PEX-Interview mit dem Landauer Beigeordneten Lukas Hartmann: Sechs Monate im Stadtvorstand: „Wir arbeiten gut zusammen“

18. Mai 2020 | Kategorie: Landau, Regional

Lukas Hartmann im Gespräch mit Desirée Ahme vom Pfalz-Express.
Foto: Rolf H. Epple

Der Pfalz-Express (PEX) führte mit dem Hauptamtlichen Beigeordneten der Stadt Landau, Lukas Hartmann, ein ausführliches Interview. Hartmann ist seit etwas mehr als 6 Monate im Amt. Er sprach mit dem Pfalz-Express über seine Ziele und über das Erreichte in dieser Zeit.

PEX: Großes Thema „Corona“: Welche Corona-Maßnahmen haben Sie privat ergriffen? Was wurde an Ihrem Arbeitsplatz gemacht?

L.H. Ich war bis Anfang Mai im Homeoffice wie die meisten Kollegen auch. Die Vernetzung hat die IT-Abteilung gut hinbekommen. Mittlerweile bin ich wieder täglich im Rathaus.

Als Stadt haben wir schon früh einige Maßnahmen ergriffen und reagiert. Das lag an unserem Oberbürgermeister Thomas Hirsch, der ein guter Krisenmanager ist und schon zehn Tage vor uns anderen die richtigen Schlüsse gezogen hat.

Deshalb haben wir einen Krisenstab einberufen, uns mit den Landkreisen abgesprochen, die Teststation auf dem neuen Messeplatz eingerichtet, öffentliche Anlagen geschlossen, als das Land noch gezögert hat, etwas zu unternehmen. Außerdem haben wir den Publikumsverkehr eingeschränkt. Es mussten in allen Bereichen Termine vereinbart werden, das ist jetzt noch in den meisten Abteilungen so.

Foto: Rolf H. Epple

PEX: Sechs Monate nach der Wahl…Welches Ressort macht den größten Spaß? Uni, Ordnungsamt, Mobilität…

L.H. Ich habe mich schon in der letzten Legislaturperiode viel mit Mobilität beschäftigt, das hat man aber nach außen nicht so gemerkt, weil meistens Udo Lichtenthäler für uns Grüne gesprochen hat. Das war sein Leib und Magenthema. Und das hat man ihm gerne gelassen.

Der Beschluss zur neuen Innenstadtmobilität hat uns am Anfang meiner Amtszeit gleich stark beschäftigt.

Es geht um die Frage: Wie ordnen wir die Mobilität in unserer Altstadt neu, um sie sicherer, bequemer und klimaschonender zu machen. Wir haben aufbauen auf dem Mobilitätskonzept der letzten Legislatur, einen Plan mit zwei Durchfahrtsbegrenzungen auf dem Altstadtring, einem ticketfreien Altstadtshuttle, dem gegenläufigen Radverkehr in der Martin-Luther-Straße und Königsstraße sowie der Neuregelung der Fußgängerzone entwickelt. In letzterer werden wir zum Beispiel das Radfahren zu den Geschäftszeiten einschränken, damit die Fußgängerzone wirklich den Fußgängern gehört.

Der Beschluss zur neuen Innenstadtmobilität wird jetzt im Juni/Juli umgesetzt. Außerdem haben wir angefangen, am zukünftigen Landauer Bussystem, dem „Landau Takt 2022“ zu arbeiten. Das war der CDU auch in den Koalitionsverhandlungen ein großes Anliegen und ich versuche, diesem Auftrag dem jetzt gerecht zu werden damit wir ein gutes Bussystem in Landau bekommen.

PEX: Das scheint ja überhaupt gut in der Koalition zu funktionieren, oder?

L.H. Es gibt bessere und schlechtere Tage, aber insgesamt passt das ganz gut. Man muss sich noch ein bisschen in die Rollenverteilung einarbeiten. Im Koalitionsvertrag ist ja schon Einiges angelegt.

Man macht viel konservative Steuer-und Wirtschaftspolitik. Das sind Kernthemen der CDU und wir bringen den grünen Klimaschutz und moderne Verkehrspolitik ein. Beim Wohnen haben wir ja weitreichende Kompromisse geschlossen und uns in der Mitte getroffen. Das ist eine gute Mischung.

PEX: Es macht also alles Spaß, oder?

L.H. In der Öffentlichkeit ist ja diese klare Haltung des Klimaschutzes im Bereich der Mobilität sehr umstritten. Es gibt böse Leserbriefe, allerdings von einigen wenigen Leuten. Die äußern sich ziemlich rabiat. Es ist die Frage, ob das Spaß macht.

Aber ich glaube, wir verändern tatsächlich etwas. Wir haben eine wissenschaftliche Studie der TU Dresden über das Mobilitätsverhalten in Landau bekommen, die besagt, dass 60 Prozent aller Wege in Landau zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Das Auto ist also schon nicht mehr das zentrale Fortbewegungsmittel in Landau. Das hat mich auch überrascht, freut mich aber natürlich auch.

