Projekt „Nachfolge ist weiblich“: Das Handwerk braucht auch Frauen

5. Dezember 2013 | Kategorie: Allgemein, Kreis Südliche Weinstraße, Landau, Regional

 

Frauen auf dem Weg zur Unternehmerin: v.l. Katja Danner, Heike Traschütz, Milagro Gebhart, Cathrin Rabensteiner. Daneben Caroline Lang und Silke Eichten Handwerkskammer Rh-Pf. und Heike Eberle (Eberle-Bau-Landau).
Foto: Ahme

Landau. Unternehmensgründerinnen und die weibliche Unternehmensnachfolge im Handwerk gehören insbesondere in den gewerblich-technischen Berufen immer noch zu den Ausnahmen.

Eine Gruppe von Unternehmensnachfolgerinnen aus der Vorder- und Südpfalz, die sich in den letzten Monaten mit einem Projekt der Handwerkskammer der Pfalz auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet haben, beendete am 3. Dezember 2013 diese Weiterbildung.

Sie waren Teilnehmerinnen an dem Projekt „Nachfolge ist weiblich!“, das in Zusammenarbeit mit dem Projekt „SHE! Rheinland-Pfalz“ bei der Handwerkskammer der Pfalz durchgeführt wurde.

Bei der Abschlussveranstaltung im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer der Pfalz, informierten Projektmoderatorin Heike Eberle, Eberle-Bau Landau, und die Projektleiterinnen Silke Eichten und Caroline Lang über den Zweck dieser Veranstaltung und natürlich kamen auch die Unternehmerinnen in spe zu Wort.

Von insgesamt zehn angemeldeten Teilnehmerinnen, waren noch vier bei der letzten Veranstaltung anwesend. Ein Grund dafür, so wurde vermutet, sei der, dass das Seminar kostenlos war. Eine Gebühr einzuführen, wäre deshalb überlegenswert.

Eine Teilnehmerin, Cathrin Rabensteiner, fuhr sogar regelmäßig den weiten Weg von Wallertheim nach Landau um dabei zu sein. Gleichermaßen begeistert zeigten sich die anwesenden Damen und lobten besonders Projektmoderatorin Heike Eberle, die selbst erfolgreich den Familienbetrieb Eberle Bau leitet und quasi aus dem Nähkästchen sprechen konnte.

Pfalz-Express (PEX)„Frau Eichten, warum braucht denn das Handwerk weibliche Nachfolger?“

„Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) steht jährlich bei 71.000 Betrieben die Regelung der Unternehmensnachfolge an. Daran hängen wiederum ca. 500.000 Mitarbeiter.
Bisher übernehmen deutschlandweit nur 5 Prozent Frauen einen Handwerksbetrieb.

Dabei könnten viele familiär geführte Unternehmen von Töchtern, Mitarbeiterinnen und qualifizierten Quereinsteigerinnen übernommen werden. Häufig werden die Stärken der Frauen nicht erkannt oder die potenziellen Übernehmerinnen scheuen selbst die Verantwortung. Hier gibt es einen immensen Handlungsbedarf.“

Das Handwerk, so Eichten, könne es sich auf Dauer nicht leisten, die gut ausgebildeten und engagierten Frauen außen vor zu lassen.

Die Handwerkskammer Rheinhessen habe auf die „alarmierenden Zahlen“ reagiert und neben ihrem regulären Beratungs- und Dienstleistungsangebot das Projekt SHE! Rheinland-Pfalz für Gründerinnen und Jungunternehmerinnen ins Leben gerufen, berichtet Eichten.

Das Projekt wird vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium und Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert. Seit 2011 wurden 500 Gründerinnen und Jungunternehmerinnen kostenlos beraten, geschult und gecoacht. Außerdem seien Hunderte Veranstaltungen und Messen mit 25 Kooperationspartnern aus Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft durchgeführt worden.

PEX: „Steigt die Zahl der Frauen, die einen Handwerksbetrieb übernehmen?“

Durchschnittlich sind 24 Prozent der Handwerksbetriebe in Deutschland von einer Frau geführt. Im Kammerbereich Rheinhessen sind es mittlerweile 28 Prozent. Es gibt aber keinen Anlass, sich auf den Erfolgen auszuruhen. Schaut man sich die Ausbildungszahlen der Mädchen im Handwerk an, liegen diese durchschnittlich bei 7 Prozent, wenn man das Friseurhandwerk außen vor lässt.

