Der Friedrichshafener Wahlforscher Joachim Behnke rechnet damit, dass sich das neue Wahlrecht vor allem auf siegreiche CDU-Direktkandidaten auswirken wird. Nach der Wahl werden sie womöglich nicht mehr in den Bundestag einziehen, selbst wenn sie in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen gewinnen.
„Es wird definitiv die CDU sein, die von den Kappungen betroffen sein wird“, sagte der Politikwissenschaftler von der Zeppelin Universität Friedrichshafen der „Welt am Sonntag“. Er rechne auf Basis der aktuellen Umfragen mit 20 bis 35 Direktmandaten, die nicht von den Zweitstimmen gedeckt sind.
„Betroffen dürften Wahlkreise in Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sein. Sie drohen verwaist zu werden.“
Bei der vorgezogenen Neuwahl wird erstmals nach dem neuen Wahlrecht gewählt, das die Ampel-Koalition 2023 beschloss. Um den zuletzt deutlich gewachsenen Bundestag zu verkleinern, gilt künftig eine Obergrenze: Nur noch 630 statt aktuell 733 Abgeordnete dürfen im Parlament sitzen.
Wie bisher sollen die Parteien gemäß ihrem Zweitstimmenanteil vertreten sein. Die mit der Erststimme gewählten Wahlkreissieger können allerdings nicht mehr automatisch in den Bundestag einziehen. Sondern nur dann, wenn ihre Partei auch bei den Zweitstimmen ausreichend gut abschneidet.
Traditionell sind die Unionsparteien bei den Erststimmen stark. Angesichts der Änderungen kündigen CDU und CSU an, im Wahlkampf noch stärker auf die Zweitstimmen zu setzen: „Wer den direkten Draht in den Bundestag möchte, muss neben der Erststimme auch mit der Zweitstimme CDU wählen.“
Und: „Wir müssen den Leuten jetzt erklären, dass die Zweitstimme noch wichtiger geworden ist, als sie es ohnehin schon war. Wir werden im Wahlkampf die Botschaft transportieren: `Wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Direktkandidat in den Bundestag einzieht, dann müssen Sie uns auch die Zweitstimme geben.“
Dr. Thomas Gebhart für die Südpfalz: „Der Weg ist falsch!“
Dr. Thomas Gebhart ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter der CDU. „Im Ziel sind wir einig“, so Gebhart in einem Pressegespräch. Mit Blick auf die gewünschte Verkleinerung des Plenums sagt er allerdings auch: „Aber der Weg ist falsch“.
Viele Bürger würden am Wahlabend nicht wissen, ob der von ihnen mit Mehrheit gewählte Kandidat tatsächlich in den Bundestag einziehe, so Gebhart.
Denn nach dem neuen Wahlrecht, bei dem die Opposition nicht einbezogen worden war, wird eben nicht jeder, der seinen Wahlkreis direkt gewinnt, auch automatisch einen Sitz im Bundestag haben.
Gebhart wirbt daher dafür, dass die CDU neben einem guten Zweitstimmenergebnis im Wahlkreis auch ein sehr gutes Erststimmenergebnis erhält. „Ich werde Vollgas geben“, betont er. (dts Nachrichtenagentur/desa)
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