Großer Führungswechsel in Mainz: Eine Ära ist zu Ende – Abschied von Kurt Beck

17. Januar 2013 | Kategorie: Regional, Rheinland-Pfalz, Top-Artikel

Ministerpräsident a.D. Kurt Beck wurde mit großem Bahnhof vom Heeresmusikkorps 300 der Bundeswehr verabschiedet. (Fotos: Licht/Ahme. Siehe Bildergalerie am Textende)

Mainz – Beck geht – Dreyer übernimmt: Unter diesem Motto stand  ein für alle Beteiligten aufregender Tag des Abschieds und des Neubeginns. Ministerpräsident Kurt Beck war von seinem Amt als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten.

Kurt Beck, 18 Jahre lang rheinland-pfälzischer Landesvater, wurde offiziell als Ministerpräsident im Landtag verabschiedet, seine Nachfolgerin Malu Dreyer als neue Ministerpräsidentin mit 60-Ja-Stimmen zu 40 Nein-Stimmen vereidigt.

„Immer nah an den Menschen“

Es war die 40. Plenarsitzung des Landtags. Landtagspräsident Joachim Mertes, langjähriger politischer Weggefährte Becks: „Eine außergewöhnliche politische Laufbahn endet heute, eine Ära geht zu Ende.“ Mertes zollte Beck Dank, Anerkennung und Respekt aller Abgeordneten und sprach von einer Zäsur, die dieser Tag für Rheinland-Pfalz darstelle.

Die Kontinuität seiner langjährigen Regierungszeit hatte Beck bis dahin zum längst amtierenden Regierungschef in Deutschland gemacht. Die tagespolitische Debatte mit Konfliktpotentialen war an diesem Tag zweitrangig. Statt dessen wurde die Lebensleistung des Ministerpräsidenten a. D. in den Mittelpunkt gestellt und mit stehenden Ovationen seitens aller Fraktionen unterstrichen.

„Gerechtigkeit war für Sie nicht nur Wunschvorstellung, sondern praktischer Leitfaden der Politik“, sagte der Landtagspräsident. Bildung und Ausbildung, Ausbau der Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, gebührenfreies Erststudium, aber auch Konversion und Europapolitik hätten Beck mehr als alles andere am Herzen gelegen.

„Immer war es sein Motto: „Nah an den Menschen sein“. Und deshalb fühlten sich die Menschen diesem Ministerpräsidenten auch sehr nahe“, erklärte Mertens.

Von vielen Wegbegleitern verabschiedet

Beck selbst freute sich über die vielen Wegbegleiter, die zur Sitzung erschienen waren. „Ich bin dankbar und auch stolz darauf, dass wir in Rheinland-Pfalz in diesen Jahren erhebliche Fortschritte erzielen konnten. Rheinland-Pfalz hat sich, insgesamt gesehen und bei allen Problemen im Einzelnen, sehr positiv entwickelt. Es ist ein Land, in dem die Menschen gerne leben und arbeiten. Daran mitgewirkt zu haben, erfüllt mich mit großer Freude und Befriedigung.“

Beck erinnerte daran, dass er seit dem 18. Mai 1979 dem rheinland-pfälzischen Landtag angehöre. Heute sei es die 774. Plenarsitzung seit Beginn seines Mandats, und nur an wenigen Sitzungen habe er nicht teilnehmen können. Er dankte seinen politischen Freunden, den jeweiligen Koalitionspartnern und auch der Opposition. Trennende Ansichten in der Sache hätten nur selten die persönliche Ebene erreicht. Es sei ihm im Übrigen immer peinlich gewesen, wenn Fehler gemacht worden seien. „Aber wer arbeitet, macht auch Fehler.“

„Prägender Akteur der deutschen Politik“

Der Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schultz, beschrieb Beck im anschließenden großen Festakt in seinen vielfältigen Funktionen als Bürgermeister, Abgeordneter, Fraktions- und Parteivorsitzender, Bundesratsvorsitzender und Ministerpräsident und würdigte ihn als prägenden Akteur der deutschen Politik.

Zu seinem Rücktritt bemerkte Beck im Interview: „Ich habe meine Entscheidung, vom Amt zurückzutreten, wohl abgewogen. Sie ist mir nicht leicht gefallen. Aus Rücksicht auf meine Gesundheit ist sie aber richtig.“ Kurt Beck kündigte an, am 5. Februar 2013 auch sein Landtagsmandat niederzulegen.

