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Partnerschaft und Patrimoine: 30 Rheinzaberner zu Besuch in Burgund

29. September 2014 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional

Deutsch-französische Freunde vor dem Schloss La Palisse.
Fotos: v. privat

Rheinzabern – Im zweijährigen Turnus lädt die Gemeinde Rheinzabern zu einer Fahrt nach Burgund ein, um die Partnerschaft mit den Gemeinden Chalmoux, Cronat, Mont, Saint-Aubin-sur Loire und Vitry-sur-Loire zu pflegen.

Am zweiten Septemberwochenende machten sich wieder 30 Personen auf den Weg, um bei französischen Familien zu logieren, ihre Gastfreundschaft zu erfahren, mit ihnen ein gemeinsames Ausflugsprogramm zu erleben und so manchen neuen Stein ins Mosaikbild von la France einzufügen.

Partnerschaft/Jumelage ohne historischen Hintergrund ist kaum denkbar. Deshalb erwies es sich als günstig, dass gerade in Frankreich die Journèes du Patrimoine begangen wurden, das französische Pendant zum Tag des Denkmals bei uns.

UNESCO-Welterbe in Besancon

Ein erster historischer Halt wurde in Besancon eingelegt. Stadtführerin Martine Beuraud verstand es geschickt, vom hoch gelegenen Fort Brégille aus die geschichtlichen Grundzüge der Stadt auszubreiten. Die einst freie Reichsstadt Besancon am Doubs liegt in der Franche-Comté, der ehemaligen Freigrafschaft Burgund, und gehörte zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, ehe sie von Ludwig XIV. annektiert wurde.

Eine trotzige Vauban-Festung oberhalb der Stadt erinnert an ein ähnliches Schicksal wie es unsere Südpfalz mit der Vauban-Festung Landau erfuhr. Besancon, reizvoll von einem Flußmäander umschlossen, ist UNESCO-Weltkulturerbe und gewiss noch viele Besuche wert.

Im Herzen des Bourbonnais

Angeführt von Henry Astier, machten sich Pfälzer und Burgunder am zweiten Tag per Bus auf Entdeckertour. Im Bereich des heutigen Departement Allier, westlich der Loire gelegen und zur Region Auvergne gehörend, lag einst das Kernland der Bourbonen, der wohl berühmtesten französischen Adelsdynastie mit der Lilie im Wappen.

Erste Station war die Trappisten-Abtei Sept-Fonts in Diou. Das mittelalterliche Mönchtum erlebte insbesondere in Burgund eine Hochblüte, nicht zuletzt dank der Abtei von Cluny oder der Zisterzienser, zu deren berühmtesten Äbten Bernhard von Clairvaux zählte. In Sept-Fons leben 80 Mönche gemäß dem benediktinischen ora et labora von ihrer Hände Arbeit.

Sie nutzen Hightech, verkaufen Agrarprodukte u.a. per Internetversand oder organisieren Auszeiten für gestresste Menschen, die wieder zu sich finden wollen.

Puten und Poeten

Die Besbre durchfließt in unzähligen Schlingen ihr Tal, ehe sie in die Loire mündet. Zahlreiche Schlösser entlang der Hügel haben Künstler und Poeten aus dem reichen Europa hierher gelockt. Das kleine Dorf Jaligny-sur-Besbre ist nicht nur wegen seiner Lage am Jakobsweg oder als Schauplatz etlicher Filme (u.a. Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe mit Louis de Funès ) bekannt. Alljährlich liefert das für seine Putenzucht berühmte Dorf einen Ehrentruthahn für die präsidiale Weihnachtstafel in den Élysée-Palast.

Das Städtchen Lapalisse wird überragt von einem imposanten Schloss aus dem XII. Jahrhundert, das uns allerdings nur als Kulisse für ein Gruppenfoto dienen sollte. In der Schlosskapelle indes liegt der berühmteste Spross der Adelsfamilie begraben, Marschall de La Palisse, nach dem der französische Begriff für Binsenweisheiten (lapallisades) benannt ist.

Belle Époque und Grand Guerre

Vichy am Allier, das Baden-Baden Frankreichs, hat ca. 25 000 Einwohner. Basierend auf bereits von den Römern genutzten Thermalquellen erlebte Vichy im 19. Jahrhundert einen Boom, als zur Zeit Kaiser Napoleons III. europäischer Adel und aufstrebendes Bürgertum die Sommerfrische und das Spa entdeckten.

Im Spa in Celestine.

Ist das Kurwesen auch stark zurückgegangen, so begeisterte nach wie vor das Flair der Kuranlagen, der napoleonische Lustwandelgang im Kurpark, die Trinkhalle und insbesondere das am Tag des Patrimoine geöffnete Opernhaus. In Vichy steht das zweitgrößte Opernhaus Frankreichs – nach der Opera Garnier in Paris.

