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CDU verabschiedet „Mainzer Erklärung“ zu kommunalen Finanzen – SPD: CDU spaltet Land

19. März 2014 | Kategorie: Allgemein, Politik Rheinland-Pfalz

Julia Klöckner , CDU-Fraktionsvorsitzende Rheinland-Pfalz.
Foto: pfalz-express.de/ Licht

Rheinland-Pfalz – In einer gemeinsamen Erklärung haben die Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Julia Klöckner, und die Landräte der CDU-geführten Kreise die Kommunalpolitik der Landesregierung heftig kritisiert.

Die mangelnde Finanzausstattung und die Zuweisung immer neuer Aufgaben von Seiten des Landes ohne angemessene Gegenfinanzierung machten es immer schwieriger, vor Ort Politik aktiv zu gestalten. Es sei deutlich geworden, dass die betroffenen Kommunen und die CDU-Landtagsfraktion im Hinblick auf die Sorgen und Nöte der Kommunen mit einer Stimme sprächen.

In einem Meinungsaustausch hatten zuvor die Themen Kreisfinanzen, die Kita-Finanzierung, die Inklusion und die Zukunft der Kommunal- und Verwaltungsreform auf der Tagesordnung gestanden.

(Erklärung im Wortlaut unten)

Noss/Wansch: Kommunen nicht in die Irre führen

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Innen und Infrastruktur, Hans Jürgen Noss, und der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Wansch, nehmen dazu Stellung:

„Neben einer ganzen Reihe von sich eindeutig widersprechenden Aussagen ist der CDU in ihrer „Mainzer Erklärung“ außer einem neuen vollmundigen Etikett für alte Unwahrheiten und Vereinseitigungen nichts Neues zur Situation der Kommunen eingefallen. Im anhebenden Kommunalwahlkampf geht es der CDU offenbar darum, jede Erwartung zu zerstreuen, von ihr könnte ein konstruktiver Beitrag im Interesse der Kommunen in Rheinland-Pfalz gemacht werden.

Die Finanzsituation der Kommunen wird sich bereits in diesem Jahr spürbar verbessern. Über den Kommunalen Finanzausgleich erhalten die Kommunen in 2014 im Vergleich zu 2013 netto 190 Mio. Euro mehr. Die Zeichen stehen vor allem deshalb gut, dass die Städte und Gemeinden als Gesamtheit in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten einen positiven Finanzierungssaldo erreichen werden.

Bis 2016 wird der Zuwachs im Kommunalen Finanzausgleich ca. 500 Mio. Euro gegenüber 2013 betragen. Zugleich wird durch die Reform des Finanzausgleichs eine Entlastung der von Sozialausgaben besonders betroffenen Städte und Landkreise erreicht, die wachsenden Mittel werden also gerechter verteilt. Dass die Kommunen ihre Realsteuereinnahmen durch Hebesatzanpassungen verbessern, wobei die Hebesätze aber weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt liegen, ist ebenfalls unserer Reform zu verdanken.

Anstatt die Erfolge der rot-grünen Koalition bei der Verbesserung der Kommunalfinanzen zu ignorieren, täte die CDU besser daran, ihren – so er denn besteht – Einfluss auf die Bundespolitik geltend zu machen, damit die Kommunen schnell die versprochene Entlastung bei der Eingliederungshilfe erhalten – ca. 200 Mio. Euro gehen ihnen hier Jahr für Jahr durch die Lappen, ohne das die CDU das einer Erwähnung wert findet.

Auch die derzeit üppig sprudelnden Steuereinnahmen führen bei den CDU-geführten Landkreisen offenbar nicht dazu, dass man sich auch auf die eigene finanz- und haushaltspolitische Verantwortung besinnt, vielmehr wird immer wieder das gleiche Lied angestimmt, ganz gleich, wie die Rahmenbedingungen sich verändert haben mögen. Wer hier ein rein parteipolitisches Interesse vermutet und die Orientierung an der Sache vermisst, wird schnell fündig.“

Auch die Kritik an der Inklusionspolitik weisen Noss und Wansch zurück: „Nicht das Land hat die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention unterschrieben, sondern die Bundesrepublik als Ganzes hat die Umsetzung beschlossen. Es wäre neu, wenn die Ratifizierung einer UN-Konvention einen Handlungsauftrag ausschließlich den Ländern überträgt und Bund oder Kommunen außen vor ließe.“

Im Übrigen werde Rheinland-Pfalz die Inklusion nicht übers Knie brechen, sondern stelle den Willen der Eltern in den Vordergrund. „Bis 2016 sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um 40 Prozent der Kinder mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, an einer Schwerpunktschule unterrichtet zu werden. Über die Inanspruchnahme entscheiden die Eltern selbst. Baumaßnahmen der Schulträger werden wie bisher auch über das Schulbauprogramm des Landes gefördert“, stellen Noss und Wansch klar.

Den Ausbau des Bildungs- und Betreuungsangebots für unter Dreijährige bezeichnen die SPD-Politiker als nationale Aufgabe. „Daher war es folgerichtig, dass der Bund in den vergangenen Jahren 130 Mio. Euro für die Investition in Gebäude für die U3-Betreuung zur Verfügung gestellt hat. Daraus abzuleiten, das Land engagiere sich nicht bei dem Ausbau des Angebots ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“, so Hans Jürgen Noss und Thomas Wansch.

Von 2008 bis Ende 2015 werde das Land 3,1 Milliarden Euro in die rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten investiert haben – sowohl in Personal, als auch in Gebäude. Im laufenden Doppelhaushalt stünden davon allein 1 Milliarde Euro zur Verfügung.

