Donnerstag, 10. Oktober 2024

Geflüchtete im Landauer Boardinghouse: Schafft Bürgerinfoveranstaltung mehr Vertrauen?

19. September 2024 | Kategorie: Landau, Regional, Regional

Das Gebäude in der Industriestraße 10 ist bezugsfertig.
Quelle: Stadt Landau

Landau. Jeden Tag fliehen Menschen vor Krieg, Gewalt und Unterdrückung, auch nach Landau. Wegen der aktuellen und prognostizierten Geflüchtetenzahlen bleibt die Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten in der Stadt weiterhin aktuell.

Wie bisher steht die dezentrale Unterbringung der Menschen im Stadtgebiet im Vordergrund, auch wenn es laut Verwaltung nicht möglich ist, alle Schutzsuchenden in angemieteten Wohnungen unterzubringen.

Nun hat der Stadtrat beschlossen, ein bezugsfertiges Gebäude, das sogenannte Boardinghouse in der Industriestraße 10, für 7,3 Millionen Euro zu erwerben, um mit der dort vorhandenen großen Zahl einzelner, kleiner Apartments eine gute Unterbringung geflüchteter Menschen zu ermöglichen. Zudem erwirbt die Stadt in guter Lage eine Immobilie, um den städtischen Wohnungsbestand zu erweitern.

Der Stadtvorstand lädt alle Interessierten zu einer Informationsveranstaltung ein. Diese findet am Montag, 30. September, um 18 Uhr im Pfarrheim Heilig Kreuz, Augustinergasse 1 in Landau statt. Gemeinsam mit Vertretern der Verwaltung wird das Vorhaben vorgestellt und Raum für Anliegen und Fragen geschaffen.

In einem persönlichen Einladungsschreiben lädt Oberbürgermeister Dominik Geißler (CDU) die Nachbarschaft um das erworbene Gebäude zur Flüchtlingsunterbringung besonders ein: „Die Unterbringung Schutzsuchender ist unsere humanitäre Verantwortung. Wir nehmen die Fragen und Sorgen der Bürger sehr ernst und freuen uns, wenn viele der Einladung zur Informationsveranstaltung folgen. Wie schon in der Vergangenheit wollen wir die Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung als Gemeinschaftsaufgabe angehen“, so der Oberbürgermeister.

Die Stadt ist damit unter anderem den Vorschlägen der Stadtratsfraktionen der Grünen und der SPD gefolgt, die mehr und schnellere Bürgerbeteiligungen gefordert hatten.

Die beiden Grünen-Fraktionsvorsitzenden Lea Saßnowski und Lea Heidbreder:

„Es wird in den nächsten Monaten und Jahren absehbar Menschen geben, die vor Krieg und Terror fliehen und zu uns kommen. Mit dem Kauf des Boarding Houses haben wir die Chance „vor die Lage“ zu kommen und müssen bei steigenden Zahlen von Geflüchteten und Asylsuchenden nicht kurzfristig eine Zeltstadt aufbauen oder Turnhalle nutzen. Wir investieren damit in ein Gebäude, das auch langfristig für andere soziale Wohnprojekte nutzbar ist – denkbar ist, diese Zimmer eines Tages auch an Azubis oder Studierende zu vermieten.

Die Unterbringung, so beengt es sich auf den ersten Blick anhört, ist eine Erleichterung. Sie bietet Rückzugsmöglichkeiten, Privatsphäre, die Möglichkeit in Ruhe zu duschen, Essen zuzubereiten oder sich einfach nur mal auf dem eigenen Zimmer einen Tee zu kochen. Im Gegensatz zu anderen Unterkünften kann so manch eine Konfliktsituation entschärft werden. Weiterhin bleibt das Ziel, möglichst viele Menschen dezentral unterzubringen, wie die Stadt es derzeit auch zu einem Großteil umsetzt. 

Einige Anwohner haben in den letzten Tagen Bedenken zum Kauf des Boarding Houses geäußert. Hier erwarten wir vom Oberbürgermeister, dass diese gut eingebunden und informiert werden. Eine frühzeitige Beteiligung wäre richtig gewesen und hätte Fragen und Bedenken im Vorfeld besser auffangen können. Es wird wichtig sein, nicht nur zu informieren, sondern auch Lösungen z.B. für die Frage nach Gemeinschaftsräume zu finden, um die Situation vor Ort für alle zu entspannen.“

SPD-Fraktion: „Es muss ein gutes Sozialkonzept geben“

Und auch die SPD-Fraktion machte Druck: Die Stadt müsse schnellstmöglich auf Anwohner zugehen, so Florian Maier und Paule Albrecht, Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, in einem Pressestatement.

