
Steffen Weiß
Foto: v. privat
Am Sonntag, 12. November 2023, wird in der Stadt Wörth der neue hauptamtliche Bürgermeister gewählt.
Der Pfalz-Express hat allen Kandidaten dieselben Fragen gestellt. Hier sind die Antworten von Steffen Weiß (FWG).
PEX: Warum möchten Sie Bürgermeister werden, was bewegt Sie zur Kandidatur?
Nach der letzten Wahl vor 7-8 Jahren war ich zuversichtlich, dass sich Wörth auf einem gesunden Niveau weiterentwickeln kann. Ich habe mich auf einen konstruktiven Umgang in der lokalen Politik und eine Aufbruchstimmung gefreut, die einfach nach einer so langen Amtszeit wie der von Harald Seiter notwendig ist oder gewesen wäre.
Auch wenn viele Projekte gestartet wurden, viele Fördergelder erschlossen werden konnten, so wurde davon wenig Greifbares zu Ende gebracht oder richtig sichtbar umgesetzt. Ein Leuchtturm nach dem nächsten wurde entworfen, wir waren angeblich immer irgendwo „die Ersten“, „die Besten“ und „die Tollsten“.
Gleichzeitig haben wir uns im Kreis Germersheim isoliert. Alles Mögliche soll immer wieder beim Kreis eingeklagt werden. Wörth ist längst nicht mehr der „allseits respektierte, wenn auch nicht sonderlich gemochte Klassenprimus im Kreis“ wie es unter Harald Seiter war. Die Stadt Wörth ist der ungeliebte Streber geworden, der andere auch mal beim „Lehrer“ in Germersheim oder der „Schulleitung“ in Mainz anschwärzt. „Wir“ mischen uns bei Themen in anderen Kommunen ein, etwa beim Baggerseeparken in Neuburg – obwohl es uns nichts angeht.
Was ich möchte: Weg von diesem „schneller, höher, weiter“, hin zu mehr Lebensqualität für die Einwohner aller vier Ortsbezirke. Was Hagenbach mit dem Ludwigsmarkt oder Jockgrim mit dem Hinterstädtelfest oder dem Knuspermarkt auf die Beine stellen, wünschen sich viele Leute auch in unserer Stadt.
Doch statt zentraler Impulse und Hilfestellung aus dem Rathaus werden u.a. Fasnachtsumzüge und Weihnachtsmärkte proaktiv verhindert oder Schaustellern die Teilnahme an der Kerwe erschwert.
Ich möchte mehr Miteinander statt Gegeneinander: in den städtischen Gremien, innerhalb der Bürgerschaft, in den Ortsbezirken, aber auch mit unseren Nachbargemeinden und dem Kreis.
Und ich möchte keine stramme „Bürgermeister-Agenda“ durchsetzen, sondern unter Einbindung des Stadtrates, der Ortsvorsteher und der Ortsbeiräte eine „Bürger-Agenda“ aufstellen und umsetzen.
Und natürlich gibt es eine ganze Reihe von begonnenen Projekten, die weitergeführt und bisweilen in die richtigen Bahnen gelenkt werden müssen.
Beschreiben Sie einem Fremden Ihre Stadt mit maximal drei Sätzen…
Eine liebenswerte Kleinstadt auf der etwas schöneren Rheinseite, die ohne die Landesgrenze in der Mitte des Flusses sicher längst Teil von Karlsruhe wäre, aber dann vermutlich wenigstens über eine leistungsfähige rheinquerende Verkehrsinfrastruktur verfügen würde.
Unsere Stadt besteht aus vier Ortsbezirken, die völlig unterschiedlich sind, aber genau das macht unsere Stadt aus: Viehstrich, Bienwald, Rhein, Industrie – welche andere Kommune ist schon so breit aufgestellt?
Was ist Ihnen eine Herzensangelegenheit, die Sie als Bürgermeister als Erstes umsetzen würden?
