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Bürgermeister Zwick: „Dramatischer Anstieg ist gestoppt – Integration ist eine Generationenaufgabe“

7. März 2019 | Kategorie: Regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Symbolbild: Pfalz-Express

Pirmasens. Knapp ein Jahr nach Inkrafttreten der Zuzugssperre für anerkannte Asylbewerber und subsidiär geschützte Flüchtlinge hat die Stadt Pirmasens eine positive Zwischenbilanz gezogen.

„Der Schritt war richtig, die Regelung hat messbare Wirkung gezeigt“, sagt Bürgermeister Markus Zwick. Nach anfänglichem Ringen hatte das rheinland-pfälzische Integrationsministerium auf Antrag der Stadt Pirmasens eine Zuzugssperre verfügt, die seit 26. März 2018 in Kraft ist.

Hintergrund war, dass Pirmasens überproportional viele ungesteuerte Zuzüge von Flüchtlingen zu verzeichnen hatte. Aktuell leben insgesamt knapp 1 400 Flüchtlinge und Asylbewerber, die meisten von ihnen Syrer, in der Siebenhügelstadt.

Vor dem Erlass hatten monatlich bis zu 80 Zuzüge – nicht zuletzt wegen vergleichsweise günstiger Mieten – den Saldo ständig erhöht. „Dieser dramatische Anstieg ist gestoppt“, so Zwick weiter. Seit Inkrafttreten des Erlasses sind 24 Personen zugezogen, die Ausnahmegründe geltend machen konnten.

Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Familiennachzüge und den Beginn von Beschäftigungsverhältnissen.
„Es ist eine merkliche Entspannung eingetreten, auch wenn die Probleme vor Ort keineswegs gelöst sind“, so Zwick. Aber der erfolgreich eingeschlagene Weg ermögliche überhaupt erst eine nachhaltige Integrationsarbeit.

„Durch die Zuzugssperre ist es im letzten Moment gelungen, die Überlastung der Haupt- und Ehrenamtlichen abzuwenden und gleichzeitig der Gefahr sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung entgegenzuwirken“, ist Zwick im Rückblick überzeugt. Erst der Zuzugsstopp habe es möglich gemacht, weiterhin auch in der Bevölkerung vertrauensbildend wirken zu können.

Die Stadt Pirmasens hat in der Zwischenzeit erhebliche Bemühungen zur Integration der Flüchtlinge unternommen und wird dies auch künftig mit Nachdruck tun. Bürgermeister Markus Zwick führt insbesondere umfassende Maßnahmen zur sprachlichen und sozialen Integration an.

Damit die Eingliederung gelingt, unterstützt die Stadtverwaltung Neuzugewanderte außerdem individuell bei der Partizipation am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Dazu hatte die Kommune in einem ersten Schritt mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine Koordinierungsstelle für Neuzugewanderte geschaffen, die im Amt für Jugend- und Soziales angedockt ist.

Einen weiteren Baustein bildet die kürzlich begonnene Einführung eines sogenannten Bildungsmanagements, verbunden mit dem Aufbau eines datenbasierten Bildungsmonitorings. Auf systematisch und wissenschaftlich fundierte Weise sollen alle Bildungsangebote der Stadt für ein „lebenslanges Lernen“ gebündelt und besser vernetzt werden. Damit wird es möglich, Strukturen für ein ganzheitliches Bildungswesen zu etablieren und zielgerichtet zu steuern. „Dieses umfassende Steuerungsinstrument kommt allen Bürgern zugute“, betont Markus Zwick.

„Die zielgerichtete Integration geflüchteter Menschen in die Stadtgesellschaft ist eine Generationenaufgabe, der wir uns im Schulterschluss mit der Bevölkerung stellen“, betont Markus Zwick weiter.

Er lobt das herausragende Engagement der Pirmasenserinnen und Pirmasenser, die sich mit viel Herzblut einbringen. Wichtig sei dabei, Orte der Begegnungen zu schaffen, damit beide Seiten zueinander Kontakt hätten, um Akzeptanz für das Thema Integration zu schaffen. „Bei den Kindern und Jugendlichen funktioniert es recht gut. Bei den Erwachsenen ist noch deutlich Luft nach oben“, berichtet Zwick aus Gesprächen mit den Akteuren.

Trotz der insgesamt positiven Entwicklung bestehe die grundsätzliche Problematik einer drohenden sozialen und gesellschaftlichen Ausgrenzung derzeit noch fort. So leben in Pirmasens nach wie vor weitaus mehr Flüchtlinge, als der Stadt nach der Aufnahmequote (Königsteiner Schlüssel) zugewiesen wurden.

Nach dem Erlass der Zuzugssperre sind zwar lediglich noch im Ausnahmefall Flüchtlinge zugezogen, allerdings hat sich deren Zahl auch nur unwesentlich reduziert, da zuggleich verhältnismäßig wenige Wegzüge erfolgt sind. Die Aufnahmequote ist damit erheblich überschritten.

Die hohe Zahl der Flüchtlinge wirkt sich insbesondere auf Kindergärten, Grund- und Realschulen aus. In der zentralen Innenstadt ist eine starke Konzentration von Kindern mit Migrations- und Fluchthintergrund ohne Sprachkenntnisse zu verzeichnen. Die betroffenen Einrichtungen haben sich mit breiter Mehrheit dafür ausgesprochen, die Zuzugssperre beizubehalten.

Die Arbeit mit den jungen Familien wird für die Erzieher und Lehrer erheblich erschwert, da die Eltern der Sprache ebenfalls nicht oder nur unzureichend mächtig sind. Auch bei den erwachsenen Flüchtlingen gibt es nach Einschätzung der beteiligten Akteure nach wie vor erhebliche Probleme mit der sprachlichen Integration.