Die SPD-Stadtratsfraktion unterstütze den Kauf des Boardinghouses und sehe die Notwendigkeit, dort Geflüchtete unterzubringen, so Maier und Albrecht. Aus ihrer Sicht sei die von der Verwaltung vorgeschlagene Lösung nachvollziehbar berechnet und das Gebäude nachvollziehbar bewertet. Maier und Albrecht riefen die Verwaltung dazu auf, sich „schnellstmöglich mit den Anwohnern zu treffen“ und Maßnahmen zu erarbeiten, „die für mehr Akzeptanz sorgen und gleichzeitig den Geflüchteten das Leben in der Unterkunft erleichtern werden“.

Auch wenn der Ankauf des Boardinghouses aktuell alternativlos sei, bringe die Architektur des Boardinghouses mit eher kleinen Zimmern und keinen Sozialräumen Herausforderungen mit sich für das dauerhafte Leben in dieser Unterkunft.

Es sei deshalb wichtig, dass es ein gutes Sozialkonzept bzw. eine gute soziale Betreuung im Boardinghouse geben werde, um den Geflüchteten das Leben dort zu erleichtern und Konflikten vorzubeugen, erklärt Paule Albrecht.

Florian Maier erinnert an einen vergleichbaren Fall in Dammheim: „Anfang 2016 waren wir in einer ähnlichen Situation, als die Stadt das ehemalige Gasthaus „Zum Schwanen“ in Dammheim angemietet hatte, um es als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Nach Protesten aus der Bürgerschaft gab es einen Kompromiss zwischen der Stadtspitze und dem damaligen Ortsbeirat, der unter anderem eine Reduzierung der ursprünglich angedachten Belegungszahlen und eine dauerhafte Betreuung durch einen Hausmeister vorsah.

Das Konzept wurde bei einer Bürgerversammlung vom damaligen Oberbürgermeister und Sozialdezernenten Thomas Hirsch, dem Leiter der Polizeidienststelle und mir selbst als Ortsvorsteher vorgestellt. Dass man auf die Bürger zugegangen ist und sich mit den Ängsten und Sorgen auseinandergesetzt hat, hat in den darauffolgenden Jahren dabei geholfen, in Summe gut mit der Situation umzugehen.“

„Zuschriften zeigen uns, dass sich einige Nachbarn des Boardinghouses Sorgen über die Situation machen. Um die Situation zu entschärfen, ist es unumgänglich, dass die Stadtspitze (Oberbürgermeister, Sozialdezernentin) die heute vom Oberbürgermeister angekündigte ausführliche Bürgerbeteiligung so schnell wie möglich auf den Weg bringt, um gangbare Wege zu suchen.

Vielleicht wäre es zum Beispiel möglich, mit einem Wanddurchbruch für einen Aufenthaltsraum zu sorgen und so die Belegungszahlen leicht nach unten zu verringern“, so Maier und Albrecht.

Es gibt aber auch Gegenstimmen: Bernd Schattner, Bundestagsabgeordneter der AfD im Kreis Südliche-Weinstraße

„Herr Geißler scheint an Qualifikationen außer „Sohn von Heiner Geißler“ nicht viele weitere Kompetenzen als Stadtoberhaupt mitzubringen. Anders kann ich mir diese absolut laienhafte Schönrechnung dieses „Billigbaus“, wie das Gebäude von einem Gutachter beschrieben wird, nicht erklären. Ein Gebäude, welches von Immobilienexperten auf maximal 2,8 bis 3,2 Mio. Euro geschätzt wird, soll hier für 7 Mio. plus 300.000 Euro Nebenkosten auf Kosten des Steuerzahlers erworben werden.

Wobei die Inneneinrichtung einen Wert von 1,5 Mio. Euro haben soll. Jeder der sich Bilder der Boardinghaus-Einrichtung angesehen hat, kann hier nur verwundert den Kopf schütteln. Zudem wurde ein Ertragsgutachten erstellt, das von einer 80-prozentigen Auslastung der Übernachtungsangebote ausgeht, was ebenfalls völlig an der Realität vorbei geht. Das alles mit dem Hintergrund einer mehr als klammen Stadtkasse, denn dort fehlen bereits 15 Mio. Euro im aktuellen Haushalt!“

Hier müsse man sich schon fragen, wer Nutznießer „dieser absoluten Mondpreise“ sei, so Schattner.

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