Ich frage mich, wo zukünftig die Übernehmerinnen herkommen sollen, wenn junge Mädchen bereits bei ihrer Berufswahl das Handwerk ignorieren? Seit den 60 er Jahren haben sich die Berufswünsche junger Schülerinnen im Handwerk nicht geändert: Der Friseurberuf steht immer noch an erster Stelle. Hier gilt es mehr als dringenden Nachholbedarf, die lukrativeren „Männergewerke an die Frau zu bringen“.

PEX: „Und wie kann das Handwerk mehr Frauen als Nachfolger gewinnen?“

Ich möchte an dieser Stelle kurz unsere Beispiele skizzieren, die wir im Rahmen von SHE! Rheinland-Pfalz durchführen. Wir nehmen an der bundesweiten task force „Nachfolge ist weiblich“ im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin teil. In der task force werden Aktivitäten, politische Handlungsfelder und Maßnahmen zur Förderung der Nachfolge durch Frauen besprochen und umgesetzt.

Gemeinsam mit der IHK führen wir eine Wanderung zu Betriebsübernehmerinnen am nationalen Aktionstag „Nachfolge ist weiblich“ durch. Die Veranstaltung stößt jedes Jahr auf großes Interesse, denn hier können potenzielle Betriebsübernehmerinnen direkt aus erster Hand erfahren, welche Chancen und Risiken die Nachfolge bedeuten.

Außerdem haben wir gemeinsam mit der Handwerkskammer der Pfalz zwei Erfahrungsgruppen für Übernehmerinnen im Handwerk angeboten. Jeweils neun Übernehmerinnen trafen sich zu fünf professionell moderierten Gesprächsrunden zur Themenstellung: Probleme bei der Übergabe, Frau im Handwerk sein, Von der Tochter zur Chefin-Wie gelingt Führung, Akquise geeigneter Mitarbeiter und Konflikte in Betrieben.

Die mediale Präsenz beim Abschiedstreffen unter Mitwirkung von Wirtschaftsministerin Eveline Lemke war phänomenal. Sowohl Fernsehen, Radio, als auch Internetjournale berichten gerne über weibliche Inhaberinnen von männlich dominierten Berufen.

Wir versuchen, auf allen Veranstaltungen mit Handwerksunternehmen weibliche Führungskräfte, in die Podiumsrunden und Gremien mit aufzunehmen, damit sich die weiblichen Gäste angesprochen und inspiriert fühlen.

Es gibt unzählige Aktivitäten und Fördermaßnahmen, die bereits bei allen Handwerksorganisationen in Deutschland durchgeführt werden.

Selbst die Baumarktketten haben die weibliche Zielgruppe für sich entdeckt und bieten sehr erfolgreich die „Women`s week“ an, die von Tausenden Frauen besucht wird.

Zukünftig brauchen wir mehr Frauen, die sich für verantwortungsvolle Führungspositionen bewerben, die sich innerhalb von Netzwerken professionell organisieren und sich gegenseitig unterstützen.
Hier sehe ich noch einen sehr großen Handlungsbedarf – gerade bei den Frauen! Und gerade im Handwerk!

PEX: „Welche besonderen Herausforderungen müssen Töchter, Schwiegertöchter oder ehemalige Mitarbeiterinnen meistern, die einen Betrieb übernehmen?“

Mitarbeitende Ehefrauen in Handwerksunternehmen sowie Schwiegertöchter, Nichten oder weitere weibliche Verwandte sollten zukünftig ihr Interesse an der Übernahme des Handwerksunternehmens mit Mitarbeitern der Kammern auf die Tragfähigkeit überprüfen und bei Wunsch der Unternehmensnachfolge ihre Interessen vorbereitet und glaubhaft vertreten. Sie sollten sich nicht gleich von kleineren Widerständen abhalten lassen.

Viele Frauen scheitern an ihrer eigenen Anspruchshaltung, alles wissen zu wollen oder selbst zu regeln. Sie müssen sich vor der Betriebsübernahme mit ihrem perfektionistischen Anspruch auseinandersetzen und ggf. die Zuständigkeiten klären und aufteilen. Nach dem Motto „Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen“, sollten die Frauen sich zutrauen, in die Chefinnenrolle hineinzuwachsen.

PEX: „Machen Sie etwas anders als ihre männlichen Kollegen? Wenn ja: Was?“

Durch meine betriebswirtschaftliche und pädagogische Ausbildung schaue ich mir neben den Zahlen, Daten und Fakten des Geschäftsplanes die Unternehmerinnenpersönlichkeit und die Rahmenbedingungen der Gründung/Übernahme an.