Die Warteliste für die Sprach- und Alphabetisierungskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) konnte zwar verringert werden, allerdings gibt es immer noch eine erhebliche Zahl an Personen, die bisher nicht an einer Maßnahme teilnehmen konnten.

Nach einer Statistik des Jobcenters, das anerkannte Flüchtlinge betreut, laufen derzeit 17 Sprachkurse mit 153 Teilnehmern. Gleichzeitig warten aber noch 92 Menschen auf einen Alphabetisierungs- und weitere 85 Zugezogene auf einen Integrationskurs.

Weitere 14 Personen stehen auf der Warteliste für berufsbezogene Sprachförderkurse. Im laufenden Jahr sollen noch 18 weitere Alphabetisierungs- und Integrationskurse mit 144 Teilnehmern starten. Ergänzend wurden – in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern – zahlreiche niederschwellige Angebote geschaffen, etwa „Mama lernt Deutsch“. Damit sollen die Wartezeiten bis zum Start der zertifizierten Kurse verkürzt und Sprachbarrieren zeitnah abgebaut werden.

„Wir hoffen, dass die Regelung für ein weiteres Jahr aufrecht erhalten bleibt“, so Markus Zwick, der die Fortsetzung der Zuzugssperre beantragt hat. Dazu steht der Bürgermeister mit dem rheinland-pfälzischen Integrationsministerium in einem konstruktiven Austausch.
Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen in den vergangenen zwölf Monaten sieht er gute Chancen, die bisherige Regelung beizubehalten.

Dadurch soll das gemeinsame Ziel einer erfolgreichen Integration auf dem eingeschlagenen Weg fortgesetzt werden. Im vergangenen Jahr hatten die Stadtverwaltung und das zuständige Integrationsministerium vereinbart, die Zuzugssperre nach zwölf Monaten Laufzeit gemeinsam zu evaluieren. Inzwischen liegen dem Ministerium die wesentlichen Kennzahlen zur Evaluation vor.

Die rechtliche Grundlage für die Möglichkeit der Einrichtung einer Zuzugssperre durch die jeweiligen Bundesländer beruht auf einer Regelung im Aufenthaltsgesetz des Bundes, die jedoch nur bis zum 6. August 2019 Gültigkeit hat. Bürgermeister Markus Zwick hat sich bereits auf höchster politischer Ebene für eine Verlängerung dieser Regelungsmöglichkeit ausgesprochen.

Auf Einladung des Bundeskanzleramtes hatte der 41-jährige Jurist beim „Bundeskongress Integration“ in Kassel über die positiven Effekte berichtet, die mit Inkrafttreten der Zuzugssperre in Pirmasens deutlich spürbar geworden sind.

„Die Summe der gemachten Erfahrungen spricht für eine Verlängerung oder gar eine Entfristung der zugrundeliegenden Vorschrift im Aufenthaltsgesetz“, warb Zwick auf der Bundeskonferenz der Integrationsbeauftragten. Er rechnet mit einer unbefristeten Verlängerung.

Hintergrund:

Zum Stichtag 31. Januar 2019 wurden in Pirmasens insgesamt 1 394 Menschen mit Fluchthintergrund betreut, davon 1 181 anerkannte Asylbewerber, darunter 396 Kinder unter 15 Jahren sowie 224 Personen in laufenden Asylverfahren.

Außerdem werden 95 abgelehnte Asylbewerber geduldet. Wegen fehlender Dokumente oder Krankheit können sie nicht abgeschoben werden.
Die anerkannten Asylbewerber stammen zum überwiegenden Teil aus Syrien (467), Afghanistan (64) und Somalia (51).

Die Zuzugssperre für anerkannte Asylbewerber und subsidiär geschützte Flüchtlinge war am 26. März 2018 in Kraft getreten. Dies bedeutet: Flüchtlinge, die im Asylverfahren ursprünglich einer anderen Kommune zugeteilt waren (Stichwort: Königsteiner Schlüssel) und die nun als Asylbewerber anerkannt sind, dürfen ihren Wohnsitz nicht nach Pirmasens verlagern.

Seit Inkrafttreten des Erlasses sind bisher 24 Personen (davon sieben anerkannte Asylbewerber im Leistungsbezug) zugezogen. Die Frauen und Männer unterliegen zwar der Sperre, konnten aber Ausnahmegründe geltend machen, zum überwiegenden Teil im Rahmen der Familienzusammenführung beziehungsweise der Aufnahme einer Beschäftigung.

Pirmasens nimmt weiterhin – unberührt von der Zuzugssperre – rund ein Prozent der Asylsuchenden auf, die dem Land Rheinland-Pfalz (insgesamt etwa 4,8 Prozent) durch den Königsteiner Schlüssel vom Bund zugewiesen werden. Deren Zahl reduzierte sich zwischen 1. April 2018 und 1. März 2019 um sieben auf aktuell 255 Personen.

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Ein Kommentar auf "Bürgermeister Zwick: „Dramatischer Anstieg ist gestoppt – Integration ist eine Generationenaufgabe“"

  1. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    „Auf Einladung des Bundeskanzleramtes hatte der 41-jährige Jurist beim „Bundeskongress Integration“ in Kassel über die positiven Effekte berichtet, die mit Inkrafttreten der Zuzugssperre in Pirmasens deutlich spürbar geworden sind.“

    Eine Ausweitung der Zuzugsperre auf ganz Deutschland hätte wohl für ganz Deutschland auch „positive Effekte“.

    Im übrigen ist Syrien weitgehend befriedet. Nicht die Integration, sondern Rückführung muss nun das Gebot sein.