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„Braun werden – Eine kippende Komödie“

5. November 2015 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Kultur, Regional
V.li.: Stephan Wriecz, dann Monika Kleebauer, Esther Steinbrecher und Miriam Grimm. Foto: Kunze

V.li.: Stephan Wriecz, dann Monika Kleebauer, Esther Steinbrecher und Miriam Grimm.
Foto: Kunze

Herxheim – Der Pfalz Express holte sich eine schmackhafte Kostprobe dieser Komödie, die am 13. November um 20 Uhr im Chawwerusch Theater in Herxheim Premiere feiert.

Nach „Ten things to do before I die“ ist es die zweite Produktion der jungen Sparte des Chawwerusch Theaters.

Braun werden, nicht nur äußerlich, auch die Gesinnung als solche, ist das Thema dieses Stücks. Die Regisseurin Esther Steinbrecher präsentiert ein hochaktuelles Thema in flott gespielter „Sitcom-Manier“.

Es geht um einen Sohn, der noch bei Mutti wohnt und um dessen neue Freundin, die frischen Wind in das Beziehungsgeflecht bringt. Und neue „Ansichten“.

Michael Bauer (Dramaturgie), der die Idee zu dem Stück hatte, erzählt von der Entstehungsgeschichte:

Zur Zeit ist das Thema „braune Gesinnung“ aktueller denn je im Hinblick auf die Flüchtlingsthematik. Die Idee kam mir allerdings schon vor zwei Jahren und war ein Entwurf für ein Dreipersonenstück.

Es entstand Angesichts des NSU-Prozesses um Beate Zschäpe. Der Gedanke, einer möglichen Ausbreitung nationalsozialistischer
Tendenzen und die Überlegung, in welcher Form dies passiert, ließ diese Geschichte in mir reifen.

Die Dramaturgie hat ein Muster wie in etwa bei Dürrenmatt, zum Beispiel  „Der Besuch der alten Dame“. Es beginnt als Komödie, bis sie anfängt, zu kippen.

Esther Steinbrecher, die die Idee von Michael Bauer aufgegriffen hat, schrieb dann das Buch dazu.

Steinbrecher: „Wir arbeiten mit stark überzeichneten Charakteren. Aus einem gemütlichen Zuhause wird ein „Terroridyll“.
Während der Proben hatten wir Improvisationsphasen und das Stück hat sich bewegt in die aktuelle Situationen hinein, es war immer in Bewegung.

Wir haben es in Reality-TV-Formate gehalten, um auch Jugendliche dadurch besser anzusprechen. Es ist für Schulaufführungen geeignet, ab 9. Klasse. Wir haben eine Mappe mit pädagogischen Arbeitsmaterialien zusammengestellt.

Monika Kleebauer, Schauspielerin (Mutti):

Aber das Stück richtet sich natürlich nicht nur an das jugendliche Publikum.  Hier geht es um eine Mutter, ihren Sohn, der gewohnt ist, immer einer Meinung mit seiner Mutter zu sein, und dessen Freundin.

Es sind unterschiedliche Generationen, und es geht um das Entstehen dieser extremen Denkweisen in der Familie.
Konrad, der Sohn, möchte mitgenommen werden durch Anerkennung. Er ist gewohnt, nicht zu widersprechen. Dadurch wird er leicht beeinflussbar.

So jemand kann schnell ein Opfer radikaler Gruppen werden. Und Mutti hört gerne weg.

Esther Steinbrecher: Die Familie ist ineinander verhakt, wie ein hermetischer Mikrokosmos.  Es ist die Mittelschicht, die hier kippt, nicht die „eindeutig Rechtsradikalen“.

Man trifft ja im Alltag auch die sympathische Frau, die plötzlich Tendenzen zeigt. Da die Kindergärtnerin oder sogar der Sozialarbeiter, Menschen, von denen man es nie erwarten würde. Wir arbeiten auf der Bühne nicht mit einer ausweichenden Psychologisierung der Charaktere, damit man nicht sagen kann, der ist in dieser Schublade und ich kann mich selbst davon distanzieren.
Es geht um den Anstoß zu einer „Selbsthinterfragung“.

Michael Bauer:

Es sollte auch nicht ein dokumentarisches Theaterstück werden. Davon  gibt es einige, gerade auch in München und in Karlsruhe rund um die NSU. Hier ist zuerst alles recht harmlos, fast so wie bei Werken von Loriot. Und dann wird es bizarr, ja gruselig.

Frage an Miriam Grimm und Stephan Wriecz (Freundin Bea und Sohn Konrad):
Ist es schwierig, eine Rolle zu spielen, die man von der radikalen Gesinnung her mit sich selbst nur schwer in Einklang bringen kann?

Miriam Grimm:  Es ist eine Herausforderung, sich mit diesen Gedanken soweit auseinanderzusetzen, um es dann überzeugend darstellen zu können. Das gehört in unserem Beruf auch dazu. Ist allerdings nicht immer so einfach.

Stefan Wriecz: Intoleranz, wie auch immer sie aussieht, ist in jedem von uns. Sich damit zu beschäftigen, bringen diese Rollen natürlich mit sich und man setzt sich dadurch mit der eigenen „dunklen Seite“ auseinander. (Gabi Kunze)

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