Mir fällt schnell auf, wo die „eigentliche“ Problemstellung ist. Diese liegt in der Regel nicht in den Zahlen, sondern bei der Selbsteinschätzung, Zielgruppenanalyse und der Vertriebsstruktur. Ich helfe den Gründerinnen und Jungunternehmerinnen in den häufig sehr intensiv geführten Beratungsgesprächen, das Alleinstellungsmerkmal und die Unternehmerinnenpersönlichkeit klar und deutlich herauszustellen und die eigene Position zu stärken.

Zwischenzeitlich nehmen vermehrt junge Männer diese Art der Beratung in Anspruch. Im Rahmen meines für Frauen durchgeführten Projektes SHE! Rheinland-Pfalz habe ich insgesamt 10 Prozent Männer beraten. Bei den Männern spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Professionalisierung des Betriebsmanagements eine zunehmende Rolle. Somit sind die Problemstellungen der Unternehmensnachfolge bei Frauen und Männern ähnlich. Die Herangehensweise ist nur verschieden.

„Potentiale, die da sind, werden von den Frauen nicht genügend genutzt“, ist Eichten überzeugt.
„Viele Frauen trauen es sich nicht zu. Sie starten erst im Nebenerwerb. Aber Frauen gründen vorsichtiger und auch langfristiger“. Manchmal seien es Schicksalserlebnisse wie Krankheit oder Tod des männlichen Firmeninhabers, der eine Entscheidung verlange.

Deshalb sollten sich Handwerksbetriebe frühzeitig nach einer Nachfolge umschauen, rät Eichten. „70 Prozent der Firmeninhaber wissen nicht, an wen sie übergeben sollen. Deshalb muss das Problem öffentlich gemacht werden“.

Betriebswirtschaftliche und technische Unterstützung, aber auch Stärkung des Selbstwertgefühls, möchten Projekte wie SHE! Den potentiellen Unternehmerinnen angedeihen lassen.
Wie ist die Rolle der Frau, wie kann sie aus dem „Schattendasein der Männer“ treten? Was kann ich verändern, wie mache ich Vorgänge in der Firma transparenter? Wie gelingt mir eine gute Mitarbeiterbindung und wie läuft das Management, auch bezüglich der Kinder während des Tages ab? Und wie präsentiere ich meine Firma nach außen? Alle diese Fragen und noch mehr, wurden im Projekt durch Heike Eberle angesprochen.

Katja Danner, Milagro Gebhart, Cathrin Rabensteiner und Heike Traschütz berichteten über ihren beruflichen Hintergrund.

„Unsere Generation wurde in ein starres Schema gepresst“, so Heike Traschütz (Installateur und Heizungsbau-Klingenmünster). Von der Aushilfskraft, über Teilzeit und Prokuristin arbeitete sie sich in die väterliche Firma ein, da der Vater krank ist. Heute ist sie Geschäftsführerin und wird die Firma auch offiziell übernehmen. „Hilfreich war es, dass ich im Großhandel gearbeitet habe“, berichtet sie.

Katja Danner,  (Installateur und Heizungsbau-Roschbach), ist gelernte Zahnarzthelferin. In die Firma hat sie eingeheiratet- bei Firmenübernahme würde sie einen Meister einstellen. Zwischenzeitlich hat sie sich bei Technikerschulungen weiter gebildet um auch am Telefon besser „ihren Mann“ zu stellen.

Cathrin Rabensteiner (IP-Steuerungstechnik) hat aufgrund der Erkrankung des Vaters erst seit diesem Sommer die Firma übernommen. „Ich konnte hier viel Neues erfahren und mich austauschen“, so Rabensteiner.

Milagro Gebhart (Feinwerktechnik Gebhart-Jockgrim) berichtete über die im Jahre 2000 von ihrem Mann Fritz Gebhart gegründete Feinmechanische Werkstatt mit dem Schwerpunkt Drehen und Fräsen von Einzelanfertigungen, Kleinserien und Vorrichtungsbau in Jockgrim.
Ein kleiner Betrieb, in dem sie die Buchhaltung innehat und Ehemann Fritz den technischen Bereich vertritt. Auch sie zeigt sich vom Projekt begeistert und hat viele neue Erkenntnisse gewonnen. (desa/red/hwk)

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Ein Kommentar auf "Projekt „Nachfolge ist weiblich“: Das Handwerk braucht auch Frauen"

  1. Heike Eberle sagt:

    Liebe Frau Ahme,

    Sie haben mal wieder einen entzückenden Artikel über dieses Projekt hingezaubert. Herzlichen Dank hierfür.

    Mit herzlichen Service-Grüßen
    Heike Eberle