht: Einzige ihrer Art in der Pfalz

11. März 2013 | Kategorie: Allgemein, Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional

Oberbürgermeister Löffler, Dr. Werner Schineller und Eberhard Dittus (von links) im stillen Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes. Fotos: Ahme

 

Neustadt. Genau 80 Jahre nach Eröffnung des Lagers wurde gestern im Beisein von Vertretern aus Politik, der jüdischen Gemeinden und anderer Organisationen im heutigen Quartier Hornbach eine Gedenkstätte für NS-Opfer eingeweiht. Die Gedenkstätte in Neustadt ist die einzige ihrer Art in der gesamten Pfalz.

Dr. Werner Schineller, Vorsitzender des historischen Vereins der Pfalz begrüßte unter anderem den Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Rheinland-Pfalz, Daniel Nemikovsky, einen weit angereisten englischen Rabbiner, Jacques Delfeld, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Sinti und Roma und Angehörige ehemaliger Opfer, die in der ehemaligen Turenne-Kaserne interniert waren. Selbst Eberhard Dittus, der Vorsitzende des Fördervereins Gedenkstätte für NS-Opfer e. V., der 2009 gegründet wurde, hatte nicht mit so vielen Menschen gerechnet.

Viele wüssten nämlich nicht, dass in Neustadt an der Haardt (heute Neustadt an der Weinstraße) die Nazis im März 1933 in der ehemaligen Turenne-Kaserne, jetzigen Quartier Hornbach, ein Schutzhaft- und Arbeitslager eingerichtet hätten, erzählt der Diakon, der seit vielen Jahren im Bereich der Friedensarbeit der Evangelischen Kirche der Pfalz tätig ist.

Das Lager zählt heute zu den so genannten „frühen“ oder „wilden“ Konzentrationslagern.

Die Häftlinge waren Arbeiter, Ärzte, Bäcker, Buchdrucker, Bürgermeister, Chorsänger, Dachdecker, Gastwirte, Gipser, Kapellmeister, Landwirte, Lehrer, Maler, Maurer, Metzger, Pfarrer, Polizisten, Rechtsanwälte, Schlosser, Schneider, Schreiner, Schriftsetzer, Schumacher, Spengler, Steinmetze, Viehhändler, Waldarbeiter, Weinhändler und Winzer.

Die Liste mit Namen von Häftlingen fand eine Frau im Nachlass ihres Vaters. „Das war quasi die Initialzündung für uns, weiterzuforschen“, erinnert sich Dittus. Die Erkenntnisse daraus waren erschreckend. Ungefähr 500 Menschen, aus mehr als 60 Gemeinden in der Pfalz, wurden seinerzeit verschleppt und wegen ihrer politischen Gesinnung gegenüber dem NS-Regime eingesperrt und gequält. Ermordet wurde zwar Niemand, diejenigen, die dieser Hölle entkamen, waren aber nie wieder die Selben.

Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, die Ereignisse in Erinnerung zu behalten und der Opfer zu gedenken. Im Gefängnis der ehemaligen Turenne-Kaserne entstand aus diesem Grund eine Gedenkstätte für NS-Opfer. Die Hornbach AG hat dem Förderverein das Gefängnis in der ehemaligen Turenne-Kaserne für mindestens 25 Jahre zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung gestellt. „Wir haben damals die Geschichte des Hauses mit erworben“, so Albrecht Hornbach. „Wir können uns nicht von der Vergangenheit weg stehlen“. Der Neustadter OB Hans-Georg Löffler erinnerte an wüste Ausschreitungen und Verhaftungen in Neustadt, die auch vor der Stadtspitze seinerzeit nicht Halt gemacht hatten.

Die weitere Unterstützung des Landes sicherte der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff zu und überreichte Dittus seine Beitrittserklärung zum Förderverein.

Das Gebäude soll für die Öffentlichkeit, insbesondere für Schüler als Geschichtswerkstatt offen stehen. Zu sehen sind in diesem unscheinbaren Gebäude große Schautafeln mit einer Chronologie von 1933 bis 45, es gibt Biografien der Täter und der Häftlinge, Informationen über das Lagersystem und die Nazi-Zeit in der Pfalz, Briefe, Fotos und andere Dokumente. Auch eine umfangreiche Präsenzbibliothek ist vor Ort. Besichtigt werden können die Zellen, in denen die Häftlinge untergebracht waren und Waschgelegenheiten. Weiterhin gibt es Räumlichkeiten, die für Veranstaltungen genutzt werden können.

Noch ist die Dauerausstellung nicht endgültig fertig gestellt. Die Stadt Neustadt, das Land Rheinland-Pfalz und die Hornbach-Holding beteiligten sich an den Kosten, der Verein muss aber auch fast 40.000 Euro als Eigenleistung aufbringen. Feste Öffnungszeiten gibt es noch nicht, vorherige Anmeldung ist nötig. Gesucht werden deshalb ehrenamtlich Tätige, damit möglichst viele Öffnungszeiten angeboten werden können.

Mundartpreisträger in der Gedenkstätte

Im Rahmen des Kulturfestes 2013 der Stadt Neustadt an der Weinstraße veranstaltet die Gedenkstätte für NS-Opfer am Sonntag, 2. Juni, von 11 bis 18 Uhr einen Tag der offenen Tür auf ihrem Gelände im Quartier Hornbach (ehemalige Turenne-Kaserne). Von 15 bis 16 Uhr präsentiert dort Mundartpreisträger Albert H. Keil unter dem Titel „Zwelf Ve’wandte nie gekennt“ literarische Erinnerungen eines „nachgeborenen Zeitzeugen“ an die verlorene Zukunft von Verwandten, die er nie kennen lernen durfte. Keil ist in Mußbach geboren und wohnt in Dirmstein. Seit etwa 20 Jahren tritt er in Pfälzer Mundart mit „Kultur gegen rechte Gewalt“ auf.  (desa)

Der Förderverein

Der Förderverein hat bereits 110 Mitglieder, darunter 25 Städte, Verbandsgemeinden und Gemeinden, Kirchengemeinden, Dekanate, Vereine und Unternehmen. Vorsitzender des Kuratoriums ist der ehemalige Speyerer Oberbürgermeister Werner Schineller.

Förderverein Gedenkstätte für NS-Opfer e.V.

Postfach 10 04 15/67404 Neustadt a.d. Weinstraße

Vorsitzender: Eberhard Dittus, Telefon: 01758216661 oder (0 63 21) 39 89 34

E.Mail: info@gedenkstaette-neustadt.de

Spendenkonto:Förderverein Gedenkstätte für NS-Opfer e.V., Sparkasse Rhein-Haardt, Kto.-Nr.: 50 76 377, BLZ: 546 512 40

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