Verein „Kinder von Shitkowitschi – Leben nach Tschernobyl e.V.“: Gastfamilien für dreiwöchigen Erholungsaufenthalt gesucht – Interview mit Organisatorin Helga Vogelgesang

27. Februar 2019 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional

Shitkowitschi-Kinder bei einem Zooaufenthalt in Landau (mit Beigeordnetem Rudi Klemm r.)
Foto: privat

Pfalz. Alle Jahre wieder: Der Verein „Kinder von Shitkowitschi – Leben nach Tschernobyl“ sucht auch in diesem Jahr Gastfamilien, die bereit sind, einem weißrussischen Kind einen unbeschwerten dreiwöchigen Erholungsaufenthalt in der Pfalz zu ermöglichen.

Auch 33 Jahre nach Tschernobyl ist der Gesundheitszustand der Bevölkerung in den radioaktiv belastenden Gebieten deutlich schlechter als vor der Katastrophe. Lebensmittel werden kaum noch kontrolliert bzw. die Grenzwerte werden willkürlich erhöht. Immer mehr Orte werden somit als „nicht verstrahlt“ deklariert.

Wo ist der Sinn der Kindererholung heute?
Die körperliche Gesundheit, die bei den weißrussischen Kindern deutlich mehr gefährdet ist, wird gestärkt. Die seelische Gesundheit wird gestärkt durch die Vermittlung von Hoffnung, Freude und zwischenmenschlicher Wärme. Ein Erholungsaufenthalt erweitert den eigenen Horizont und hilft Motivation für das eigene Leben zu entwickeln. Auch trägt er zur Völkerverständigung bei. Kinder sind und werden für die kommenden Generationen die unschuldigen Opfer von Tschernobyl bleiben.

Deshalb möchte der Verein auch im Jahr 2019 möglichst vielen Kindern einen Ferienaufenthalt in der Pfalz ermöglichen. Die Sommererholung soll auch im Jahr 2019 in den ersten drei Wochen der Sommerferien in Rheinland-Pfalz stattfinden, d.h. von Samstag, 29. Juni bis Samstag, 20. Juli 2019.

Wie Helga Vogelgesang, die für die Organisation der Erholungsaufenthalte der Kinder in der Region zuständig ist, betont, werden die Kinder vor Reisebeginn ärztlich untersucht und haben keine akuten Erkrankungen. In Deutschland sind sie kranken-, unfall- und haftpflichtversichert. Für die Gasteltern fallen nur die Kosten der Verpflegung an.

Weißrussische Betreuer, in der Regel Lehrer, die Deutsch sprechen, begleiten die Gruppe, betreuen sie bei den gemeinsamen Ausflügen und helfen bei Verständigungsschwierigkeiten.

Ansprechpartner für interessierte Gastfamilien:

Helga Vogelgesang, Edenkoben, Tel.: 06323-980048, Anmeldeschluss: Anfang April.
Für Spenden zur Finanzierung der Erholungsaufenthalte ist der Verein dankbar:
Sparkasse Südliche Weinstraße, IBAN: DE11 5485 0010 0035 1214 33.
Im Internet: www.kinder-von-shitkowitschi.de.

Helga Vogelgesang: Für sie wird es die letzte Organisation eines Shitkowitschi-Ferienaufenthaltes sein.
Foto: privat

PEX-Interview mit Helga Vogelgesang

PEX: Frau Vogelgesang, Sie sagen: „Es wird in diesem Jahr definitiv die letzte Kindererholung sein, die ich organisieren werde. Alles hat seine Zeit…“ . Was genau meinen Sie im Hinblick auf die Aktion damit?

Seit 1996 haben wir jedes Jahr weißrussische Kinder und / oder Betreuer in unserer Familie zu Gast gehabt. Da muss natürlich auch die gesamte Familie dahinterstehen. Unsere Töchter sind nun erwachsen und können mich nicht mehr bei der Betreuung der Kinder unterstützen.

Unseren eigenen Urlaub mussten wir immer mit der Kindererholung abstimmen und haben selbst viel Urlaub und Freizeit für die Erholungsaufenthalte „geopfert“. Das haben wir gerne gemacht, aber ich denke, da kann man nach 33 Jahren sagen: „So, nun ist es gut.“

Vor allem auch deshalb, da es immer schwieriger wird Gastfamilien zu finden. Es wird immer schwieriger Menschen zu motivieren sich in der Tschernobyl-Hilfe zu engagieren. 33 Jahre nach der Reaktorkatastrophe ist das Interesse an diesem Unglück deutlich zurückgegangen.

PEX: Wie sind Sie denn überhaupt seinerzeit auf die Idee gekommen?

Durch einen Bericht in der Rheinpfalz bin ich im Frühjahr 1996 auf die Aktion gestoßen: „Gastfamilien für weißrussische Tschernobylkinder gesucht“. Unsere Töchter waren damals vier und sechs Jahre und wir nahmen vier Wochen lang die neunjährige Veronika bei uns auf.

