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„In stillen Stunden Vertrauen wachsen lassen“: Weihnachtspredigt des Bischofs von Speyer: Wärmendes Feuer gelebter Solidarität

25. Dezember 2022 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional, Regional

Christmette im Speyerer Dom.
Archivfoto: Klaus Landry

Speyer. An Weihnachten können „stillen Stunden an der Krippe“ nach den Worten von Bischof Karl-Heinz-Wiesemann „wieder das Vertrauen wachsen lassen, dass es gut ausgehen kann mit uns und unserer Schöpfung – weil Gottes Vertrauen niemals trügt.“

Indem sich Gott im nackten Menschsein zu erkennen gebe, „im Säugling, der in seiner Schutzlosigkeit auf die Zuwendung und Liebe der Anderen angewiesen ist“, wecke er „die größte Macht in uns: die Liebe zum Menschen als Menschen, die aus dem Wissen um die eigene Verletzbarkeit entsteht, aus dem Wissen, dass ohne die Zuneigung anderer kein Leben möglich ist“, sagte der Bischof in seiner Weihnachtspredigt (25. 12. 2022) im Dom zu Speyer.  Ohne Vertrauen in diese Weisheit lässt sich nach Überzeugung des Bischofs keine lebenswerte Zukunft bauen.

Karl-Heinz Wiesemann: „Zeitenwende – wohin?“

Im Rückblick auf das nun zu Ende gehende Jahr könne der Eindruck entstehen, „die Menschheit lerne nicht hinzu – noch nicht einmal aus ihren großen Katastrophen.“ Wiesemann verwies nicht nur auf die Situation in der Ukraine – „mit allem, was dort nach dem jede Vernunft und Friedensordnung hinwegfegenden, wahnsinnigen Einmarsch russischer Truppen jeden Tag an Leid, Trauer, Wut und Hass sich anhäuft.“

Genauso menschenverachtend sei das, „was in Afghanistan oder im Iran mit den Rechten der Frauen geschehe.“ Ein tiefes Gefühl der Unsicherheit und des Misstrauens mache sich breit. „Nicht nur der Krieg, auch die weltpolitische Handlungsunfähigkeit im Hinblick auf die dramatischen Szenarien der Klimaerwärmung und ihren zerstörerischen Folgen, lassen geradezu apokalyptische Gefühle hochsteigen“, erklärte Wiesemann.

Es komme nicht von ungefähr, dass das wuchtige Wort von der „Zeitenwende“ zum Wort des Jahres 2022 gewählt worden sei. Die Frage sei, wohin sich diese Zeitenwende entwickelte: „In das Barbarische narzisstischen Machtwahns oder Verdrängens? Oder in ein neues Vertrauen in den Menschen und seine Zukunft?“ Eine solche Zeitenwende brauche es dringend, „damit wir nicht nur materiell sondern auch vor allem seelisch nicht vor die Hunde gehen.“

„Gerade in all unserer Machtlosigkeit und Verletzbarkeit zum Segensort werden“

„Der Einsatz von Macht und Gewalt, gegebenenfalls auch von Waffen“ ist nach den Worten des Bischofs von Speyer nötig, „um unschuldiges Leben, Menschen- und Völkerrecht, Würde und Freiheit zu verteidigen.“ Dies hätten in diesem Jahr selbst jene gelernt, „die politisch bisher immer anderer Auffassung waren. Die Wahrheit von der gewaltbereiten Verteidigungsnotwendigkeit des sonst Schutzlosen – sie trifft das Drama des Menschen in dieser Welt.“

Wiesemann rief dazu auf, sich „berühren und bewegen zu lassen von der Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“ – so wie es in der Vision des Bistums Speyer („Segensort in der Welt sein“) formuliert sei. Es gehe darum, „dass wir alle Art von Menschenverachtung, von falscher Überlegenheit, von elitärem Gehabe, von ausschließender Diskriminierung, von Selbstschutz auf Kosten jeglicher Wahrheit und Gerechtigkeit verbannen und so gerade in all unserer Machtlosigkeit und Verletzbarkeit zum Segensort werden“ – so wie die Krippe „mit ihrem unfassbar menschenliebenden Geheimnis Gottes.“

Bischof Wiesemann baut seine Weihnachtskrippe jedes Jahr selbst auf – und nimmt sich „dann eine lange Zeit, um sie einfach still zu betrachten.“

„Hoffnung: Antworten finden auf die tiefgreifenden Probleme des Lebens“

Der Bischof zitierte in seiner Weihnachtspredigt 2022 die Gedanken einer Psychotherapeutin, die ihn nach eigenen Worten „sehr berührt“ haben. Sie beschreibe das Weihnachtsgeheimnis als eine Heilwerdungsgeschichte für die ganze Menschheit: „Die tiefgreifendste wirksamste Kraft ist nicht die herrschaftliche Macht, sondern entsteht aus der Schwäche, der Hilflosigkeit, der Trauer, dem (Geburts-) Schmerz, der Armut, der Bescheidenheit.

Die Hirten unterbrechen ihre Arbeit. Sie weichen vor der Dunkelheit und der Armut, der Hilflosigkeit, den Flüchtlingen und den Verfolgten nicht aus. Sie erwarten keine Bewirtung, keinen zusätzlichen Aufwand, sondern sie erwärmen sich am Feuer der Solidarität. Alle Menschen und Tiere im Stall rüsten sich nicht mit Waffen. Sie haben nur die Schutzkräfte ihres Menschseins, selbst sich zulassend in ihrer Verletzlichkeit, um der Liebe im Stall zu begegnen.“* Die Psychotherapeutin schließe ihre Gedanken mit dem tiefgründigen Satz ab: „Das Vertrauen in die Weisheit menschlicher Beziehungen, die sich einstellt, wenn jedes Anderssein einbezogen wird, lässt mich hoffen, dass wir Antworten finden auf die tiefgreifenden Probleme des Lebens.“

*Quelle: Sabine Heitzer, in: Im Blickpunkt. Zeitschrift der Mallersdorfer Schwestern, Weihnachten 2022, 9.

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