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Mehrheit der Deutschen für Ende von EU-Türkei-Deal – Brok: „Abbruch wäre Unsinn“ – Lindner: „Beitrittsgespräche müssten längst beendet sein“

7. August 2016 | Kategorie: Nachrichten
Flüchtlinge. Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

Flüchtlinge.
Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

Berlin  – Mehr als jeder zweite Bundesbürger (52 Prozent) ist dafür, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei aufzukündigen; nur 35 Prozent sind dagegen.

Das ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage im Auftrag von „Bild am Sonntag“. Auch unter den CDU-Wählern sind 46 Prozent für ein Ende des Abkommens. 43 Prozent sind anderer Meinung. Für einen sofortigen Stopp der EU-Milliardenzahlungen an die Türkei sprachen sich 69 Prozent aus. Stattdessen solle die EU lieber Griechenland in der Flüchtlingskrise unterstützen.

66 Prozent sind außerdem dafür, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Hintergrund ist das harte Vorgehen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Oppositionelle, Medien und andere Kritiker nach dem gescheiterten Militärputsch.

Unterdessen geraten in Deutschland türkische Extremisten immer stärker ins Visier, darunter auch ATIB. Der Dachverband türkisch-islamischer Kulturvereine betreibt gehört dem Zentralrat der Muslime in Deutschland an. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (Linke), ergab, dass es sich dabei um eine Abspaltung der rechtsextremen Grauen Wölfe handelt.

ATIB-Vorstandsmitglied Mehmet Alparslan Celebi war negativ aufgefallen, weil er wie Erdogan türkisch-stämmige Abgeordnete angegriffen hatte, die im Bundestag für die Armenien-Resolution gestimmt hatten.

Jelpke zu BamS: „Die ATIB bildet das Bindeglied zwischen den klassischen Grauen Wölfen und der Erdogan-Lobby in Deutschland.“ Emnid befragt 502 Personen am 4. August 2016. Die genauen Fragestellungen lauteten: „Sollte die EU das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei aufkündigen?“ / „Sollte die EU mit den Milliarden, die die Türkei im Rahmen des Flüchtlingsabkommens erhält, lieber Griechenland beim Umgang mit der Flüchtlingskrise unterstützen?“ / „Sollte die EU angesichts des harten Vorgehens des türkischen Präsidenten Erdogan gegen Oppositionelle, Medien und andere Kritiker die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen?“

Brok: Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei wäre „Unsinn“

Im Streit über den möglichen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei warnt Elmar Brok vor Kurzschlusshandlungen. „Ein sofortiges Aussetzen der Verhandlungen wäre heute diplomatischer Unsinn“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament der „Welt am Sonntag“.

Gleichzeitig plädierte Brok dafür, der Türkei langfristig den Status zu gewähren, den auch Norwegen besitzt. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden die EU-Beitrittsverhandlungen wegen der innenpolitischen Entwicklungen in der Türkei nicht zu einem Erfolg führen. Deswegen wäre es sinnvoll, in Richtung einer engeren Beziehung nach dem Beispiel Norwegens zu suchen“, sagte Brok. Zuvor hatte Linken-Chef Riexinger einen sofortigen Abbruch der Gespräche gefordert.

Foto: dts nachrichtenagentur

Foto: dts nachrichtenagentur

Lindner vergleicht Entwicklung in der Türkei mit Nazi-Deutschland

FDP-Chef Christian Lindner sieht historische Parallelen der aktuellen Entwicklung in der Türkei unter Präsident Erdogan zu Nazi-Deutschland von 1933.

„Wir erleben einen Staatsputsch von oben wie 1933 nach dem Reichstagsbrand: Er baut ein autoritäres Regime auf, zugeschnitten allein auf seine Person“, sagte Lindner.

„Weil Recht und Freiheit des Einzelnen keine Rolle mehr spielen, kann er kein Partner für Europa sein.“ In diesem Zusammenhang kritisierte Lindner „die windelweiche Haltung der Bundesregierung gegenüber Herrn Erdogan“. Lindner: „Es empört mich, dass die EU-Beitrittsgespräche nicht längst beendet sind.

Aber Frau Merkel mahnt nur ganz vorsichtig `Verhältnismäßigkeit` an.“ Zugleich distanzierte sich Lindner von dem Satz `Der Islam gehört zu Deutschland`: „Die Aussage ist mir zu pauschal. Ich fühle mich hier Cem Özdemir von den Grünen mit seiner kritischen Haltung zum Islam und zur Türkei näher als der Bundeskanzlerin, die für ein kritikloses Nebeneinander steht.

Wir dürfen von Muslimen erwarten, dass sie ihren Glauben so modernisieren, dass er zu den Werten des Grundgesetzes passt. Von den Islam-Verbänden fordere ich eine deutlich entschlossenere Arbeit gegen jede Form der Radikalisierung.“

Auch die Politik der Kanzlerin in der Flüchtlingskrise kritisierte der FDP-Vorsitzende: „Frau Merkel lullt uns seit Monaten ein. Sie sagt uns, dass wir das angeblich schaffen. Aber sie schuldet noch die Antwort, wie das gelingen soll!

Jetzt wäre wenigstens gutes Management nötig, aber die Große Koalition bringt kein Einwanderungsgesetz zustande. Darin müsste geregelt sein, dass nicht jeder Flüchtling ein Einwanderer ist, der auf Dauer bei uns bleiben kann. Die Regel muss die Rückkehr in die alte Heimat sein. Der dauerhafte Aufenthalt muss an Kriterien gebunden werden, also Arbeitsplatz, Straffreiheit und Sprache.“ (dts Nachrichtenagentur)

FDP-Chef Christian Lindner. Foto: dts Nachrichtenagentur

FDP-Chef Christian Lindner.
Foto: dts Nachrichtenagentur

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Ein Kommentar auf "Mehrheit der Deutschen für Ende von EU-Türkei-Deal – Brok: „Abbruch wäre Unsinn“ – Lindner: „Beitrittsgespräche müssten längst beendet sein“"

  1. Haardtriechel sagt:

    …das unterbelichtete Volk ist natürlich nicht in der Lage dieses komplexen diplomatische Gefecht zu durchschauen, weshalb es zu befragen, geschweige denn es direktdemokratisch an einer Entscheidung zu beteiligen, für einen 120kg EU-Brocken wie Herrn Brok, natürlich absoluter Unsinn wäre. Und wenn uns dann der Wendehals-Großmeister von der FDP schon auf populistische Analogien mit dem 3. Reich hinweist, dann wäre die realitätsverweigernde Haltung des Elmar Brok wohl am ehesten mit dem Appeassment eines Neville Chamberlain zu vergleichen. Was das gebracht hat, ist ja hinlänglich bekannt.
    Was generell von dem Säbelgerassel und den Kampfansagen der promiskuitiven FDP zu halten ist, haben wir zuletzt bei der Landtagswahl in RLP gesehen. Sorry Patrick, aber Deinem machtbeflissenen, rückratlosen Haufen kann man einfach nicht mehr glauben.