Der Landauerin Renate Kohl ist es zu verdanken, dass erstmals im Sommer 1996 über den in Böhl-Iggelheim ansässigen Verein 46 Jungen und Mädchen mit ihren drei Betreuerinnen aus dem Kreis Shitkowitschi nach Landau und Umgebung kamen. Die Aktion wurde damals unterstützt vom Kinderschutzbund in Landau.

PEX: Wer waren Ihre Mitstreiter, wie groß war die Gruppe?

Nach der ersten Sommererholung bildete sich die „Gruppe Landau“, die Renate Kohl bei der Vorbereitung und Durchführung der Ferienaufenthalte unterstützte. Nach deren Rückzug aus der Organisation führte diese Gruppe die Kindererholung weiter und ich bin so langsam in die Rolle der Organisatorin „hineingewachsen“. Aus familiären und gesundheitlichen Gründen und natürlich auch altersbedingt gab es im Laufe der Zeit immer weniger Mitstreiter.

PEX: Warum ist es denn immer schwerer geworden, Gastfamilien zu finden?

Nach so vielen Jahren ist die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl einfach nicht mehr präsent in den Köpfen der Menschen. Berichterstattungen in den Medien sind in der Regel nur zu Jahrestagen zu sehen, auch die Presse hat uns nicht mehr so unterstützt bei der Gastfamiliensuche wie in den ersten Jahren nach dem Reaktorunfall. Das soll kein Vorwurf sein. Es ist einfach so in unserer schnelllebigen Zeit.

PEX: Wo lagen die Hauptschwierigkeiten der Organisation?

Das Ferienprogramm zu erstellen ist im Laufe der Jahre nicht mehr schwer gewesen, man muss allerdings viel Zeit investieren, um alles abzustimmen. Viele Vereine, Institutionen und Privatleute unterstützen uns seit vielen Jahren und laden uns zu diversen Veranstaltungen ein.- Zeit nehmen auch Informationsgespräche mit neuen Gastfamilien in Anspruch. Ich habe sie zu Hause besucht, über die Lebensverhältnisse in Weißrussland berichtet und informiert, wie so ein Erholungsaufenthalt abläuft.

PEX: Wie hat Sie Ihre Familie unterstützt? Und wie die Verwaltungen?

Wenn man über so viele Jahre Kinder und Betreuer bei sich aufnimmt, muss natürlich auch die Familie dahinterstehen.
Übrigens war die gesamte Familie mehrmals zu Besuch bei „unseren“ Kindern in Weißrussland (im Rahmen der Studienfahrten, die jährlich über unseren Verein angeboten wurden).

Mit vielen der weißrussischen Kinder pflegen wir noch heute Kontakt.
Die Aktivitäten der Hilfsvereine wurden oftmals durch ein Übermaß an Bürokratie seitens des weißrussischen Staates behindert. Stempel und Papiere, die bisher nicht benötigt wurden, werden häufig kurz vor Beginn der Kindererholungen „erfunden“ und erschweren die Arbeit der Vereine zusätzlich.
Erfreulich ist, dass das Land Rheinland-Pfalz nach wie vor Zuschüsse für jedes eingeladene Kind gibt.

PEX: Wird Jemand anders die Aufenthalte fortführen, oder gibt es sie dann gar nicht mehr?

Es kann sein, dass die Aufenthalte weiter von Mitgliedern aus Böhl-Iggelheim, wo ja der Sitz des Vereins ist, fortgeführt werden – solange sich noch Gastfamilien finden. Die Gruppe Landau-SÜW wird es aber wohl in der Form nicht mehr geben.

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3 Kommentare auf "Verein „Kinder von Shitkowitschi – Leben nach Tschernobyl e.V.“: Gastfamilien für dreiwöchigen Erholungsaufenthalt gesucht – Interview mit Organisatorin Helga Vogelgesang"

  1. Diego sagt:

    Kinder kommen zur Erhohlung nach Deutschland? Wo die Luft doch so verpestet ist, dass jährlich tausende aufgrund der Luftverschmuzung sterben?

    … unverantwortlich sowas…

  2. Anton Stoeckl sagt:

    Ich lebe seit 37 Jahren in Kanada und orgnisiere von Kanada aus humanitaere Hilfe fuer Weissrussland und Ukraine. 11 LKW konnte ich seit 1994 fuer die verarmte Bevoelkerung in der Ukraine fuer die Tschernovyl Region, Caritas in Kiev und fuer die Alpha und Omega Christliche Studentengemeinschaft in Dnepropetrovsk organiiseren. In Weissrussland gingen 6 LKW in die Gegend von Minsk und Gomel. Mein Visa fuer Weissrussland habe ich vor ein paar Tagn bekommen und so werde ich auch dieses Jahr wie in den vergangenen 17 jahren meine humanitaere 5000 km Reise so ab dem 6.4. nach Weisrussland und in die Ukraine unternehmen. Fuer Mitfahrer sind noch Plaetze frei.
    Ich bedauere aber versehe auch das an den angefuehrten Gruenden es immer schwieriger wird Ferienaufenthalte fuer Kinder zu organisieren.