Gelebte ehrliche, offene und transparente Kommunikation. Am liebsten möchte ich gleich am Montag, 1.7.2024 (Beginn der Amtszeit), das Rathaus für Bürger und Besucher geschlossen halten, eine Personalversammlung und Gespräche mit den Abteilungsleitern führen und am 2.7. dann mit Mitarbeitern der Verwaltung öffnen, die hoffentlich sehen, dass es ein ehrliches und aufrichtiges Interesse gibt, am „Klimawandel“ aktiv zu arbeiten und das dann auch transportieren können.
Die derzeitige Wahrnehmung der Verwaltung als „Bürgerschreck“ ist nicht das, was die Beschäftigten dort sein wollen und ihnen auch nicht wirklich gerecht wird.
Die darauffolgenden drei Vorhaben sind…?
- Einen Jugendstadtrat in die Hauptsatzung schreiben und wählen lassen, nicht acht Jahre nur davon reden – die jungen Menschen in unserer Stadt sind die Zukunft und sollen mehr Gehör bekommen!
2. Eine Einwohnerversammlung in jedem Ortsbezirk noch in 2024 durchführen und dabei vor allem zuhören und hinhören.
3. Ein Durchforsten des Schilderwaldes in der Stadt. Ich sehe da locker 30% weniger Verkehrszeichen, dafür die richtigen an den richtigen Stellen.
Sofern oben noch nicht beantwortet: Hohe Energiepreise, Klimawandel, teures Wohnen: Welche konkreten Maßnahmen würden Sie auf Stadtebene anstoßen?
Wir sind als Kommune sowieso noch in der Pflicht, eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen und vorzulegen, bei der Photovoltaik haben wir noch einige kommunale Dächer ungenutzt. Und wir müssen auch Menschen in Mietwohnungen die vorhandenen Wege aufzeigen, wie sie sich bei der Erzeugung erneuerbarer Energien selbst einbringen und natürlich auch sparen oder gar mitverdienen können.
Wir haben Wohnraumbedarf, keine Frage. Ich warne aber vor „1.000 neuen Wohnungen“, noch dazu stark konzentriert auf dem Dorschberg. Die Verkehrsinfrastruktur dort verkraftet das nicht, weder auf der Straße, noch der Schiene, außerdem bräuchten wir viele weitere Kitas und Grundschulen – das koste Zeit und viel Geld.
Junge Familien mit handwerklichem Geschick und guten Freunden sprechen mich an und suchen Altimmobilien, um sie zu sanieren. Diese Immobilien nimmt in den letzten Jahren aber meist die Stadt vom Markt.
Ich möchte bei angestoßenen Projekten darauf hinwirken, dass wir Bestandsbäume in den Ortslagen möglichst erhalten. Zehn große Bäume fällen, um dann 30 oder auch 80 neue zu pflanzen, mag sich gut anhören, ist es aber nicht.
Bei dem Geothermieprojekt zusammen mit Daimler und der EnBW waren und sind wir Freien Wähler vorsichtig und zurückhaltend. Natürlich wurde vor 15 Jahren durch eine gewisse „Goldgräberstimmung“ in der Südpfalz viel Vertrauen beim Thema Geothermie verspielt. Aber das waren andere Unternehmen, die im Falle von Schäden einfach die Region verlassen hätten. Das wird weder bei Daimler Truck noch bei der EnBW passieren. Und ich halte es am Ende durchaus für wichtig, als Kommune „mit am Tisch zu sitzen“ – auch das war vor 15 Jahren anders, die Stadt war zum Zuschauen verdammt.
Und nicht zuletzt wurde die Beweislast für mögliche Schäden durch Erkundungsbohrung und Betrieb umgekehrt. Auch durch aktives Mitwirken der Bürgerinitiative „Schaidt aktiv“ aus unserer Stadt.
Stichwort Finanzen: Was tun Sie als Bürgermeister, um die Finanzlage der Stadt zu verbessern?