Probleme haben wir noch beim ÖPNV. Den nutzen noch wenige, da er ziemlich schlecht ist. Aber daran arbeiten wir ja. Pendler brauchen in einer ländlichen Region natürlich weiterhin ein Auto, aber wenn wir das Bussystem gut genug machen, dass vielleicht eine Familie auf das Zweitauto verzichten kann, haben wir schon einiges erreicht.

Foto: Rolf H. Epple

PEX: Wo stehen Sie denn mit dem Projekt Altstadtshuttle?

L.H. Zuerst einmal: Wir haben große, zentrale Parkplätze, die sind nicht ausgelastet. Es war eine gute Idee des Oberbürgermeisters hier mit einem ticketlosen Bus anzusetzen und die Menschen direkt zu den Einzelhändlern fahren zu lasen. Leider war der Startzeitpunkt so geplant, dass er mitten in die schwierigste Corona-Krisenzeit gefallen wäre. Deshalb haben wir den Start des Altstadtshuttles verschoben. Vor den Sommerferien kommt er nun nicht mehr

PEX: „Es ist oft genug Pragmatismus und Kompromissbereitschaft, die die Kommunalpolitik so erfolgreich macht“, haben Sie gesagt. Gibt es ein Beispiel dafür?

L.H. Ja. Das, was wir als Koalition machen. Wir gehen davon aus, dass wir Alle unsere Überzeugungen haben. Als Grüne waren wir aus guten Gründen, zum Beispiel wenn es um Flächenverbrauch geht und zum Schutz der Winzer, gegen Neubaugebiete.Die CDU hatte ihre Argumente für zusätzlichen Wohnraum. Jetzt entwickeln wir gemeinsam das Europaviertel. Das bedeutet weniger Flächenverbrauch, aber wir bekommen viele Wohneinheiten und die Winzer können möglichst viele Hektar Weinberge behalten. Das ist doch ein guter Kompromiss.

Oder ein anderes Thema. Konservative Steuer-und Wirtschaftspolitik: Das Gewerbegebiet D12 kommt, die Gewerbesteuer wird wahrscheinlich nicht erhöht – da vertrauen wir auf die Konzepte der CDU mit ihren Kompetenzen und in anderen Bereichen vertrauen wir mehr auf grüne Konzepte: wir fördern den Fußgänger-, Rad-, und Busverkehr.

Im Bussystem bringen wir das Beste aus allen Bereichen zusammen. In einer Stadt wie Landau, die viele junge Leute aber auch viele Alteingesessene hat, gibt es eben nicht nur ein Lager.

PEX: Wie fühlt es sich an, auf der ANDEREN Seite zu stehen? Ist das nicht auch ein Spagat?

L.H. Wir haben jetzt eine größere politische Verantwortung, das ist das eine. Auf der anderen Seite sehe ich jetzt in einer ganz anderen Perspektive, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt sehr gute, engagierte Arbeit machen. Das dachte ich vorher zwar auch, aber es war mir nicht aus eigener Anschauung bewusst.

Der OB und ich kommen sehr gut miteinander klar. Das ist auch wichtig für die Koalition. Ich glaube, er ist ein guter Oberbürgermeister. Wir besprechen uns gut und häufig miteinander ab. Aber sicherlich gibt es manchmal den Wunsch der Parteien, dass mehr in die eigene politische Richtung gemacht werden sollte.

PEX: Warum war es so wichtig, den Klimanotstand auszurufen?

L.H. Der Klimawandel birgt noch eine größere Problematik als die Corona-Krise im Moment. Nur, dass die Folgen unseres Handels beim Klimawandel noch in der Zukunft liegen. Ganz viel auf der Welt verändert sich jetzt schon. Weil aber die Folgen des eigenen Handelns noch weit in der Zukunft liegen, ist es politisch beim Thema Klimaschutz so schwierig. In der Vergangenheit haben es Koalitionen auf allen politischen Ebenen nicht geschafft, angemessen auf diese Herausforderung zu reagieren.

Einige Anstrengungen braucht es jetzt, deshalb diese Resolution. Wir wollen ja nicht den Wohlstand abschaffen. Aber Klimaschutz ist die Herausforderung, der sich die Politik jetzt stellen muss für die kommenden Jahrzehnte.

Foto: Rolf H. Epple

PEX: Das eine schiebt das andere in den Hintergrund, oder?

L.H. Wir wollen Klimaschutzziele einhalten, ohne dass die Wirtschaft in die Knie geht.

PEX: Landau im Klimanotstand. War der Ausdruck gut gewählt?

