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Demo der Neustadter Willkomm vor dem Rathaus: „Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen“

12. Januar 2021 | Kategorie: Neustadt a.d. Weinstraße und Speyer, Regional

Dr. Oesterle begrüßte die Anwesenden.
Fotos: Pfalz-Express/Ahme

Neustadt. Handel, Dienstleistung, Gastronomie und Kultur in Neustadt an der Weinstraße sehen sich in ihrer Existenz bedroht.

Grund ist die Corona-Situation, der Lockdown und die damit verbundenen Einschränkungen und Auflagen. Was schon von den Geschäftsleuten befürchtet wurde, ist eingetreten: Mit der Verlängerung des Lockdowns bis (vorerst) 31. Januar 2021 wurde das absehbare Ende der Durststrecke erneut in weite Ferne gerückt.

„Wir haben gegenüber den Medien, der Öffentlichkeit und der IHK bereits unsere Forderung erneuert, die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft, insbesondere auch des Handels, der Gastronomie und der Kultur zu beachten“, hatte Willkomm-Geschäftsführerin Charlotte Merkel gesagt. Nun hatte die Willkomm (Interessenvertretung der Unternehmen und Organisationen in Neustadt) alle Betroffenen dazu aufgerufen, am 11. Januar auf „die verheerende Situation aufmerksam zu machen.“

Die Veranstaltung direkt vor dem Rathaus wurde vom Ordnungsamt vor Ort überwacht. Mit Masken und Bodenmarkierungen wurde dafür gesorgt, dass der Mindestabstand gewahrt wird.

Der Willkomm-Vorstand, vertreten durch Dr. Manfred Oesterle, begrüßte zunächst die Anwesenden, danach folgten Redebeiträge von Sabine Omlor, Markus Schmitt, Silvia Dumont, Norbert Schied und Kai Dietrich.

Sabine Omlor

Markus Schmitt, der auch für den Einzelhandelsverband sprach, redete von Wettbewerbsverzerrung, indem Supermärkte und Discounter hemmungslos mit Artikeln aufstockten, die normalerweise von den lokalen Geschäften verkauft würden. „Doch von der Politik kommen keine Signale, weil man sich nicht mit den großen Playern anlegen möchte. Der Mittelstand muss drunter leiden, das ist eine Riesensauerei“, so Schmitt.

Seine Kritik bezog sich auch auf die bisher ausgebliebenen Hilfsmittel: „Das ist ein Verwaltungsakt hoch drei und ohne Steuerberater nicht möglich.“

Vor dem Rathaus hatte man sich platziert, doch von der Verwaltung hat sich Niemand gezeigt.

Auch den Reden der Politik wolle man nicht mehr vertrauen. „Es heißt immer, wir retten unseren Mittelstand und das Gegenteil passiert.“

Markus Schmitt

Ob überhaupt der Einzelhandel und die Gastronomie als Spreader in Frage kommen, bezweifelt Schmitt, zumal man sich und seine Kunden immer geschützt habe. Auch machten Maßnahmen keinen Sinn, „weil mit mehreren Maßstäben gemessen“ werde. Er könne nur hoffen, dass bis Ende Februar die Geschäfte wieder öffnen dürfen.

Silvia Dumont von Intersport sagte: „Wir zeigen Solidarität mit Gastronomie, Hotellerie und Kunstschaffenden. Und wir erwarten genauso Solidarität von Staat, Discountern und Supermärkten, die ungeniert dicke Prospekte streuen. Das treibt uns die Tränen in die Augen.“ Gewerbetreibende schafften ortsnahe Arbeitsplätze. Aber: „Wenn das so weitergeht, werden einige nicht mehr öffnen. Die Politik muss diese willkürlichen Bestimmungen ändern!“

Silvia Dumont

Für die Gastronomen trat Kai Dietrich vom Restaurant La Boutique ans Mikro: „So langsam geht uns die Luft aus. Wer hat denn sein Unternehmen so aufgebaut, dass er fünf Monate keine Umsätze verkraften kann? Die Gastronomen haben gewusst, dass dieser Lockdown nichts bringt“. Die Gastronomie habe nur 2 Prozent des Infektionsgeschehens zu verantworten. Durch die Schließung habe sich allerdings nichts geändert.

Dietrich schätzt, dass die Infektionszahlen eher aus überfüllten Verkehrsmitteln und Schulöffnungen resultierten. Gesundheitsämter arbeiteten mit veralteten Medien, die Soforthilfen ließen auf sich warten: „Der Staat macht nicht seine Hausaufgaben. Den Worten sollen endlich Taten folgen.“ Auch in Neustadt werde viel geredet, aber nicht gehandelt. „Ich glaube, da kommt nichts mehr. Mein Rat: Alles öffnen, aber kontrolliert mit Hygienekonzepten.“

Kai Dietrich
Foto: Pfalz-Express/Ahme

Frank Noreiks, Geschäftsführer der Filmtheaterbetriebe Spickert, war nicht persönlich anwesend und ließ sein Statement durch Dr. Oesterle verlesen.

Das Cineplex (Großkino in Neustadt – die Red.) habe nur bedingt Gelder erhalten. In der Soforthilfe sei man nicht berücksichtigt worden, in der Überbrückung nur mit 25 % . Im November und Dezember habe man noch keine Rückmeldung erhalten. „Wir sind auf uns alleine gestellt.“

In der Kinobranche sei man auf Neustarts angewiesen, die zeitgleich überall anliefen. Zu Ostern sei übrigens ein neuer James Bond-Film geplant. Insgesamt habe man eine „äußerst unbefriedigende Situation mit einer mehr als düsteren Aussicht.“

Auch für den Vorsitzenden des Innenstadtbeirats Norbert Schied war es ein Bedürfnis, seine Solidarität mit den Betroffenen zu betonen: „Wir hoffen, dass es besser wird. Wir leiden mit.“ Eine Innenstadt erleben zu müssen ohne Leben sei schlimm. „Wir danken euch, dass ein liebenswertes Neustadt aus der Stadt gemacht wurde. „Wir möchten wieder ein Lachen in den Gesichtern der Menschen sehen“. Sein Appell an die Vertreter der Politik: „Lassen Sie sie nicht alleine.“

Norbert Schied

Kai Dietrich sprach abschließend auch für die Kultur und das Konzept des „dritten Raumes“, wo sich Menschen treffen. „Wir waren einmal das Land der Dichter und Denker. Jetzt steht die Kultur nicht mehr hoch im Kurs.“

Und noch eine Willkomm-Stimme sagte klar und deutlich, dass sie die Vertreter der Stadtpolitik allen voran, OB Weigel bei dieser Veranstaltung vermisst habe. Sie hätte sich zumindest ein Statement des OBs gewünscht, was von den Anwesenden mit großem Beifall quittiert wurde. (desa)

Die unbelebte Neustadter Innenstadt.

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