Bürgerinitiative fasst zusammen: „Germersheim und seine Gefahrstofflager“

26. November 2019 | Kategorie: Kreis Germersheim

Die beiden Gefahrstofflagerkomplexe und ein schematischer Sicherheitsabstand von 1.100 Metern entlang der jeweiligen Betriebsgrenzen.
Grafik über BI „Kein Gefahrstofflager“

Germersheim – Die Bürgerinitiative „Kein Gefahrstofflager“ hat sich umfassend zur geplanten Erweiterung des US-Depots geäußert.

Germersheim habe sich in den letzten Jahren gut entwickelt. „Wie in den umliegenden Städten auch, gibt es deshalb in Germersheim eine große Nachfrage nach Wohnraum“, so Sprecher Gerald Seibel.

Um diese Nachfrage bedienen zu können, würden Baulücken geschlossen, Baugebiete verdichtet aber auch Neubaugebiete ausgewiesen und mit Hilfe von Investoren bebaut. „Germersheim wächst also. Das ist gut so und wäre auch kein Problem, wenn es zu den beiden angrenzenden Gefahrstofflagern von DP-World und dem US-Depot genug räumlichen Abstand gäbe, da diese ihrerseits auch wachsen wollen.“

Das westlich der Stadt liegende US-Depot möchte sich auf seinem Gelände zum größten logistischen Versorger von Gefahrstoffen der US-Army für Europa, Afrika und den nahen Osten entwickeln. Dazu hat der Betreiber DLA gleich mehrere Anträge auf Erhöhung der Lagerkapazität und der Neuerrichtung eines dritten Lagers gestellt.

Für die BI ein großes Problem, „da bereits eine Vielzahl von Menschen ihren Wohnraum, nur wenigen hundert Metern vom US-Depot entfernt, errichtet haben. Diese erhielten eine Baugenehmigung lange bevor die beiden im US-Depot bereits existierenden Gefahrstofflager ihre Betriebsgenehmigungen in den Jahren 2009 und 2012 erhalten haben.“

Der im Norden liegende Hafenbetrieb von DP-World sei am Anschlag seiner genehmigten Lagerkapazität und wolle aufgrund der anhaltenden guten Geschäftsentwicklung seine zulässige Lagermenge vergrößern, so Seibel.

Dazu haben sie eine entsprechende Bauvoranfrage auf den Weg gebracht. Das sei grundsätzlich erfreulich, denn der erhöhte Umsatz spüle auch höhere Einnahmen in die Stadtkasse, so die BI – „wenn nicht die Kapazitätserweiterung südlich des sogenannten Gleisbogens auf einer bisher nicht genutzten Gefahrstofflagerfläche geplant wäre, welche an das städtische Gewerbe- und Mischgebiete angrenzt.“

Im Gegenzug wolle die Stadt mit ihrem geplanten neuen Baugebiet „Am Hafen“ ein weiteres Wohn- und Gewerbegebiet entwickeln, dass bis auf wenige hundert Meter an das Gefahrstofflager von DP-World heranreiche und nun von deren Erweiterung tangiert werde.

„Hierzu muss man wissen, dass rings um ein Gefahrstofflager immer ein sogenannter Sicherheitsabstand zu ermitteln ist“, erklärt die BI. Dieser Sicherheitsabstand ist, so sagt es die Gesetzgebung, freizuhalten und darf nicht bebaut werden. Nach den schrecklichen Ereignissen des Serveso-Unfalls wurde dazu eine europaweit gültige Gesetzgebung geschaffen, die 2009 auch in das deutsche Recht umgesetzt wurde. Die Sicherheitsabstände werden in einem separaten Sicherheitsbericht ermittelt und als Teil der Betriebsgenehmigung rechtsgültig. Diese Sicherheitsberichte werden dann in regelmäßigen zeitlichen Abständen überarbeitet und an die ggf. veränderten Gegebenheiten und Gefahrstoffe des Betriebes angepasst, sodass sich der Sicherheitsabstand auch verringern kann. Dass die Sicherheitsabstände auch eingehalten werden, hat die Kreisverwaltung (KV) sicherzustellen. Durch die jetzt geplante Erweiterung der Stadt würden diese Abstände aber unterschritten, sofern diese Pläne nicht geändert werden. Die Leidtragenden sind im Unglücksfall die Menschen, die dann in der Nähe der Gefahrstoffbetriebe leben.“

