Freitag, 26. April 2024

Prozess zum Totschlag in Germersheim: „Du bist eine Hexe, ich muss dich verbrennen“

21. März 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional
Im Landgericht Landau wird der Fall verhandelt. Foto: pfalz-express.de

Am Landgericht Landau wird der Fall verhandelt.
Foto: pfalz-express.de

Germersheim/Landau – Am Landgericht in Landau wurde in dritter Runde der Totschlagsprozess gegen einen 38-Jährigen aus Germersheim verhandelt.

Der Mann soll im September letzten Jahres auf einem Feldweg bei der Südpfalzkaserne seinen langjährigen Freund, einen 39-jährigen Türken, im Affekt getötet haben.

Das Opfer starb durch einen harten Schlag gegen den Hals einen „Reflextod“.

Darunter versteht man einen tödlicher Kreislaufstillstand als Folge einer reflektorischen und übermäßigen Reizung des zehnten Hirnnervs – in diesem Fall wurde wohl der sogenannte Erb´sche Punkt getroffen.

Die Angehörigen jedoch sagen, es sei noch nicht hundertprozentig erwiesen, das der Mann am Reflextod gestorben sei.

Man habe einen Antrag gestellt, das zwei Professoren, die bei einer anderen Gerichtsverhandlung ausgesagt haben, als Gutachter geladen werden.

In einem BGH Urteil sei anerkannt, das es den Reflextod nicht gebe. Außerdem sei der Mann nicht von einem Schlag gegen den Hals gestorben. Er habe einen Jochbeinbruch auf der linken Seite und einen doppelten auf der rechten gehabt.

Dazu seien Nasenbein und Kehlkopf extrem zertrümmert gewesen. Die Angehörigen gehen davon aus, dass diese Verletzungen zum Tod geführt haben und wollen das auch bewesien.

Am Freitag sagten nun die zwei Ehefrauen aus – seine geschiedene und die derzeitige, die in Scheidung vom Angeklagten lebt. Beide haben vom Angeklagten jeweils einen Sohn.

2.000 Euro für einen Mord?

Erster Zeuge war jedoch ein ehemaliger Mieter des Angeklagten A. Dieser hatte nach Streitigkeiten wegen Zahlungsverzugs Angst bekommen.

A. habe ihn bedrängt wegen einer ausstehender Monatsmiete und sei immer wieder in seiner Wohnung aufgetaucht, in der er mit seiner Verlobten lebe.

Er ging zur Polizei und berichtete von den Drohungen seitens A., der gesagt habe, seine Freunde würden ihm den „Hals durchschneiden.“

Zudem hatte er bei der Polizei angegeben, der Angeklagte A. habe ihm 2.000 Euro geboten, wenn er dessen türkischen Freund T. umbringe.

Im Zeugenstuhl wollte er jedoch davon nichts mehr wissen. Er verneinte die Aussage, die er bei Polizeikommissarin angegeben hatte.

Der Zeuge schwieg entweder oder sagte meist: „Ich weiß nichts.“ Auch auf mehrmaliges Nachfragen des Gerichts kamen die Informationen mehr als spärlich und widersprüchlich: „Kann sein, kann auch nicht sein. “

Die Aufforderung des vorsitzenden Richters, Rückgrat zu zeigen, fruchtete nichts: Der Mann hatte ganz augenscheinlich große Angst vor dem in Haft befindlichen A., was er jedoch vehement bestritt.

Die Mutter des Angeklagten machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, blieb aber als Zuhörerin mit ihrem Ehemann im Saal. Das Ehepaar wirkte unglücklich und schockiert.

Bruder: „Haben als Einzige geholfen“

Der Bruder des Angeklagten, der in Germersheim die Fantasy-Lounge betreiben wollte, widersprach harsch und in teils aggressivem Tonfall der Aussage der drei Nebenkläger, das Opfer T. sei hilfsbereit und fleißig gewesen.

