Expedition Chawwerusch begeistert mit: „Die Show – Zeitalter der Fische“

29. Mai 2018 | Kategorie: Kreis Südliche Weinstraße, Kultur

In Netzen gefangen…auch im übertragenen Sinn.
Fotos: über Chawwerusch

Herxheim – Selten wird ein Besucher vor einer Theateraufführung gemessen, bemessen, kurz selektiert, bevor dieser die Räumlichkeiten betreten darf. Auch wurde unterschieden, ob jemand einen Goldfisch für den Eintritt erhält oder nur einen silbernen Fisch.

Doch das alles gehörte selbstverständlich zu der äußerst fantasievollen Gestaltung der Bühnenshow „Zeitalter der Fische“ von „Expedition Chawwerusch“, die am Samstagabend (26. Mai) im Herxheimer Theatersaal aufgeführt wurde.

Im Hof des Theatergebäudes gab es ein Zelt namens „Zukunftsrauschen“, in welchem man sich aus den Händen so manches hat lesen lassen können.

Im hinteren Gebäude konnte geangelt werden, ein sogenanntes „Glücksangeln“, was allerdings nicht so einfach war. In welchen Gewässern fischen wir denn und was und wen haben wir dann möglicherweise am Haken?

Beim Betreten des Theatersaals stürmten Interviewer auf die Besucher zu. Sie wollten herausfinden, wie man mit Frust umgeht, stellten Fragen zur „Gefühlskälte“ oder wollten schlicht wissen: „Haben Sie ein Gefühl für mich?“

Damit wurde das Publikum sogleich auf die Aufführung eingestimmt und nicht nur als passiver Zuschauer behandelt, sondern in die Thematik aktiv eingebunden.

Bei den Sitzplätzen, die komplett ausverkauft waren, wurde unterschieden, welche für „Silberne Moderlieschen“ und welche für „Goldene Lappenfische“ waren. Zu welcher Kategorie zählte nun der Einzelne?

Ein aquaristisch anmutendes Bühnenbild, ein Angler auf der Empore, all das erschuf eine gut durchdachte Atmosphäre. Fischbrötchen gab es dann doch keine, aber ein Gewinnspiel. Der Gewinn: ein Besuch in der Nordsee – in Landau.

„Zeitalter der Fische“

Doch, was hat es damit auf sich, mit dem „Zeitalter der Fische“? „Das Zeitalter der Fische“ ist eine Beschreibung aus dem Buch „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth. Es ist das Zeitalter, in dem die Menschen gefühllos werden, kalt wie Fische und empathielos. Eine Ära, in der die Jugend keine Werte und keinen rechten Glauben mehr hat. Daran angelehnt entstand diese Show.

Die jungen und jugendlichen Akteure stellten unter Anleitung der „Chawweruschler“ Miriam Grimm und Stephan Wriecz eine Welt in 16 Sequenzen dar. In diesen Einzeldarbietungen brachten sie den Zuschauer zum Lachen, zum Nachdenken und schockierten durch so manchen Inhalt. Und ja, es gab so einiges mit Wiedererkennungseffekt aus dem Alltag.

„Wandertag“

In der Spieleinheit „Wandertag“ unternehmen Büroangestellte einen Ausflug. Als sie an einer Straße Rast machen, werden sie Zeuge eines Unfalls. Betroffen müssen sie feststellen, dass dort einer mit seinem Handy nicht Hilfe rufen will, sondern das Geschehen filmt. Entrüstet tun sie das Gleiche, anstatt zu helfen.

„Transformation“

Was passiert, wenn ein Mensch Gefühle hat? In „Transformation“ kümmern sich roboterhaft anmutende Ärzte um dieses Problem. Sie holen sich diese sogenannten Dünnhäutigen, um sie von jenen Parasiten zu befreien, Schädlingen wie „Schmetterlinge im Bauch“.

„Emotionen beim Abendessen“

Bei „Emotionen beim Abendessen“ lebt jedes Familienmitglied so vor sich hin, ohne sich wirkliche füreinander zu interessieren oder noch irgendwelche Gemeinsamkeiten entdecken zu lassen, nur der, dass jeder in seinem eigenen Netz gefangen ist. Man spielt mit den Emotionen, doch ein echtes Gefühl füreinander ist nicht vorhanden.

