Freitag, 19. April 2024

Bürgermeisterkandidaten-Runde in Kandel: Teils einig, teils weit auseinander

5. April 2019 | Kategorie: Kreis Germersheim, Politik regional, Regional

V.li: Michael Niedermeier, Jutta Wegmann, Günther Tielebörger, Martin Wagner.
Foto: Pfalz-Express

Kandel – Gute drei Stunden erläuterten am Dienstagabend im Ratssaal drei Bürgermeisterkandidaten für Kandel ihre Pläne und Ideen für die Stadt.

Amtsinhaber Günther Tielebörger (SPD), Michael Niedermeier (CDU) und Jutta Wegmann (Grüne) waren auf Einladung der Kandeler FDP angetreten. Der vierte Kandidat, Nico De Zorzi (die PARTEI), war mangels Einladung nicht dabei (mehr dazu hier). Moderiert wurde vom FDP-Vorsitzenden Martin Wagner und von FDP-Stadtrat Markus Schowalter. Die FDP selbst stellt keinen Bürgermeisterkandidaten.

Drei Minuten Zeit hatten die jeweiligen Kandidaten, um sich zu den von der FDP ausgearbeiteten Fragen zu äußern.

Steigerung der Attraktivität der Innenstadt

Beim Thema Innenstadt setzt Niedermeier auf das Programm Aktive Stadt, das man weiter verfolgen müsse. Zudem plädierte er für eine aktive Wirtschaftsförderung zusammen mit dem Citymanagement als ganzheitliches Programm. Alle Akteure gehörten gemeinsam an einen Tisch. Außerdem will Niedermeier freies WLAN in der Innenstadt installieren.

Jutta Wegmann sagte, sie sei eine große Verfechterin des Handels vor Ort, die Versorgungsstruktur muss unbedingt erhalten werden. Das Konzept Aktive Stadt sei umgesetzt, mit Jennifer Tschirner habe man eine sehr gute City-Managerin.

Tielebörger kritisierte die CDU, die seinerzeit das Programm Aktive Stadt nicht unterstützt habe. „Wir haben vor zwei Jahren solche Arbeitsgruppen gebildet, es gab Programme.“ Kandel habe nach wie vor ein gutes Image bei Festen und beim Shopping. Die Innenstadt sollte erlebbar gemacht werden, viele kleine Treffpunkte wie Kneipen, kleine Läden oder Ähnliches sollten die Lebendigkeit erhalten.

Foto: Pfalz-Express

Wohnraumentwicklung: Nachverdichtung / Neuerschließung

Tielebörger setzt auf mäßige Verdichtung und neuen Wohnraum. Eine komplette Verdichtung in der Innenstadt sei nicht die optimale Lösung. So könne man könne beispielsweise nicht in gewachsenen Strukturen mehrgeschossige Gebäude einpflanzen. Außerdem müsse auch „etwas Grün“ erhalten bleiben.

Niedermeier kritisierte die explodierenden Preise im Wohnraumbereich. 400 Euro pro Quadratmeter seien definitiv zu teuer, junge Familien oder Alleinstehende könnten sich solche Preise nicht leisten. Er will mehr Wohnraum durch Nachverdichtung bereits bestehender Flächen in der Innenstadt schaffen. Die Stadt solle mit einer Wohnungsbau-Gesellschaft selbst aktiv werden, um günstigen Wohnraum zu schaffen. „Mehrgeschossiges Wohnen ist sehr wichtig, eventuell auch in der Stadt.“

„Da liegen wir nicht weit auseinander“, sagte Jutta Wegman zu Niedermeiers Ausführungen. „Erst mal innen, dann außen.“ Die historische Baustruktur solle jedoch erhalten bleiben. Dazwischen müsste es viel „Grün, Blühflächen und frische Luft“ geben.

Beim geplanten Baugebiet K7 will Tielebörger erst einmal mit den Eigentümern alles klarmachen. Diesbezüglich sei K2 ein „heißer Ritt“ gewesen, sagte er.