 Beck: Wahl Dreyers war richtig

Die Wahl Malu Dreyers mache ihn glücklich, sagte Beck. Mit Dreyer sei eine fachlich versierte Frau, die eine gewinnende Art habe, Ministerpräsidentin geworden. Er empfahl Malu Dreyer, sich selbst treu zu bleiben und Kraft und Ausdauer zu bewahren, dann sei sie auch eine erfolgreiche Ministerpräsidentin.

Dreyer: Menschen sollen im Mittelpunkt stehen

Um 12.56 Uhr sprach Malu Dreyer die Eidesformel, die sie zur neuen Landeschefin machte und bemerkte in ihrer ersten Rede vor dem Landtag: „Die Bürger unseres Landes Rheinland-Pfalz stehen im Mittelpunkt all meines Handelns. Mein Streben, meine Kraft – sie gelten ihnen.“

Sie dankte besonders ihrem Vorgänger Kurt Beck, den sie in jeder Hinsicht als „überragende Persönlichkeit kennen und schätzen gelernt“ habe. Malu Dreyer: „Lieber Kurt Beck, dir gebührt höchste Achtung und Anerkennung. Du bist ein ganz großer Glücksfall für unser Land gewesen und wirst es auch weiterhin sein. Du hast dich um Rheinland-Pfalz verdient gemacht.“

Die neue Ministerpräsidentin bot ausdrücklich allen Mitgliedern des Parlamentes „offene und konstruktive Zusammenarbeit“ an. „Lassen Sie uns vor allem miteinander sprechen, weniger übereinander. Nicht die Herkunft einer Idee ist entscheidend, sondern ihr Wert und ihr Nutzen für unser Land.“ Schließlich gehe es um das eine Ziel: „Das Wohlergehen aller Bürger unseres schönen Landes Rheinland-Pfalz“, sagte die Ministerpräsidentin.

Alexander Schweitzer ist neuer Sozialminister

Auch ein bekanntes südpfälzer Gesicht komplettiert die nun leicht umgebildete Landesregierung: Alexander Schweitzer, bislang Generalsekretär der rheinland-pfälzischen SPD, wurde von der frisch gebackenen Ministerpräsidentin Malu Dreyer zum neuen Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie ernannt. Für Dreyer war Schweitzers Ernennung die erste offizielle Amtshandlung. Der 39-jährige Bad Bergzaberner, versiert auf dem politischen Parkett, beherrscht, aber schon mal scharfkantig-entschieden im Schlagabtausch mit dem politischen Gegner, war an diesem Tag tatsächlich im Vorfeld ein wenig „aufgeregt“, wie er verlauten ließ.

Der eigentliche Akt war schnell vorüber – Malu Dreyer ernannte den neuen Minister und überreichte die Urkunde. Schweitzer waren die Emotionen ins Gesicht geschrieben – auch für den geübten Polit-Profi war dieser Tag keiner wie jeder andere.

Seinen neues Büro nahm Schweitzer wenig später in Besitz – es wurde ihm von Amtsvorgängerin Dreyer offiziell übergeben. Überraschend bescheiden mutet der Arbeitsplatz des Ministers an: Kleines Vorzimmer, überschaubarer Schreibtisch, „übersichtlicher“ Konferenztisch.

Der neue Minister war von 2009 bis 2011 Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium. Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr wurde er Generalsekretär der Landes-SPD. Schweitzer ist verheiratet und lebt mit seiner Frau Barbara und drei Kindern in Bad Bergzabern im Landkreis Südliche Weinstraße. Er wolle als Minister das Thema soziale Gerechtigkeit zu seinem Schwerpunkt machen, betonte Alexander Schweitzer. Und da der Südpfälzer ein häufiger Nutzer der sozialen Netzwerke ist, twitterte er: „Abschied, Neubeginn, Kontinuität, viele Emotionen. Der Tag hatte alles. Danke für die vielen guten Wünsche!“

Festakt und „Kleiner Zapfenstreich“

Mit einer feierlichen Serenade, dem sogenannten „Kleinen Zapfenstreich“, verabschiedete die Bundeswehr den scheidenden Ministerpräsidenten Kurt Beck – unter anderem mit dem „Jäger aus Kurpfalz“, dem „Mosel-Marsch“ und natürlich der Nationalhymne. Auch eine musikalische Abordnung der US-Army war vor Ort und setze mit „Rock around the Clock und anderen mitreißenden, teils jazzigen Melodien einen Kontrapunkt zum eher getragenen Klang des Heeresmusikkorps 300.

Ausklang des Tages bildete ein Stehempfang in den Räumen der Staatskanzlei. (cli/desa)

 

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