„Grenzenlos frei“

„Grenzenlos frei“ zeigt zwei Jugendliche, die einen Ausflug in die Natur machen. Alles ist „cool“ und es ist toll, so frei zu sein. Dann sehen die Beiden einen Igel auf dem Boden, der sich schützend zusammenrollt, zertreten ihn und nehmen es völlig gefühllos recht locker, ohne Respekt vor einem anderen Lebewesen.

„Lehrerinterview“

Auch die Filmeinspielung „Lehrerinterview“ (wurde tatsächlich mit Lehrern gefilmt), in der Aufeinanderfolge dieser kurzen Geschichten, näherte sich gezielt überspitzt der Wirklichkeit an.

Äußerungen wie „die Jugend wird emotionsloser“, sie sind „verhaltensauffälliger“ bis hin zu „mit dieser Jugend kommt das Ende der Welt“ wird den Schülern wenig Gutes attestiert. Immerhin endet das Lehrerinterview mit dem Satz „Wir haben noch Hoffnung“, was so einige Lacher einheimste.

Dieses Schauspiel wurde grandios erdacht und umgesetzt. Mit einer unglaublichen Spielfreude setzten die Darsteller eine Thematik um, die nicht nur zu Ödön von Horváths Zeit vor über 80 Jahren relevant war. Der Zuschauer wurde mit einer Fülle nicht endenwollender Einfälle bedient.

Neben Videoeinspielungen gab es musikalische Darbietungen. Theaterscout Moritz Hahn spielte Akkordeon und sang unglaublich berührend das Lied „Herz aus Stein“ (Isolation Berlin), welches vom Ablehnen der Gefühle handelt, die eh nur verletzen und quälen.

Oder das Lied „Alles grau“ in dem endlich keine Träume mehr das sind, keine Hoffnung, keine Emotionen.

Moderierend führte durch die Show der in weißem Anzug gekleidete Raphael Hahn. Sein strahlendes Grinsen und affektiertes Gehabe sorgte dafür, dass kein Auge trocken blieb. Ein Android (Johanna Gross) an seiner Seite, der ihn ständig auf seine allzumenschlichen Fehler hinwies, sorgte schlussendlich dafür, dass sein Dauergrinsen einfror und er seinen Job sprichwörtlich hinschmiss.

Gemeinsam mit Titus Waldner hatten sie danach ein musikalisches Highlight zu bieten: „Die Hoffnung stirbt demnächst“. Die beiden musikalischen Talente treten auch unter dem Namen „kunsttee“ auf und sind unbedingt sehens- und hörenswert.

Das Publikum war begeistert von dieser kraftvollen, bunten Aufführung und von den zahlreichen Talenten, die sich auf der Bühne getummelt haben. Mit lang anhaltendem Applaus und einem regen Austausch nach der Aufführung wurden die Darsteller belohnt.

Expedition Chawwerusch hat mal wieder bewiesen, dass sie mit großem Engagement tolle Arbeit leisten, die einer „Jugend ohne Gott“ viel entgegenzusetzen hat.

Mit ihrem Angebot Theaterscout zu werden, gibt das Herxheimer Theater jedem, der Lust und Interesse hat die Möglichkeit, Einblick in die Kunst des Theaterspiels zu erhalten und bei den Stücken mitzuwirken.

In der fünften Produktion hat sich erneut gezeigt, welch eine fesselnde, mitreißende und anregende Darbietung sich daraus entwickeln kann. (Gabi Kunze)

Information

Ideen und Konzept: Miriam Grimm, Johanna Gross, Raphael Hahn, Stephan Wriecz.

Theaterscouts: Sedra Alhakim, Saad Dabaan, Friederike Dauber, Pauline Dudenhöffer, Saskia Fürst, Moritz Hahn, Selina Ilschner, Samuel Kirchmer, Isabel Richter, Ives Röhm, Sophie Röther, Lina Schneeganss, Nina Ziller.

Technik: Patrick Frautschi.

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