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Schimmel, Bakterien, Essigsäure – heiße Themen in der Stadtratssitzung

28. September 2012 | Kategorie: Allgemein, Kreis Germersheim, Regional, Top-Artikel

Stimmte die „Chemie“ in der letzten Stadtratssitzung – oder nicht? (Foto:cli)

Kandel. Die jüngste Stadtratssitzung stand ganz im Zeichen der Kita am Wasserturm. Der Ratssaal konnte die vielen Bürger kaum fassen, die gekommen waren, um sich über den neusten Stand der Dinge zu informieren.

In der Kita hatten wiederholt Kinder über Atemwegsreizungen und gerötete Augen geklagt. Nachdem sich der Verdacht auf Schimmelbefall verstärkt hatte, wurden die Kinder in die Bienwaldhalle ausgelagert und in der Kindertagesstätte Messungen vorgenommen. Auf der Ratssitzung erläuterte nun Dr. Christian Jestrabek, der Leiter des Gesundheitsamts Germersheim, das 33 Seiten umfassende Gutachten des Labors, das die Untersuchungen vorgenommen hatte. Für die aktuelle Lage relevant sah er im Besonderen zwei Schwerpunkte an: Die Schimmelproblematik, die einerseits aus Hefen bestünden, die nicht flugfähig seien, sowie Sporen, welche sich sehr wohl verbreiten könnten. Das zweite Problem sah der Arzt in der Ansammlung von Bakterien. Der Messwert zeigte dann auch eine deutliche Belastung in der Luft – so lagen beispielsweise die Messwerte im Multifunktionsraum bei 1460. Dies sei ein beachtlicher Wert, sagte Dr. Jestrabek, aber:“ Man kann nicht schimmelfrei leben. Die Messwerte liegen niedriger als die Außenluft. Damit sind die Werte nicht gesundheitsrelevant. Eine akute Schädigungsgefahr für die Gesundheit besteht nicht.“ Alleine für vorerkrankte Menschen wie schwer Immungeschädigte seien Ergebnisse dieser Art problematisch. Es gebe deutlich mehr Schimmel im Außenbereich als in den Räumen. Dr. Jesterbeck betonte zudem die seriöse Art und Weise, wie die Messungen durchgeführt wurden. „Diese Werte sind natürlich auch teilweise provoziert, denn es müssen 12 Stunden vor Absaugen der Luft sämtliche Fenster geschlossen bleiben.“ Unter normalen Umständen könne man davon ausgehen, dass der Messwert noch geringer sei.

Der Fund von Bakterien wiederum sei ein Indikator für Feuchtigkeit (Zeigerstoffe). Aber auch die Bakterienkonzentration sei nicht besorgniserregend. Dennoch gebe es offenbar bauliche Mängel, durch diese sich die Feuchtigkeit Eintritt verschaffen könne. „Die Bakterienansammlung war zumindest so, wie man sie in einem trockenen Bau nicht erwarten würde.“

Auch flüchtige organische Verbindungen wurden gemessen, Abbauprodukte von Bakterien. Diese seien ebenfalls nicht gesundheitsschädlich, aber ein Hinweis darauf, dass Luft eindringe, die diese Gase beinhaltet—Ausgasungen bei bakterieller Besiedlung.

Einige betroffene Eltern unter den Zuhörern wollten sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden geben. Zu sehr leide manches Kind, sagte ein Vater, die Augen seien gerötet, die Nase dauerverstopft. In Verdacht stand auch die ebenfalls gefundene Essigsäure in der Luft. Woher diese kommt, muss ebenfalls noch weiter abgeklärt werden. „Essigsäure kann aus Bauprodukten austreten, aber die Konzentration ist nur ganz leicht erhöht“, sagte Dr. Jestrabek. „Zusammenfassend kann man sagen: Es gibt nichts, was im Moment akut schädigend ist. Selbstverständlich ist weiteres Handeln dringend notwendig, aber man erleidet nicht in kurzer Zeit einen Gesundheitsschaden.“ Die Fraktionsvorsitzende der CDU, Monika Schmerbeck, warf ein: „Diese Erklärungen hätten wir uns schon im Bauausschuss gewünscht.“  Auch Willi Böhm (SPD) stimmte zu, dass Kommunikationslücken schneller zu schließen sein sollten. Stadtbürgermeister Günther Tielebörger versicherte, dass Sanierungsmaßnahmen schnellstmöglich durchgeführt und nach Abschluss der Arbeiten weitere, abschließende Messungen durchgeführt würden: „Das ist unser Ziel.“ Auch ein toter Schacht, in dem sich Schimmel angesetzt hatte und der sich durch das komplette Gebäude zieht, soll wieder vollständig in Ordnung gebracht werden. Vermutungen, dass der Schimmelbefall im Schacht die Bodenplatte durchdringt, wird nachgegangen. Nach Meinung des Bausachverständigen Jürgen Riedel aus Jockgrim könne dies alleine nicht die Ursache sein. Vorgesehen sind weitere Bohrungen in der nächsten Woche, auch Reinigungsmittel sollen auf Essigsäure überprüft werden. GüntherTielebörger dankte den Ausführenden und resümierte: „Gott sei Dank gibt es keine Gefährdung, aber es ist nicht befriedigend, deshalb werden wir weiter nach den Ursachen forschen. Leider kann keiner sagen, ob mit der nächsten Untersuchung wirklich die Ursache gefunden wird. Nächste Woche werden wir mit Spezialisten zusammenkommen, um weiter zu beraten.“