Nicht verschwiegen wurde an diesem Tag die Rolle Vichys als Hauptstadt Frankreichs während der deutschen Okkupation 1940-1944, als unter Marschall Petains in den zahlreichen Hotels der Stadt die französische Regierung untergebracht war. Kooperation, Kollaboration und Widerstand sind bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet, Hinweise auf diese tristen Jahre fehlen noch weitgehend. Vichys beste Zeiten endeten mit dem Ersten Weltkrieg.

Opernhaus in Vichy.

Am Denkmal für die Kriegsopfer wird verständlich, warum Frankreich im Vertrag von Versailles so strenge Sanktionen gegen Deutschland durchsetzte und der I. Weltkrieg noch heute Grand Guerre heißt. Frankreichs Blutzoll während des I. Weltkriegs war um ein Vielfaches höher als im II. Weltkrieg. Dank der Partnerschaft wird eine Betrachtung der gemeinsamen Geschichte aus der anderen Perspektive erleichtert. Schade nur, dass Versöhnung erst über den Gräbern möglich wurde.

Reden, Coq au vin und Chansons

Der zweite Abend stand im Zeichen eines gemeinsamen Essens im Hôtel des Voyageurs in Cronat. Aperitif und obligatorische Reden eröffneten die soirée. Bernd Ohnemüller, Vorsitzender des Rheinzaberner Partnerschaftsvereins, der zusammen mit dem Comité de Jumelage unter Präsident Bernard Bidolet die Quartiersuche regelte, ergriff ebenso das Wort wie sein französischer Kollege oder Cronats Bürgermeister Georges Rousselet. Dieser fühlte sich in der geselligen Runde sichtlich wohl.

Ortsbürgermeister Gerhard Beil erwiderte die Begrüßung, dankte für die Gastfreundschaft, ging aber auch auf die Historie ein: 100 Jahre nach Ausbruch des I. Weltkriegs, 10 Jahre Partnerschaftsvertrag, Besuch in Vichy – es gab einige symbolträchtige Bezüge an diesem Tag.

Bei Coq au vin und reichlich Rouge wurde in bunter Sitzreihe parliert, gestikuliert, geprostet, gelacht und gesungen.

Nach dem Essen bereit zum Gesang.

Gerhard Beil und Raymond Broßart animierten die Gäste zum gemeinsamen Gesang, charmant assistiert von Danielle Blandin aus Cronat. Die französischen Freunde waren besonders gerührt, als Gerhard Beil einen Ohrwurm mit Kultstatus anstimmte. Prendre un enfent par le main (www.youtube.com/watch?v=ycMzmsBC9bE) von Yves Dutrois rührt jeden Zuhörer, weil es die Kinder heute so schwer haben.

Au revoir und à bientôt

Gesang und Genuss zogen sich bis nach Mitternacht hin und wurden am Sonntagmorgen mit einem Picknick in Saint-Aubin-sur-Loire fortgesetzt. Leider waren die Ufer der mystischen Loire schon herbstlich feucht, so dass man ausweichen musste und deshalb auch nicht zum kleinen romanischen Kirchlein von Saint-Aubin-sur-Loire mit seinen uralten Fresken kam, um etwas Spiritualität zu tanken.

Dies tat jedoch der Stimmung wenig Abbruch, vielmehr versprach man sich au revoir und à bientôt, was schon wieder Gedanken an den Anneresl weckte, wenn die Freunde aus Burgund Köstlichkeiten aus dem Herzen Frankreichs anbieten werden. Partnerschaft geht durch den Magen, vor allem aber durch die Herzen.

Retour à Bourgogne

Auf dem Rückweg überbrückte man die obligatorische Rast des Busfahrers mit einer Stippvisite in Dôle, der ehemaligen Haupt- und Universitätsstadt der Franche-Comté und Ausgangspunkt für touristische Unternehmungen in einer weniger bekannten Kulturlandschaft Frankreichs, die allzu gerne auf dem Weg nach Süden links liegen gelassen wird. Entlang des Weges zu den Freunden in Burgund gibt noch vieles zu entdecken.

Resumee: Eine gelungene Besuchsfahrt mit durchweg begeisterten Gästen und dem Wunsch auf ein Retour à Bourgogne, eine Wiederkehr nach Burgund. (Gerhard Beil)

v.l.: Ex-Bürgermeister Henry Astier, Bürgermeister. Gerhard Beil, Bürgermeister Georges Rousselet, Präsident Bernard Bidolet, Vorsitzender Bernd Ohnemüller.

Deutsch-französisches Trio: v.l. Danielle Blandin, Gerhard Beil und Raymund Broßart.

 

Wandelgang im Kurpark Vichy.

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