Ich möchte nicht an der Steuerschraube drehen, nur weil das Land das vorgibt, und Gewerbesteuermillionen hinterherrennen, die am Ende doch wieder nur unsere Kreisumlage erhöhen. Ich möchte vor allem an die Kostenseite ran.
Neben den großen Posten im Haushalt und auf der „Wunschliste“ gibt es da viele kleinere Punkte.
Wir kaufen Häuser zur Innenortentwicklung, lassen sie dann viel zu teuer abreißen. Wir stellen einfach mal Verkehrszeichen auf, müssen dann aber nachbessern, was den doppelten und dreifachen Personaleinsatz bedeutet. Da gibt es unzählige Beispiele, die mir Menschen in vielen Gespräche ungläubig schildern.
Ich glaube auch, wenn wir als Stadt ein besseres Verhältnis zu unseren Bürgern bekommen, geht da vieles Hand in Hand. Das Gießen von Bäumen, Patenschaftspflege von kleineren Grünflächen analog zu den Bachpatenschaften, Verschönerungsarbeiten auf unseren Spielplätzen. Die Menschen in unserer Stadt sind grundsätzlich bereit dazu, ich verstehe aber auch, warum Anwohner zum Beispiel im Abtswald C in Wörth oder in Büchelberg da eher „zurückhaltend“ sind. Auch hier geht es darum, wieder Vertrauen aufzubauen.
Und wenn wir das Ganzjahresbad nicht stemmen können, gibt es eben ein kleines funktionelles Bad und wir gestalten einen unserer zahlreichen Baggerseen mit mehr Aufenthaltsqualität.
Wen würden Sie gerne einmal treffen und warum?
Den früheren Wörther Bürgermeister und „Stadtgründer“ Karl-Josef Stöffler. Ich möchte ihn fragen, ob seine Nachfolger die Stadt in seinem Sinne weiterentwickelt haben oder wo er Korrekturen vornehmen würde. Aus alten Aufzeichnungen und den Chroniken der Ortsteile sowie vielen Erzählungen halte ich ihn für eine beeindruckende Persönlichkeit.
Ich wäre als Bürgermeister ja der erste gebürtige Pfälzer seit seiner Amtszeit. Noch dazu ist er aus der selben Generation wie mein Großvater, der gar nicht weit weg, in Minfeld, aufgewachsen ist, der aber leider schon vor meiner Geburt verstorben ist. Gespräche mit Zeitzeugen der dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte sind regelmäßig mitreißend und bedrückend gleichermaßen.
Was möchten Sie den Bürgern der Stadt ohne konkrete Fragestellung unsererseits noch mitteilen?
Ich stehe zu dem gemeinsamen Beschluss im Stadtrat zum Ganzjahresbad. Und ich gehe auch den gemeinsam beschlossenen Weg bei der Entwicklung des Schauffelegeländes mit. Beides aber nicht um jeden Preis. Schulen und Vereine brauchen eine leistungs- und wettbewerbsfähige Infrastruktur. Und das sind die Anlagen in Wörth weder hinsichtlich der Sanitärbereiche noch der Sportflächen.
Auch hier müssen wir zusammen mit dem Kreis als Träger der weiterführenden Schulen agieren, nicht die Konfrontation suchen. Wir haben genügend bestehende Probleme zu lösen, da müssen wir keine neuen schaffen.
Grundsätzlich sehe ich nicht, weshalb für die Bürgermeisterwahl eine Agenda mit Projekten und Visionen aufgestellt werden sollte. Der Bürgermeister leitet die Verwaltung und die Stadtratssitzungen und ist zuständig und verantwortlich, Beschlüsse des Stadtrates umzusetzen und die übrigen Aufgaben der Verwaltung auszuführen.
Wir müssen da schon wieder ein wenig die Verhältnisse zurechtrücken. Am 9.6.2024 steht die Wahl des Stadtrates, der Ortsbeiräte und Ortsvorsteher an. Dabei wird es um Projekte und Ideen gehen.