Schwierig zu lösen scheint auch die Frage der weiteren Unterbringung der Kindergartenkinder zu sein. Der Großteil der anwesenden Eltern plädierte für einen Verbleib in der Bienwaldhalle. Da die Bienwaldhalle jedoch von vielen Vereinen genutzt wird und als ein Gesellschaftszentrum für alle Bürger gedacht ist, wird auch in diesem Punkt nach einer Lösung gesucht.

Anregungen der Bürger wurden aufgenommen, wie beispielsweise weitere Bohrungen auch in den Räumen der Erzieherinnen, die Dachdeckung um das Oberlicht herum soll herausgenommen werden, um zu sehen, ob vielleicht auch dort Wasser eingedrungen sein könnte. Auch der Wunsch nach einer Sanierung der schon sehr in die Jahre gekommenen Toiletten wurde geäußert.

 

Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte Architekt Peter Bender den Entwurf des Kindergartenneubaus in der Hubstraße vor.

Die fünfzügige Kita wird am Randbereich von K2 gebaut. Dort steht ausreichend Platz zur Verfügung. „Es wird ein großes Gebäude sein müssen, bei 120 Kindern,“ so Peter Bender. So soll es ein großzügiges Atrium geben mit einem verglasten Wandelgang, einen Multifunktionsraum, Kinderwagenparkplätze, eine kreiselförmige Zufahrt für Autos, einen Innenfahrstuhl für barrierefreien Zugang, uvm. Versorgt wird das Gebäude mit nachhaltiger Energie wie Fotovoltaik und Solarstrom. Die Kostenschätzung beträgt etwa 2 Millionen Euro ohne Außenanlage. Zuschüsse des Landes in Höhe von ca. 750.000 Euro werden gewährt,  jedoch nur, wenn der Bau bis Ende 2013 fertiggestellt ist.

Angesichts dieser Summe gab es manch empörte Äußerung der Zuhörer; für den Entwurf sowohl Lob als auch Kritik. Auch in diesem Punkt wurden Vorschläge der Bürger und vor allen Dingen auch der zahlreich erschienenen Erzieherinnen in die Diskussion einbezogen. Besonders das Team von der Kita am Wasserturm fühlte sich im Vergleich benachteiligt.

Ob die Katholische Kirche die Trägerschaft der neuen Kindertagesstätte übernimmt, ist noch offen. (cli)

 

Nachtrag: In einer Mail vom 1. Oktober 2012 merkte Dr. Jestrabek zum Artikel an wie folgt (genauer Wortlaut):

„Sehr geehrte Redaktion,
 
ich möchte eine Anmerkung zu Ihrem Artikel machen, der Maximalwert für Bakterien in der vorgelegten Meßreihe war 930 KBE/m³, diese Werte sind bis 1000 als normal anzusehen, Siehe Gutachten Seite 11.
 
Die zitierten Werte von >1460 KBE/m³ beziehen sich auf Schimmelpilze in der Außenluft, siehe Messwerte Seite 7
 
Dieser Zusammenhang ist insofern wichtig, da alle Meßreihen der 2. Serie gezeigt haben, dass die Schimmelpilzkonzentrationen in der Außenluft deutlich höher als in der Innenluft lagen. Der maximale Schimmelwert im Innenraum lag bei 430.
 
Wichtig wäre noch anzumerken, dass sich diese Werte auf die 2. Messung beziehen, hierbei wurden nicht die beiden hauptsächlich betroffenen Räume beprobt, diese sind ja bereits in einem Sanierungskonzept berücksichtigt.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Dr. Jestrabek“

 

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Ein Kommentar auf "Schimmel, Bakterien, Essigsäure – heiße Themen in der Stadtratssitzung"

  1. Rolf Nauerth sagt:

    Liebe Pfalz-Express – Redaktion!

    Herzlichen Dank für die ausführliche Bericht-Erstattung zur Stadtrat-Sitzung!
    Ich freue mich sehr, dass es nun ein Medium gibt, aus dem man sich als Bürger umfangreich über das Sitzungsgeschehen informieren kann. Klasse auch der Service mit den Fotos!
    In der örtlichen Tageszeitung kommt meistens nur ein Thema zur Erläuterung und die Berichte im Amtsblatt – sofern es welche gibt – sind mir persönlich „zu tendenziell“.

    Also, weiter so! Großes Lob an Euch.