Jockgrim – Seit Monatsbeginn arbeitet Gudrun Maier, die bisher ausschließlich in der mobilen Jugendpflege der Verbandsgemeinde tätig war, auch im Bereich der aufsuchenden Familienhilfe/Gemeinwesen-arbeit.
In seiner letzten Sitzung Ende April stimmte der Verbandsgemeinderat dafür, eine halbe Stelle für diese Aufgabe einzurichten, damit arbeitet die studierte Sozialarbeiterin in Vollzeit. Die vollständigen Personalkosten für dieses neue, freiwillige Angebot übernimmt der Landkreis Germersheim, die Verbandsgemeinde stellt lediglich einen Raum für die Sozialarbeiterin bereit und übernimmt die Nebenkosten, beschloss der Rat außerdem.
Bürgermeister Uwe Schwind erklärte in der Sitzung ein Ziel der aufsuchenden Familienhilfe, die auch als sozialraumorientierte Familienbildung bezeichnet wird. „Drohende soziale Defizite, wie Probleme beim Erziehen von Kindern, sollen so frühzeitig erkannt werden, dass bereits präventiv daran gearbeitet werden kann.“
Die Leiterin des Kreisjugendamts, Sabine Heyn, stellte den Ratsmitgliedern in der Sitzung die Inhalte und Ziele der freiwilligen Leistung des Kreises genauer vor. Die aufsuchende Familienhilfe wurde aus dem Modellprojekt „Netzwerk sozialraumorientierte Familienbildung“ weiterentwickelt. Dazu werden in den sechs Verbandsgemeinden und den beiden Städten im Landkreis dauerhaft Stellen wie die in Jockgrim durch Gudrun Maier besetzte geschaffen. „Wir wollen mit dem niedrigschwelligen Angebot junge Familien vor Ort begleiten.“
Niedrigschwellig bedeutet, dass Familien im weitesten Sinn und Hilfesuchende in den Verbandsgemeinden des Kreises in ihrem sozialen Umfeld, losgelöst von einer Behörde, einen Ansprechpartner finden. Der Gang zum Jugendamt schrecke viele ab, die Behörde würde mancher als bedrohlich empfinden. Probleme im familiären Umfeld sollten aber frühzeitig angepackt werden, so rechtzeitig, damit sie nicht riesengroß würden. Dadurch könne aufwändige und teure Hilfe, wie das Einweisen von Kindern und Jugendlichen in ein Heim, oft vermieden werden. Die Sozialpädagogen in den Gemeinden würden eine „Lotsenfunktion“ übernehmen, Vermittler sein zwischen der Zielgruppe und sehr unterschiedlichen Kooperationspartnern. Diese sind Schulsozialarbeiter, Jugendpfleger, Beratungsstellen, Kindertagesstätten und Schulen, Polizei und Sozialamt, aber auch Ehrenamtliche und Vereine.
Die Ratsmitglieder begrüßten die neue, freiwillige Initiative des Landkreises und sprachen sich auch für das Übertragen der Aufgabe an Gudrun Maier aus. Sie ist bereits seit Juni 2011 in der Verbandsgemeinde als mobile Jugendpflegerin, als „Streetworker“ oder „Straßensozialarbeiterin“ tätig. Dadurch kennt sie bereits Jugendliche und Familien, die auch zur Zielgruppe der aufsuchenden Familienhilfe gehören. Ihre aktuelle Teilzeitstelle wurde ab Mai auf eine volle Stelle aufgestockt. Direkter Arbeitgeber von Gudrun Maier wurde außerdem für ihren neuen Aufgabenbereich die gemeinnützige Dienstleistungsgesellschaft der Lebenshilfe mbH.
Die GmbH ist für die offene Hilfe zuständig und bekommt vom Kreis die Personalkosten für die aufsuchende Familienhilfe ersetzt. Die Stelle sei auf Dauer angelegt, erklärte Kreisjugendamtsleiterin Sabine Heyn, denn nur eine dauerhafte Hilfe mache überhaupt Sinn. Es dauere schon zwei, drei Jahre, bis sich die Stelle etabliert hat, also vor Ort genügend bekannt und auch als unbürokratische Hilfe akzeptiert ist.