Ein Bürgermeister, der nicht aus einem der großen politischen Lager kommt, wird viel besser in der Lage sein, die besten Ideen und Vorschläge zur Umsetzung zu führen. Ein „Dagegen“, nur weil „die Anderen“ den Vorschlag gemacht haben, hilft uns nicht weiter.
„Souveränität“ in der Amtsführung und „Fachkompetenz“ in der Ausführung von Beschlüssen oder der Umsetzung von Aufgaben sind für viele Menschen wichtig bei ihrer Wahlentscheidung. Und man muss nicht alles selber wissen und können. Man muss aber Mitarbeiter oder externe Personen haben, die es wissen oder können. Und denen man vertraut und etwas zutraut.
Mit der notwendigen Delegierungs- und Führungskompetenz gibt man ab und nimmt man auch mal etwas an. All das war in meinem Berufs- und Ehrenamtsleben neben vielen erfolgreichen Projekten natürlich auch schon mal Teil eines – bisweilen schmerzhaften – Lern- und Erfahrungsprozesses.
Jeder einzelne Fehler, den ich gemacht habe oder der in meiner Zuständigkeit passiert ist, war wertvoll und hilfreich, weil jeder einzelne Fehler Ausgangspunkt eines Lern- und Verbesserungsprozesses werden durfte, beginnend mit dem Eingeständnis.
Am ärgerlichsten sind meines Erachtens Fehler, die man – trotz entsprechender Erkenntnisse – ein zweites Mal macht.
Apropos „zweite“: Die Stadt Wörth am Rhein hat formell so gut wie keine Zuständigkeit für die rheinquerende Infrastruktur, bei der ich regelmäßig mit Verwunderung und Respekt nach Kehl/Strasbourg schaue. Dort hat man zwischen zwei unterschiedlichen Nationalstaaten mit zweiter Straßenbrücke, zweiter Bahnbrücke und einer Geh- und Radwegbrücke in den 25 Jahren, in denen zwischen Wörth und Karlsruhe nur geredet wird, sinnvolle Fakten geschaffen.
Ich verspreche, dass ich als Bürgermeister nicht nur gefühlt 2x in der gesamten Amtszeit, sondern jeden einzelnen Monat den Oberbürgermeister von Karlsruhe anrufen, anmailen, ihm einen Brief schreiben oder zur Exkursion nach Kehl/Strasbourg einladen werde, um ihm klar zu machen, wie lebensnotwendig funktionierende Verbindungen über den Rhein sind – und dass es möglich ist!
Und ich werde weiter dafür eintreten, dass wir neben einer Redundanz für die Straßenbrücke auch zusätzliche Gleise über den Rhein bekommen und eine „Zweiradbrücke“. Die rheinquerende E-Mobilität könnte vor allem auf zwei Rädern stattfinden, dafür gibt es aber keinen passenden Weg.
Zur Person
Steffen Weiß ist 50 Jahre alt, seit 24 Jahren verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern.
Er arbeitet seit über drei Jahren als Abteilungsleiter im öffentlichen Dienst als Leiter der Campussicherheit beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit einem Abschluss als Sicherheitsfachwirt (FH).
Weiß gibt weiter an: „Ich bin dabei Leiter einer Einheit im 24h-Betrieb mit mehreren Liegenschaften und über 80 eigenen Mitarbeitern mit der Zuständigkeit für Sicherheit und Ordnung, Verkehrsführung, Verkehrszeichen, Ausweiswesen und Veranstaltungssicherheit. Eine Offizierausbildung als Basis und nach dem Studium über 20 Jahre in Führungs-, Vertriebs- und Projektfunktionen in Dienstleistungsunternehmen haben mir die notwendigen Kompetenzen verschafft.“
Auf die Frage nach seinen politischen Tätigkeiten in den letzten fünf Jahren gibt er an:
Seit 2019 im Stadtrat Wörth (zuvor bereits 2009 bis 2014), Fraktionsvorsitzender der FWG im Wörther Stadtrat. Ordentliches Mitglied im Schulträgerausschuss des Kreistages Germersheim.

