Freitag, 26. April 2024

Von Laubstreu, Holzfrevel und Totholz: Im PowerPoint-Parforceritt durch den Wald

19. April 2015 | Kategorie: Kreis Germersheim

Johannes Becker vom Forstamt Kandel hielt einen engagierten Vortrag.
Foto: Beil

Rheinzabern –  Johannes Becker, zuständig für Naturschutz und Öffentlichkeitsarbeit beim Forstamt Bienwald, begeisterte in seinem Vortrag bei der Volkshochschule Rheinzabern die stattliche Besucherschar.

In einem wahren PowerPoint-Parforceritt verdeutlichte der Referent den Bedeutungswandel des Waldes als wichtige Ressource für die Südpfälzer.

Der älteste Waldzustand lässt sich aus der Pollenanalyse eines Bienwaldmoores ermitteln. In Copialbüchern des Fürstbistums Speyer oder des Klosters Weißenburg wurde der Wandel der Nutzung seit dem Mittelalter akribisch festgehalten.

Neben Nutzung der Bäume von der Wurzel bis zur Knospe als Brennholz, Bauholz, Leseholz, Gerberrinde oder Anmachholz erforderte auch die Köhlerei zur Herstellung von Holzkohle für die Eisenschmelze ihren Tribut.

Bis zum Beginn der Industriealisierung in Wörth war der Forst größter Arbeitgeber der Südpfalz. Unvorstellbar deshalb der vollzogene Wandel. Haben Generationen vor uns den Wald arbeitend und nutzend kennengelernt, so betrachten heutige Zeitgenossen den Wald allenfalls noch als Kulisse für Freizeitaktivitäten und sehen im wahrsten Sinne vor lauter Bäumen oft den Wald als Ganzes nicht mehr. Übereifrige wollten gar den Wald vor den Förstern schützen, so Johannes Becker.

Im 17. u. 18. Jahrhundert verzeichnete man den Tiefpunkt im Waldzustand des Bienwalds, ehe die bayerische Forstverwaltung nach 1816 mit nachhaltiger Waldbewirtschaftung begann. Holzbedarf und Planung klafften jedoch weit auseinander, nicht zuletzt weil das 19. Jahrhundert einen beträchtlichen Bevölkerungszuwachs und infolgedessen gesteigerten Ressourcenbedarf zu verzeichnen hatte.

Laub als Viehstreu wurde in unvorstellbaren Mengen entnommen, so dass der Wald völlig degeneriert war. Not kannte kein Gebot, weswegen der Förster zum Feind der armen Leute wurde und mit Recht eine Waffe trug. 1831 wurden einmal 1000 Straftäter zum Amtsgericht in Kandel vorgeladen. Um 1840 verzeichnete man im Landkreis (bei 40000 Einwohnern) 17000 Forstdelikte (59% Holz, 25% Laubstreu, 14% Gras, 1% Wilddieberei). 1851 musste sogar Militär zum Schutz der Förster aufgeboten werden.

Erst um 1960 kam Entlastung für den Wald. Johannes Becker sprach von der sogenannten „Brennholzwende“, als die Ölheizung Einzug hielt. 1 Ster Brennholz kostete damals noch 102,– DM, während bei einem Literpreis von 23 Pfg. die gleiche Energiemenge schon für 46 DM zu haben war. Bei einem heutigen Sterpreis von 60 Euro wäre indes für die gleiche Energiemenge aus Erdöl 180 Euro zu berappen. Erdöl und Erdgas sind indes bequemer als Heizen mit Brennholz mit all seinem Aufwand.

Johannes Becker zeigte an markanten Luftbildern die Veränderungen des Landschaftsbildes, das vor allem durch die Industriealisierung in Wörth und die damit verbundene Bautätigkeit in vielen Orten an der Rheinschiene einen enormen Wandel erfuhr. Jockgrim zum Beispiel verdreifachte von 1960 bis heute seine Einwohnerzahl. Während hier zum Teil dem Wald Siedlungsflächen abgezwackt werden mussten, hatte er sich im Bereich aufgegebener Grenzertragsböden durch Sukzession wieder Flächen zurück geholt.

Den Wald kann man heute als Ressource schonen, weil Kohle, Erdöl, Erdgas und die für uns notwendige Holzproduktion im Ausland stattfindet. Holz wird im großen Maße importiert und hier veredelt. Insbesondere die Papierindustrie bezieht Holz aus Skandinavien oder Kanada – u.a. auch Zellstoff aus Eukalyptus. Nur liegt die Nutzung des Waldes im globalen Bereich außerhalb der Wahrnehmung.

Hier indes geht man andere Wege. Um Biomasse wieder aufzubauen, muss mittlerweile alles Holz unter 7 cm Dicke im Wald bleiben – zum Unverständnis vieler Menschen, die den Bienwald noch traditionell nutzten. Totholzkonzepte sind der Renner. Starke Bäume werden vielfach als Naturdenkmale geschützt. Nicht zuletzt sei an das Naturschutzgroßprojekt Bienwald erinnert.

Insgesamt ein kurzweiliger und informativer Vortrag, ein Beispiel für vernetztes Denken und ein schönes Kapitel Heimatkunde. Auf  www.bienwald.wald-rlp.de bekommt man über „Wissenswertes“ zur Serie „Lebendiges Geschichtsbuch Bienwald“.

(Gerhard Beil)

Historiker  und Forstmann Johannes Becker bei einer Rehbuche.
Foto: v. privat

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Ein Kommentar auf "Von Laubstreu, Holzfrevel und Totholz: Im PowerPoint-Parforceritt durch den Wald"

  1. Ronald Preuss sagt:

    Ich bin Jahrgang 1957 und war mit meiner Großmutter, viele male in den 1960 im Wald, um Brennholz zu ersteigern. Welches wird dann mühsam mit einem kleinen Leiterwagen nach Hause, ca. 1,5 km gefahren haben. Jetzt durch diesen Text wird mir erst bewusst warum Sie damit so sparsam umging. Ich dachte bis heute, dass Sie für den Ster so zirka 25 DM bezahlt hat und werde nun eines Besseren belehrt.
    Ja, eindeutig hat das Ölzeitalter die Menschen verwöhnt und nicht erzogen. So wenig wie ich es tun konnte mit der Idee – Die Sonne schickt Dir keine Rechnung.
    Aus meiner Sicht ist der Wald unser Lebenselixier – Mensch und Natur sollten eins sein!