„Der Appell zu einem gemeinsamen Versuch, im Rahmen einer zweiten Stufe der Kommunal- und Verwaltungsreform auch Verwaltungsstrukturen insgesamt in den Blick zu nehmen, treffen bei uns selbstverständlich auf offene Ohren. Man mag uns aber die Skepsis angesichts des Verhaltens der CDU im Rahmen der ersten Stufe verzeihen, bei der nämlich Stimmen von eigenen betroffenen Kommunalvertretern vor Ort, die der Reform positive Aspekte abgewinnen konnten, aufgrund der Gesamtstrategie zurückstecken mussten und wieder alles umfassend schlecht gemacht wurde.

Anstatt die gesamte – falls vorhandene – Innovationskraft in das Schlechtreden der rot-grünen Landesregierung zu stecken, sollte die Union vielleicht auch einmal in tatsächliche Sacharbeit und konstruktive Vorschläge investieren. Die CDU wird hier ihrer inzwischen reichlich bekannten Rolle wieder einmal gerecht.

Sie übt inhaltlich falsche Kritik in einem Rundumschlag, der das Land und die Menschen spaltet, anstatt sie zusammen zu führen. Erfolgreiche Politik für Rheinland-Pfalz sieht anders aus“, erklären Hans Jürgen Noss und Thomas Wansch.

Die Erklärung im Wortlaut:

„Wir fordern im Interesse einer nachhaltigen Politik für die Bürger vor Ort endlich den völlig unzulänglichen Kommunalen Finanzausgleich so zu reformieren, das er dem Urteil des Verfassungsgerichts entspricht.

Wir begrüßen deshalb die erneuten Klagen ausgewählter Kommunen im Namen der kommunalen Familie gegen das Land. Denn die Landesregierung versucht die Landesebene seit mehr als 20 Jahren auf Kosten der Kommunen zu entlasten.

Die massive Unterfinanzierung der Kommunen wird durch eine Bereitstellung von nur 50 Millionen Euro an neuem Landesgeld vor dem Hintergrund immer neuer Belastungen kaum gemildert. Angesichts einer Pro-Kopf-Verschuldung von nahezu 3 000 Euro, die um fast 70 Prozent über dem Durchschnitt der kommunalen Schulden der anderen Flächenländer liegt, einem Kassenkreditvolumen von 6,3 Milliarden Euro und einer gutachterlich ermittelten strukturellen Deckungslücke von rund 900 Millionen Euro pro Jahr ist es abenteuerlich, von einer ausreichenden Finanzausstattung der rheinland-pfälzischen Kommunen zu sprechen. Die größten finanziellen Probleme in Rheinland-Pfalz sind vom Land hausgemacht.

Die Eigenbeteiligung des Landes am U3-Ausbau und der Kita-Finanzierung sowie bei der Umsetzung der Inklusion ist völlig unzureichend. Durch die Inklusion entstehen den Landkreisen als Schulträgern immense zusätzliche Kosten – die vom Land vorgesehene zusätzliche Ausstattung der Schulen, die Bereitstellung von Fach- und Therapieräumen, die Einstellung von Fachpersonal und auch die Neuorganisation der Schülerbeförderung wird enorme Mehrkosten mit sich bringen.

Das Land hat diesen Kurs beschlossen, das Land muss dann auch für alle zusätzlichen Kosten aufkommen. Diese neuen Aufgabenfelder müssen vom Auftraggeber, dem Land, getragen werden. Gutachten renommierter Juristen, die in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben worden sind, sollten der rot-grünen Landesregierung eine Mahnung sein. Dass der Gesetzentwurf des Landes zur Inklusion aber Mehrbelastungen bestreitet, zeugt von unverantwortlicher Wahrnehmungsstörung.

Übereinstimmend fordern wir auch einen Neustart der Kommunal- und Verwaltungsreform. Eine Reform führt nur dann zum Ziel, wenn sie alle Ebenen umfasst. Gefordert sind klare und einfache Strukturen, die für Transparenz und zweifelsfreie Verantwortlichkeit sorgen. Dabei sollen alle Vollzugsaufgaben kommunalisiert werden. Kommunaler Aufgabenwahrnehmung ist grundsätzlich

Vorrang vor staatlicher Aufgabenwahrnehmung zu geben. Dazu brauchen wir eine so genannte Beweislastumkehr. Nur wenn  die Landesebene nachweisen kann, dass eine kommunale Aufgabenwahrnehmung nicht möglich ist, soll diese an höherer Stelle erledigt werden.“

 Die Unterzeichner

Julia Klöckner CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag Rheinland-Pfalz

Michael Lieber, Landkreis Altenkirchen

Achim Schwickert, Westerwaldkreis

Dr. Jürgen Pföhler, Landkreis Ahrweiler

Dr. Alexander Saftig, Landkreis Mayen-Koblenz

Bertram Fleck, Rhein-Hunsrück-Kreis

Manfred Schnur, Kreis Cochem-Zell

Gregor Eibes, Kreis Bernkastel-Wittlich

Günther Schartz, Kreis Trier-Saarburg

Franz-Josef Diel, Kreis Bad Kreuznach

Dr. Matthias Schneider, Kreis Birkenfeld

Dr. Fritz Brechtel, Kreis Germersheim

Hans-Ulrich Ihlenfeld, Kreis Bad Dürkheim

Paul Junker, Kreis Kaiserslautern

Hans-Jörg Duppré, Kreis Südwestpfalz

Clemens Körner, Rhein-Pfalz-Kreises

 

 

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