L.H. Was wir Jüngere unterschätzt haben war, was der Ausdruck „Notstand“ bei vielen Älteren an Erinnerungen hervorruft.
Juristisch gesehen war es eine Resolution. In England hieß das „climate emergency“. Das hätte man bei uns auch Klimanotfall nennen können. Heute würde ich über den Namen jedenfalls nochmal diskutieren wollen.

PEX: Sie sind Uni-Dezernent. Warum hat man denn überhaupt eine Unibeauftragte gebraucht?

L.H. Ich bin ich kein Mitglied der Uni mehr, habe also auf viele Gremien und Informationen keinen Zugriff, oft auch keinen Zutritt mehr. Allein dafür ist die Universitätsbeauftragte schon wichtig.

Es gibt ja einige Leute in Landau, die stört es, dass wir in den letzten Jahren verstärkt über die Uni reden. Dann muss man aber wissen: Es gibt 8500 Studierende. Und 700 oder 800 Mitarbeitende. Die Universität gehört zu den größten Arbeitgebern in der Stadt.

In der Vergangenheit hat man sich nicht so intensiv bemüht um sie. Aber das ist so ein großes Thema: Man könnte sich halbe Tage nur um die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Uni kümmern. Aber ich habe ja noch andere Bereiche zu betreuen. Ich bin deshalb froh über die Unterstützung unserer Unibeauftragten Hannah Trippner.

Außerdem: Wenn Sie außerhalb der Uni stehen, bekommen Sie doch Einiges nicht mit. Hannah als Studierende und Hochschulbeauftragte kann beide Welten miteinander verknüpfen. Und vom Mitteleinsatz ist das marginal.

PEX: Thema Uni und Kaiserslautern: Was halten sie von der Fusion?

L.H. Wir mischen uns in die hochschulinternen Dinge nicht ein. Die Unis müssen für sich schauen und fragen „Wie wollen wir zusammenwachsen, wer wollen wir sein?“

Das Land muss die Unterfinanzierung des Standortes Landau beenden. Obwohl wir mehr Studierende haben, bekommen wir weniger Geld.
Der ganze Prozess muss sich auf Augenhöhe abspielen.

Die Kaiserslauterer haben ja 2 Millionen Euro bekommen, auch Landau muss jetzt seine 2 Millionen bekommen.

Landau soll kein Anhängsel werden, sondern gleichberechtigte Unistadt sein. Das soll auch im Namen deutlich werden.

PEX: Man hat Ihnen ja den Vorwurf des „Genderwashing“ gemacht…

L.H. In der grünen Stadtratsfraktion gibt es sieben Frauen und vier Männer, mehr Frauen als in CDU und SPD zusammen. Die Grünen haben eine weibliche Doppelspitze. Und wir haben als einzige Partei mit einer Liste kandidiert, die genauso viele Frauen wie Männer umfasste. Aber: Bei den Grünen werden Einzelpositionen nicht quotiert.

Ich habe also für die Position des hauptamtlichen Beigeordneten kandidiert, weil ich diese Aufgabe übernehmen wollte. Jede und jeder andere Grüne und nicht-Grüne hätte das tun können. Auf der grünen Nominierungsversammlung bekam ich dann von 62 stimmberechtigten Menschen 59 Stimmen.

Von dieser konkreten Frage abgesehen – und jede Personalentscheidung ist nun einmal eine Einzelentscheidung – finde ich schon, dass es Frauen im Stadtvorstand geben sollte und auch geben wird.

In drei Jahren stehen ja einige Wechsel an. Gestört hat mich der Vorwurf von Parteien im Stadtrat, die ganz wenig Frauenförderung betreiben, aber bei der Frage der Position im Stadtvorstand die Frauenkarte ziehen wollten. Nach der Wahl – zum Beispiel mit Blick auf die Landtagswahl – war die Frauenfrage dann schon wieder ganz egal für diese Parteien. Geschlechtergerechtigkeit sollte kein politisches Instrument zum Taktieren sein.

PEX: Als Veranstalterin des Landauer Tierschutztages interessiert mich besonders, was man beim Tierschutz noch besser machen könnte…

L.H. Das Tierheim sollte von städtischer Seite mehr Unterstützung bekommen. Wir sind in einer Absprache mit den Verbandsgemeinden. Das wollte ich schon in Angriff genommen haben; Corona kam dazwischen.

Das Tierheim übernimmt wichtige Funktionen für die Gemeinschaft und bekommt dafür eine Erstattung. Ein Ziel sollte sein, für die Kostenerstattung ein Euro pro Bürger und Jahr festzulegen. (Der Deutsche Tierschutzbund geht davon aus, dass je Einwohner mindestens 1,00 Euro zzgl. 7 Prozent Umsatzsteuer erzielt werden müssen, damit ein Tierheim kostendeckend arbeiten kann – die Red.)

PEX: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Desirée Ahme

Foto: Rolf H. Epple

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