Niedermeier würde das Baugebiet direkt nach der Wahl angehen wollen, während Jutta Wegmann den Vorplan gerne überarbeiten würde. „K7  wird wohl das letzten große Wohngebiet in Kandel, das muss gut werden.“

Parkraumkonzept

Beim Thema Parkplätze sei es für sie „schwierig mit noch mehr“, sagte Wegman. Sie sprach sich dafür aus, keine neuen Parkhäuser zu bauen, sondern „das was vorhanden ist, klug zu nutzen.“

Tielebörger erinnerte daran, dass es immer noch genug Parkplätze ohne Parkgebühren („für umme“) in Kandel gebe. Für Parkplätze, die Angestellte von Betrieben blockierten, könnten nach Vorschlag des Bürgermeisters die Unternehmen aufkommen. Diesbezüglich sei man beispielsweise in Gesprächen mit der Sparkasse.

Niedermeier sprach sich für eine Parkraum-Bedarfsanalyse aus. „Auf dieser Basis könnte man dann entscheiden, was zu tun ist.“ Falls bezahlbar, wäre auch ein intelligentes Parkleitsystem denkbar.

Foto: Rolf H. Epple

Gewerbestandort Kandel

„Wissenschaftsorientierte Dienstleister, das ist das was wir hier brauchen“, sagte Tielebörger und nannte Rülzheim als Beispiel. „Nicht nur Wohnen und Einkaufen.“

Niedermeier plädierte wiederholt für einen Wirtschaftsförderer und Ansprechpartner. Viele Betriebe sein verprellt worden, das gelte es zu korrigieren. Im Gebiet Lauterburger Straße gebe es viel Potenzial, „nicht nur für ein Ärztehaus und Bauhaus.“

Wegmann stimmt Niedermeier zu, das Gewerbegebiet im Süden erst einmal zu nutzen. Das Gewerbegebiet Horst im Norden sein bester Ackerboden. Das sei wichtig für die Lebensmittelgewinnung. „Wir sollten nicht alles versiegeln und neu ausweisen, sondern die Struktur, die wir jetzt haben, besser nutzen.“

Ausbau ÖPNV

„Wir brauchen ein nachhaltiges Mobilitätskonzept, mehr Car-Sharing und eine Zweigleisigkeit bis Wörth. Da müssen wir alle an einem Strang ziehen“, plädierte Wegmann.

Tielebörger argumentierte, ein zweigleisiger Ausbau berge die „große Gefahr“, dass der Güterverkehr auf diese Strecke ausweiche. Kandel habe einen Bahnhof, der vor einigen Jahren modernisiert worden sei, wogegen sich damals auch die CDU gestemmt habe. Im Moment gebe es noch nicht einmal einen Bedarfsplan für einen zweigleisigen Ausbau. Besser sei es, auf Hybrid-Züge zu setzen.

Dem widersprach Niedermeier: „Elektrifizierung ist Zukunft.“ Außerdem müsse der Busverkehr ausgestaltet werden, möglicherweise auch mit attraktiven Tickets.

Bildung, Kultur und Sport

Eine umfassende Sanierung des Stadions in Kandel und einen „Re-Check“ in Sachen Kultur priorisiert Niedermeier in diesem Bereich. „Feste noch besser machen und überlegen: Gibt es noch andere Ideen?“ Die CDU stehe voll hinter dem Neu- und Ausbau der Grundschule Kandel und der IGS. Auch das Jugendzentrum müsse endlich angegangen werden.

Wieder sah Jutta Wegman es genauso. Man habe eine tolle Vereinslandschaft, viel gekämpft für das Bürgerhaus in Minderslachen, die VHS und das Frauen- und Familienzentrum. „Das alles gehört weiter gefördert. Auch das Jugendzentrum.“

Ob all dieser Wünsche kommentierte Tielebörger knapp: „ Ich wünschte, ich hätte diese Beiträge bei der Haushaltsberatung gehört. Doch wenn es um die Realisierung geht, dann scheiden sich leicht die Geister.“

Vereine seien die Grundsteine der Kultur. „Leider haben zerfallen viele Vereine“, so Tielebörger. „ Es fehlen Mitglieder. Es bröckelt überall.“ Die Vereine bräuchten Plätze und Flächen zum Üben und Trainieren.