T. habe Drogen genommen und sei den „ganzen Tag im Bett gelegen. Mein Bruder hat ihn von der Straße geholt.“

Die Familie des Toten habe sich um den damals Obdachlosen nicht gekümmert, deshalb habe T. im Lokal geschlafen. Lediglich der Angeklagte habe sich seiner angenommen.

Dass T. Bei der Sanierung mitgeholfen habe, bestritt er. Er habe ihm Geld gegeben, aber nur aus Freundschaft. Gearbeitet habe er nichts, behauptete der Bruder des Angeklagten.

Er könne sich nicht erklären, wie es zu den schweren Folgen gekommen sei: „Die beiden waren beste Freunde. Wir sind alle Opfer.“ Keiner habe das gewollt.

Angeklagter psychotisch?

Anwesend bei Gericht war auch ein psychiatrischer Sachverständiger. Im Lauf des Prozesstags kristallisierten sich immer mehr die psychischen Probleme des Angeklagten heraus.

So habe er sich in der Vergangenheit eingebildet, seine Mutter mische Tabletten in sein Essen, um ihm zu schaden. (Die Mutter hatte ihn einmal zwangsweise in das Pfalzklinikum einweisen lassen, als er sie in einem psychotischen Zustand nicht mehr erkannte.)

A. ist seit seiner Jugend drogenabhängig. Haschisch, Kokain, Heroin und Amphetamin konsumierte er fast täglich.

Nach einem Ultimatum seiner ersten Ehefrau ließ er sich von seinem Bruder zwei Wochen lang in der Wohnung anketten und zog einen „kalten Entzug“ durch. Das klappte, aufs Kiffen verzichtete A. später dennoch nicht.

Insgesamt scheint die Persönlichkeit des Angeklagten widersprüchlich. Seine Psyche versuchten Richter und Staatsanwalt zu ergründen.

„Ich muss dich verbrennen“

Beide Ehefrauen sagten aus, dass es in den ersten Ehejahren keine Probleme gegeben habe. Mit der Geburt der Kinder seien in beiden Ehen Schwierigkeiten aufgetreten, A. sei offenbar „überfordert“ gewesen. Um die Kinder habe er sich aber gut gekümmert.

Den Frauen indes unterstelle er jeweils ein Verhältnis mit seinem Freund und späteren Opfer T., was beide glaubwürdig im Zeugenstand verneinten. T. wurde als freundlich und hilfsbereit beschrieben.

A. sei aber in letzter Zeit „sauer“ auf T. gewesen, berichtete die erste Ehefrau auf Nachfrage. Den Grund dafür kannte sie nicht.

Übereinstimmungen bei den Aussagen der beiden Frauen gab es hinsichtlich der geistigen Verwirrung und der Aggression von A.

Immer habe er sich nach ein paar Ehejahren „verändert“.

Er habe Stimmen gehört, habe Ausweise und Handy eingezogen, um zu prüfen, ob die Ehefrau wirklich die „echte“ wäre, sei einmal mit einer Waffe im Haus herumgelaufen und habe geschrien: „Du bist eine Hexe, ich muss dich verbrennen.“

Zwischendurch gab es immer wieder eine Flut an whatsapp-Nachrichten oder E-Mails mit konfusen Inhalten.

Die erste Ehefrau beschimpfte der gebürtige Kasachstane als „türkenverseuchte Schlampe“.

Beide Frauen hatten am Schluss nicht nur mit verbaler, sondern auch körperlicher Gewalt ihres Mannes zu kämpfen: Eine wurde nach eigener Aussage am Hals gepackt, gewürgt und die Treppe „hinuntergeprügelt“, die andere geschlagen.

Der Angeklagte – groß, blond – kam in dieser Verhandlung selbst nicht zu Wort. Nur zu Beginn sagte er unaufgefordert mit leiser Stimme, er sei „nie ein Schläger“ gewesen. Wenn er sich geprügelt habe, dann immer nur zur Verteidigung.

Der Prozess wird am 7. April um 9 Uhr fortgesetzt. (cli)

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