Fristlose Kündigung nach Missbrauchs-Skandal: Linke und Freie Wähler Kandel kritisieren Umgang mit Kita-Leiterin

3. August 2021 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional

Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

Kandel – Die Sprecher der Linken und Freien Wähler in Kandel, Achim Eich und Ludwig Pfanger, über öffentlich scharfe Kritik am Vorgehen der Stadt im Fall der entlassenen Leiterin der Kindertagesstätte „Am Wasserturm“. 

Als im letzten Jahr Missbrauchsvorwürfe gegen einen Erzieher der Kita laut wurden, hatte die Stadt der Leiterin das Arbeitsverhältnis aufgekündigt mit dem Vorwurf, sie habe die Kinder nicht genügend geschützt. Die Kita-Leiterin zog vors Gericht und bekam Recht – gleich zwei Mal, in erster Instanz vom Arbeitsgericht in Landau und später vom Landesarbeitsgericht in Mainz. Die Kita-Leiterin habe sofort den gesetzlichen und von der Verwaltung vorgeschriebenen „Informations- und Reaktionsweg“ eingehalten, so das Arbeitsgericht Landau. Der Erzieher wurde vom Landgericht Landau zu vier Jahren Haft verurteilt – wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 15 Fällen. Wie erst später bekannt wurde, gab es bereits Jahre zuvor in einer Kita in Wörth ähnliche Vorfälle. Wegen der Unbestimmtheit der Vorwürfe erstattete damals niemand Anzeige. So kam es, dass sich der Mann weiterhin bewerben konnte.

„Kita-Leiterin ist Bauernopfer“

„Die langjährige Leiterin der städtischen KITA am Wasserturm wurde als Bauernopfer auserkoren“, sagen die Linke und die Freien Wähler in Kandel. „Es wurde ihr von Ihrem Arbeitgeber, der Stadt Kandel Fehlverhalten im Umgang mit dem Meldewesen unterstellt und Ihre Stellung sowie Ihre Position im Personalrat der Stadt Kandel fristlos gekündigt.“

Volker Blatsch (Fraktion DIE LINKE in Kandel) und Ludwig Pfanger (Fraktion Freie Wähler) werfen Stadtbürgermeister Michael Niedermeier (CDU) und dem geschäftsführenden Beamten der Verwaltung vor, den „Informationsfluss von Beginn an gekappt und bewusst ausgeschlossen“ zu haben.

„Zum Zeitpunkt der Kündigung war von allen Mandatsträgern der Stadt Kandel davon auszugehen, dass die Verantwortlichen der Stadtspitze in Kandel alle Fakten und Sachstände seriös verifizieren. Selbst für die Desinformationslage konnte zum damaligen Zeitpunkt ein gewisses Grundverständnis erbracht werden. Personalangelegenheiten sind in Verbindung zu den Vorkommnissen durchaus delikat und gegenüber der Öffentlichkeit vorsichtig zu steuern“, so Blatsch und Pfanger.

Nachdem in erster Instanz die fristlose Kündigung durch die Stadt Kandel als unrechtsmäßig entschieden und die Verpflichtung zur Wiedereinstellung der KITA-Leiterin erwirkt worden war, hätte sich die Stadt  der erstinstanzlichen Rechtsprechung beugen müssen, meinen Blatsch und Pfanger. „Weit gefehlt! Bereits damals wurde eine neue KITA-Leiterin am Wasserturm beschäftigt. Zunächst befristet.“

Die Stadt ging jedoch in die nächste Instanz. Die Hinweise der behördlichen Rechtshilfe (kommunaler Arbeitgeberverband) zu den Erfolgssausichten in zweiter Instanz seien vom Stadtbürgermeister und seinem Team aus Verwaltung und Beigeordneten bewusst ignoriert worden. Linke und FWG werfen „Starrsinnigkeit und die eigene Selbstüberschätzung dieser Protagonisten“ vor. „Ein privater Anwalt sollte den Karren aus dem Dreck ziehen. Die Frage nach dessen strategischer Ausrichtung sowie dessen Rechtskompetenz mit Blick auf die Erfolgsaussichten ist an dieser Stelle ebenso fragwürdig.“ Die Fraktionen Die Linke und die Freien Wähler haben im Stadtrat gegen diese Entscheidung votiert.

In zweiter Instanz verliert die Stadt Kandel erneut. „Nun wäre eine öffentliche Stellungnahme des Bürgermeisters das Mindeste gewesen. Falsche Entscheidungen müssen jedem zugestanden werden. Einen Fehler zweimal zu machen ist unverantwortlich und der Bürgerschaft nicht vermittelbar.“

Die Stelle der neuen KITA-Leiterin wurde unterdessen für unbefristet erklärt, was Linke und FWG weiter auf die Palme bringt. Der ehemaligen Leiterin bietet man nun vorbereitende Tätigkeiten für die neue, noch zu bauende KITA in der Pestalozzistraße an (Spatenstich war Ende Mai 2021).

Blatsch und Pfanger: „Ergo … man hat jetzt 3 KITA-Leiterinnen für 2 städtische KITAS in Kandel (…). Muss eine langjährige KITA-Leiterin zum jetzigen Zeitpunkt immer noch das gebrandmarkte Opfer sein? Muss diese Leiterin, die zudem dem Personalrat der Stadt Kandel angehörte einen Stempel auf Lebenszeit bekommen? Muss deren gesamte Familie darunter leiden? Geht man so mit einer langjährigen Mitarbeiterin um?“

Zwei Gerichtskammern hätten der KITA-Leiterin recht gegeben. „Es wurde ihr kein Versäumnis bzw. Fehlverhalten attestiert. Sie ist vollumfänglich rehabilitiert. Ihre Reputation ist unangefochten. Ihre berufliche Vita wurde durch die Stadt Kandel respektlos und dauerhaft beschädigt.“ Die Stadtspitze zeige indes keinerlei Einsicht.

Die Fraktionen Die Linke in Kandel und die Freien Wähler seien „entsetzt“ über diese Geschehnisse. Neben der Brandmarkung der KITA-Leiterin würden die Fehlentscheidungen der Stadtspitze die Kandeler Steuerzahler einen sechsstelligen Betrag kosten. „Und das bei leeren Kassen.“

Zudem habe die fristlose Kündigung der KITA-Leiterin für „extreme Verunsicherung für den gesamten Berufstand der Erzieher/innen gesorgt“, sagen Blatsch und Pfanger. „Selbst nach der gerichtlichen Aufbereitung und der damit verbundenen Rehabilitation, ist durch die Stadt Kandel eine marginale Grenze überschritten worden. Gerade im Zusammenhang mit dem immens sensiblen Thema Kindesmissbrauch hat die Stadt Kandel als KITA-Träger vollständig versagt. In einer Zeit, in der die Betreuung von Kindern pandemie-bedingt schwerer als je zuvor ist, müsste dieser Berufstand gezielt pro-aktiv unterstützt und besonders von Politik und Verwaltung protegiert werden.“

Niedermeier solle sich entschuldigen und lückenlose Aufklärung betreiben, fordern Linke und FWG. Entsprechende Anträge für die Stadtratssitzungen nach der Sommerpause seien bereits in Vorbereitung.

Auf Anfrage des Pfalz-Express wollte sich Stadtbürgermeister Niedermeier aus verschiedenen Gründen vorerst nicht äußern. (red/cli)

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