Demographischer Wandel und Familie

Zum Thema demographischer Wandel und Stärkung der Familie sagte Niedermeier, der unlängst einen Tag als Müllwerker unterwegs war: „Da sind wir wieder beim günstigem Wohnraum.“ Außerdem schlug er vor, dass Mehrgenerationenwohnen weiter zu fördern, enger mit der Asklepios Klinik in Kandel zusammenzuarbeiten und einen jährlichen Neubürger-und-Baby-Empfang mit Vereinsvorstellungen einzuführen.

Jutta Wegmann will den Begriff Familie weiter fassen als „Vater, Mutter, Kind.“ Auch sie sprach sich für eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft aus oder ein „gemeinschaftliches Wohnen bei fitteren Leuten.“ Im Kreis sei dazu schon viel Know-how aufgebaut worden. Außerdem strebe man ein Haus der Familie an.

Tielebörger setzt auf Wohnprojekte für ältere Menschen, aber auch gemeinschaftliches Wohnen. Es gebe neue Familienstrukturen, da müsse man umdenken.

Desolate Finanzen

„Jetzt kommt der Moment, in dem die vielen Träume platzen werden“, sagt der Moderator Schowalter, als das Thema Finanzen an der Reihe war.

„Dieser Tage ist ein blauer Brief der Kommunalaufsicht eingetroffen“, berichtete Wegmann. „Das wissen wir seit Jahren. Wenn es so weitergeht, sind wir bis zum Jahr 2023 mit 30 Millionen Euro verschuldet. Wir müssen das Elend verwalten und können uns keine neuen Gebäude mehr leisten.“

Die Villa Fischer soll ihrer Meinung nach nicht weiter in städtischen Händen gehalten werden. „Das ist ein Millionengrab. „Wir haben schon viele Pflichtaufgaben wie die Kitas.“ Außerdem monierte Wegman, dass es noch kein ganzheitliches Klimaschutzmodell in Kandel gebe.

„Wir sind Dienstleister und Teil des Landes“, sagte Tielebörger. Man sei abhängig von dessen oft unzureichender Finanzausstattung. „Von 11 Millionen Gewerbesteuer gehen 8 bis 9 Millionen wieder weg. Wir haben überall Zuschüsse beantragt, aber „wir hängen an der goldenen Leine des Landes.“ Trotzdem sei Kandel eine finanzstarke Gemeinde. Man könne einen städtischen Haushalt nicht mit einem privaten vergleichen, sagte Tieleböger.

Niedermeier sieht das anders und bezeichnete diese Haltung als einen „eklatanten Fehler.“ „Der Haushalt wird voll gepackt mit allem Möglichen,“ kritisierte er. „Wir müssen Prioritäten setzen, eine Prioritätenliste erstellen.“ 3.200 Euro pro-Kopf-Verschuldung seien hausgemacht. „Und die Folgekosten diverser Bauprojekte fressen uns auf.“

Warum ich?

Am Ende sollte jeder Kandidat noch erklären, wieso er der richtige für Kandel sei.

Günter Tielebörger verwies auf seine jahrzehntelange Erfahrung als Bürgermeister. Kandel könne sich sehen lassen, er habe viel erreicht. Nach wie vor fühle er sich berufen, „zu gestalten und zu verbessern. Man kann an vielen kleinen Rädchen drehen, um die Lebensqualität noch weiter zu verbessern.“

„Kandel kann mehr und hat auch mehr verdient“, sagte Michael Niedermeier, der die Weichen „auf Zukunft“ stellen will. Bürgerbeteiligung soll unter seiner Amtsführung eine große Rolle spielen. Er bringe junge und frische Ideen mit.

„Ohne ideologische Scheuklappen, aber mit Kompetenz für ein nachhaltiges und soziales Kandel“, warb bei Jutta Wegmann für sich. Klima und Umweltschutz sollen eine große Rolle spielen.

Alle drei sprachen sich auf Nachfrage für den Erhalt eine Stärkung und der Musikschule aus, zwei Bürger monierten, dass keine Umweltfragen gestellt wurden.  (cli)

Foto: Rolf H. Epple

Anmerkung der Redaktion: Weitere Statements drehten sich um die Einführung von „wiederkehrenden Beiträgen“ bei Straßenbauarbeiten und um Ortsrand- und Umgehungsstraßen. Es würde jedoch den Rahmen sprengen, diese Themen, die weiterer umfänglicher Erläuterungen bedürften, zusätzlich auszuführen. Wir bitten um Verständnis.

 

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