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Germersheim: „Lasst Eure Kinder zur Schule laufen“

21. Mai 2016 | Kategorie: Kreis Germersheim, Regional
Mehr Bewegung, Kommunikation untereinander und sicheres Bewegen im Straßenverkehr: Das sollen sich wieder mehr Grundschüler aneignen - wenn die Eltern mitmachen. Fotos: dts Nachrichtenagentur/pfalz-express.de/Licht

Mehr Bewegung, Kommunikation untereinander und sicheres Bewegen im Straßenverkehr: Das sollen sich wieder mehr Grundschüler aneignen – wenn die Eltern mitmachen.
Fotos: dts Nachrichtenagentur/pfalz-express.de/Licht

Germersheim – Immer weniger Eltern trauen ihren Kindern zu, alleine zur Schule zu laufen.

Dass der Nachwuchs zu Schulbeginn und Schulende von den Eltern mit dem Auto gebracht und abgeholt wird, ist mittlerweile alltäglich.

Verkehrschaos vor den Schulen, Staus und Parken in der zweiten Reihe sind keine Seltenheit. So entstehen für Kinder oft gefährlichere Situationen als beim Fußweg mit einer übersichtlichen Verkehrslage.

Dem wollen nun die Stadt unter Federführung von Bürgermeister Marcus Schaile, die Polizeiinspektion Germersheim mit ihrem stellvertretenden Leiter Uwe Becker und die Eduard-Orth-Grundschule, kurz Orthschule genannt, entgegen treten.

„Am liebsten direkt in den Klassenraum“

Es sei stets dieselbe Problematik vor Kindergärten und Schulen: „Die Elterntaxis würden am liebsten direkt in den Klassenraum fahren“, beschrieb Uwe Becker bei einem Treffen mit Bürgermeister Schaile, Schulleiterin Simon Trösch, Konrektor Ulf Schlenker und dem Elternbeiratsvorsitzenden Klaus Walter die Situation. „Ein absurdes Auto-Chaos.“

Die gemeinsame Initiative von Bürgermeister, Polizei und Schule nahm auf einer Schulelternbeiratssitzung ihren Anfang. Konrektor Schlenker bestätigte, dass es im letzten Jahr keine Schulwegunfälle gegeben habe. „Aber beim Bringen und Abholen werden immer wieder gefährliche Situationen und Wendemanöver beobachtet.“

Dem konnte Elternvertreter Walter nur zustimmen. Man wundere sich, dass noch nichts passiert sei. Wer die Situation vor der Schule schon einmal erlebt habe, könne mit Fug und Recht sagen: „Da ist mehr Glück als Verstand im Spiel.“

Kinder hätten andere Wahrnehmung zu Geschwindigkeiten oder Entfernungen, seien zudem schon von der Körpergröße nicht in der Lage, über Fahrzeuge hinweg zu schauen, um mögliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen.

Ein anderer Aspekt sei die Gesundheit: Man müsse nicht gleich einknicken, wenn eine Wolke zu sehen sei. „Wir selbst waren als Kinder fit – wir waren draußen.“

Bürgermeister, Polizei, Schul-und Elternvetreter bei der Besprechung zum Thema "Zu Fuß in die Schule".

Bürgermeister, Polizei, Schul-und Elternvertreter bei der Besprechung zum Thema „Zu Fuß in die Schule“.

Das bestätigte auch Bürgermeister Schaile, ebenfalls ehemaliger Grundschüler in der Orthschule: „Ich kann mich an keinen einzigen Tag erinnern, an dem mich meine Eltern zur Schule gefahren hätten. Wenn es kalt war, gab´s eine dicke Jacke, wenn es geregnet hat, eben eine Regenjacke.“

Für Schaile ist die Initiative eine Art Pilotprojekt: „Es gibt ja noch zwei weitere Grundschulen in Germersheim.“ Gerade als Schulträger sei die Stadt gefordert und von Anfang an involviert. Auch an den anderen beiden Grundschulen seien solche Situationen entstanden.

Deshalb sei es wichtig, mit und für die Kinder etwas zu tun. Schaile hofft dabei auf eine Art Gruppeneffekt: „Wenn einige Kinder anfangen zur Schule zu laufen, wollen andere das wahrscheinlich auch.“

Man habe in Germersheim ein gut ausgebautes Radwegenetz, Bürgersteige und Unterführungen – die leider zu wenig genutzt würden. Dabei seien sie extra auch für einen sicheren Schulweg gemacht worden. Und an der August-Keiler-Straße sei mit dem Bau eines Kreisels ein neuralgischer Punkt entschärft worden.

Also weg von der „Drive-in-Mentalität“ (Schaile), jetzt soll der Schulweg wieder zu Fuß erlaufen werden.

Als Anreize stehen ein Stempelheft mit Stempelstationen, ein Schrittzähler oder ein Basecap mit Aufschrift zur Diskussion.

Kinder könnten eventuell Laufgemeinschaften bilden. Jedenfalls will man sich auf allen Ebenen mit den Eltern besser austauschen. Tipps von Eltern, wo gefährliche Punkte sind, oder Anregungen und Ideen sind immer willkommen. „Je mehr Ideen an uns herangetragen werden, umso besser“, so Schaile und Walter.

In der Orthschule wird das Projekt „Wir gehen zu Fuß“ derweil schon fleißig mit Schülern und Lehrern thematisiert, Plakate und Flyer entstehen, berichtete Schulleiterin Trösch. Die Kinder seien begeistert. Natürlich nehme das Thema Sicherheit einen großen Platz ein, auch im Schülerparlament. Außerdem versuche man, über die Kinder die Eltern ins Boot zu holen.

Polizeihauptkommissar Becker sagte mit Blick auf den Kriminalbericht der Polizeiinspektion, dass es letzten Jahr keine Überfälle gab: „Den „Schwarzen Mann“ in der Hecke gibt es nicht.“ Vieles, was sich über Facebook oder Whatsapp verbreitet habe, seinen ausschließlich Gerüchte. „Da ist nichts dran.“ Ziel sei es, den Kindern wieder mehr Eigenverantwortung zu geben und Verkehrssicherheit zu trainieren. Die Polizei stehe dem Projekt und den Kinder hilfreich zur Seite.

Den Aspekt „Verkehrstraining“ sieht auch Klaus Walter so und fragt: „Wann sollen denn Kinder lernen, sich im Verkehr zu bewegen? Etwa erst mit 18 Jahren? Die meisten Ängste und Vorbehalte kommen von den Eltern und nicht von den Kindern.“ (cli)

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