Gudrun Maier, die ebenfalls in der Sitzung war, stellte sich den Ratsmitgliedern vor. „Ich sehe meine neue, zusätzliche Aufgabe als spannende Herausforderung an. Zu einigen Familien und Jugendlichen habe ich bereits über meine bisherige Arbeit Kontakte.“ Wichtig sei ihr, nicht als Behörde aufzutreten, sondern als direkte Ansprechpartnerin für Hilfe im Notfall. Als erste Arbeitsschritte möchte sie sich in ihrer neuen Funktion in den Kitas, Schulen und bei anderen möglichen Kooperationspartnern vorstellen, zu „runden Tischen“ einladen und sich in das bestehende Netzwerk rund um die Familienhilfe einfügen.
Ganz aktuell berichtete Gudrun Maier nach den ersten Wochen mit ihrer neuen Aufgabe, was bisher ihre Arbeitsschwerpunkte waren. „Im Moment befindet sich meine Arbeit in der Aufbauphase. Ich habe schon einige Kindertagesstätten (Kita) besucht, weitere Besuche werden folgen.“ Danach möchte die Sozialarbeiterin, die vor ihrem Studium bereits eine Ausbildung als Jugend- und Heimerzieherin durchlief, auch zu den Grundschulen gehen.
Probleme mit Kindern frühzeitig angehen
In jeder Kita verlaufe ihr Antrittsgespräch anders, da jede Einrichtung andere interne Schwerpunkte habe. Besonders interessant finde sie, dass sie von jedem Besuch schon Aufgaben mitgenommen habe, von Fällen erfahren habe, in denen sie helfen soll. So wurde sie um Rat gefragt, wie einer Familie geholfen werden kann, in der die Mutter chronisch erkrankt ist und sich immer weniger um ihr Kleinkind kümmern kann.
„In einer anderen Kita erfuhr ich von einem Kind, das durch impulsives Verhalten auffällt. Deshalb wünscht sich die Kita selbst Ratschläge, wie sie mit dem Kind umgehen kann, auch die Eltern brauchen Hilfe.“ Als Vertrauensperson, als Bindeglied zwischen Hilfesuchenden wird Gudrun Maier auf Stellen zugehen, die die nötige Hilfe gewähren können, wie z.B. eine Haushaltshilfe für die kranke Mutter stellen oder die Kita beraten, wie auf das impulsive Kind reagiert werden könnte.
„Wenn ich von Fällen erfahre, in denen Hilfe angebracht wäre, die aber diese Hilfe nicht von sich aus anfordern, oft schämen sich die Menschen, trauen sich nicht oder haben nach eigenem Empfinden schon schlechte Erfahrungen mit den „Ämtern“ gesammelt, versuche ich zuerst, eine positive Atmosphäre zu schaffen. Ich stelle die positiven Aspekte der aufsuchenden Familienhilfe heraus, zeige, dass wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten und niemanden bevormunden wollen.“
Es sei gut, so Maier, dass sie nicht eine spezielle Behörde verkörpere, sondern ein sehr flexibles Bindeglied zwischen Hilfesuchenden/Hilfebedürftigen und einem ganzen Netzwerk an Mosaiksteinen innerhalb der familienorientierten sozialen Arbeit im Landkreis Germersheim sei.
Im Moment steht ihr Schreibtisch noch in der Verbandsgemeindeverwaltung. Langfristig werde sie aber ein Büro in der Kindertagesstätte Max und Moritz in Jockgrim erhalten. Dann werde auch eine offene Sprechstunde eingerichtet. Schon jetzt ist sie immer zu einem Gespräch, auch auf „ganz neutralem Boden“ bereit. Sie höre auch einfach nur zu, wenn sich jemand ganz anonym aussprechen möchte.
„Erreichbar bin ich unter Telefon-Nummer 07271/599-175, wenn ich nicht im Büro bin, springt das Telefon auf mein Handy um!“
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