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Robert Menasse entschuldigt sich für falsche Hallstein-Zitate

4. Januar 2019 | Kategorie: Nachrichten, Panorama

Symbolbild: dts Nachrichtenagentur

Wien  – Der Schriftsteller Robert Menasse sieht eine „künstliche Aufregung“ über von ihm konstruierte Zitate des Europapolitikers Walter Hallstein (1901-82) und entschuldigt sich zugleich für den „Fehler“, die nicht wörtlich gefallenen Sätze in An- und Abführungszeichen gesetzt zu haben.

Es stünden „zwei Vorwürfe“ im Raum: „Dass ich erstens Hallstein mit Sätzen zitiert habe, die sich wörtlich so nicht in seinen Schriften wiederfinden lassen. Und dass ich zweitens einen Besuch Hallsteins in Auschwitz `erfunden` habe – konzediert wird immerhin: in einem Roman und in Diskussionen über diesen Roman“, schreibt Menasse in einem Gastbeitrag für die „Welt“.

Doch seine Hallstein in den Mund gelegten Zitate fassten zusammen, wofür Hallstein gestanden habe, so der Wiener Schriftsteller, der 2017 für seinen Brüsselroman „Die Hauptstadt“ ausgezeichnet worden war.

Zu den von Menasse konstruierten Hallstein-Zitaten gehörte der Satz: „Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee.“ Auf Nachfrage hätte Menasse im Dezember eingeräumt, Hallstein habe dies „nie so zugespitzt“ formuliert, aber in seinen Reden dem Sinne nach ausgedrückt.

Zum Vorwurf, er habe seine Interpretation von Hallsteins Denken als Zitat gekennzeichnet, schreibt Menasse: „Weil mich dieser Gedanke so überzeugt hat, habe ich ihn prägnant zusammengefasst. Aber warum habe ich den Satz in Anführungszeichen gesetzt? Weil es Hallsteins Gedanke war, weil ich ihn nicht zuletzt ihm verdanke und nicht als meinen ausgeben wollte. Die Anführungszeichen waren, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, ein Fehler. Dafür entschuldige ich mich, das tut mir leid, niemand ist unglücklicher über diesen Fehler (und den meine Arbeit beschädigenden Wirbel) als ich. Im Vergleich zu der Frage, wohin die Europäische Union in Zukunft geht, im Vergleich zu Hallsteins großartiger Vision ist dieser Fehler aber eine Winzigkeit, er ist die Fußnote, die ich lieber hätte setzen sollen.“

Er sei hinsichtlich dieser Zitate nicht „entlarvt“ worden, „sondern ich habe selbst, etwa bei Lesungen oder Buchpräsentationen, auf Fragen nach den Zitaten verschiedentlich darauf hingewiesen, dass ich Walter Hallstein nicht wörtlich, sondern sinngemäß wiedergegeben habe“, schreibt der Autor. „Wenn nun also ein Historiker sagt, dass es einen Hallstein-Satz, den ich verwendet habe, als belegbares Zitat nicht gibt, dann kann man nur deshalb daraus eine künstliche Aufregung – Fälschung! Lüge! Betrug! Fake! – produzieren, weil es keine Öffentlichkeit gibt, die weiß: Natürlich fasst das vermeintliche Zitat zusammen, wofür Hallstein als Kommissionspräsident stand“, so der Schriftsteller weiter.

Zur angeblichen Rede Hallsteins in Auschwitz schreibt Menasse, dies habe ihm „im Zuge meiner jahrelangen Recherchen in der Kommission tatsächlich jemand erzählt – diese nicht nachgeprüfte Information habe ich in meinem Roman `Die Hauptstadt` verwendet, denn für Romane gelten andere Regeln als für Doktorarbeiten. Falls dieses Detail als historisches Faktum missverstanden wurde, tut mir das leid. Ich kann, mich selbst kennend, auch nicht ganz ausschließen, dass in den Podiumsgesprächen, die Lesungen üblicherweise folgen, ich selbst zu einem solchen Missverständnis beigetragen habe“, schreibt Menasse. (dts Nachrichtenagentur)

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2 Kommentare auf "Robert Menasse entschuldigt sich für falsche Hallstein-Zitate"

  1. GGGGGGKKKKKEEEE sagt:

    Wie man hört überprüft das Land Rheinland-Pfalz die für den 18. Januar 2019 im Mainzer Staatstheater vorgesehene Verleihung an Herrn Menasse durch Malu Dreyer.

    Eigentlich verwunderlich, denn mit der Fälschung beweist Menasse doch seine unbedingte Treue zur EU und der Multi-Kulti-Ideologie.

    Diesen Preis hat sich Menasse (un)redlich verdient! Auf geht’s Frau Dreyer, schreiten Sie zur Verleihung!

  2. Philipp sagt:

    Die Auschwitz-Rede 1958 von Hallstein hätte jeden mit mittlemäßigen Geschichtskenntnissen der Nachkriegszeit stutzig machen müssen.
    Dass Herr Menasse, Jahrgang 1954, der doch den Kalten Krieg in seiner Verbissenheit life erlebt hat, seinen eigenen Fake nicht mitgekriegt hat, glaubt doch nur jemand, der die „Hose mit der Kneifzange anzieht“ oder sich auf dem Bildungsniveau der bei PEX irrlichternden Giftzwergenschar befindet.
    Wir werden in der kommenden Zeit sicher noch die Enttarnung von ein paar prominenten „Edelfedern“ erleben, die für ihre Fake-Artikel mit „Haltungs-„Preisen überhäuft wurden.
    Jetzt bietet sich für wirklich fähige Journalisten die Chance, sich mit ehrlicher Recherche noch einen Namen zu machen.
    Es wird Zeit für ein neues „Sturmeschütz der Demokratie“!