Damit es nicht so weit komme, gebe es in der Gesetzgebung klare Regeln. „In einem vergleichbaren Fall ging ein Rechtsstreit zwischen der Fa. Merck KGaA und der Gärtnerei Franz Mücksch OHG, die ebenfalls bereits eine positiv beschiedene Bauvoranfrage in der Tasche hatte, bis vor den Europäischen Gerichtshof“, berichtete die BI. Dessen Urteil sei klar und eindeutig: Ein Sicherheits-abstand dürfe nicht bebaut werden. „Die Bauvoranfrage wurde widerrufen und die Kreisverwaltung bzw. das Land Hessen mussten Schadensersatz leisten. Dieses Referenzurteil EuGH C53/10 vom 15.09.2011 ist in Fachkreisen als „Mücksch-Urteil“ bekannt.“

Das alles gelte derzeit für zivilrechtliche Gefahrstofflager, also auch für DP-World. „Wird aber ein Lager als militärische Einrichtung geführt, so wie das US-Depot, dann sind diese Schutzrechtsbestimmungen zur Sicherheit der Menschen außer Kraft gesetzt.“ Um dies zu ändern hat die Bürgerinitiative, „die sich für die Sicherheit der Menschen einsetzt“, eine Petition an den Deutschen Bundestag mit der Zielsetzung eingereicht, dass zukünftig diese Schutzrechte gleichermaßen für zivile und militärische Einrichtungen gelten.

Doch wer darf sich nun vergrößern und wer nicht? Das Bestandsrecht, d.h. die zeitliche Folge der Gebäudeerrichtung sollte das eigentlich regeln.

Im Fall der Gefahrstofflager im US-Depot wäre die Sachlage recht einfach: „Da seit den 50er Jahren bereits viele Menschen in unmittelbarer Nähe des Depots gebaut haben, hätte es nach entsprechender Abwägung eigentlich 2009 gar keine derartige Betriebsgenehmigung für ein Gefahrstofflager der höchsten Gefährdungsklasse im US-Depot geben dürfen. Die Kreisverwaltung hätte entweder die bewilligte Gefahrstoffklasse und damit den notwendigen Sicherheitsabstand reduzieren können oder eine Festlegung des Lagerstandortes im hinteren Bereich des riesigen US-Depots, weit abseits von den Wohnbebauungen, verfügen können.“ Das sei aber nicht erfolgt. Die Kreisverwaltung habe den gestellten Antrag einschließlich des Nutzungswunsches des Gebäudes wie beantragt genehmigt und damit dem Wunsch der US-Depot-Betreiber entsprochen, aber die „Sicherheit der Menschen hinten angestellt.“

Nach Ansicht der BI sind beide Betriebsgenehmigungen illegal. Sie klagt deshalb vor dem Verwaltungsgericht Neustadt a.d.W. auf Schließung der beiden Gefahrstofflager im US-Depot.

Die Stadt Germersheim wiederum wolle, dem Wunsch eines Investors folgend, einen Bebauungsplan „Am Hafen“ genehmigen, der dem Investor eine Bebauung bis fast an die Rheinbrücke der B35 ermögliche und damit nur wenige hundert Meter von dem Gefahrstofflager der DP-World entfernt bleibe.

Dabei sei die Stadt willens, ein vom Investor beauftragtes Gutachten, das den erforderlichen Sicherheitsabstand von nur 650 Metern ermittelt habe, ohne nähere Prüfung zu akzeptieren und dem Stadtrat zur Beschlussvorlage vorzulegen, kritisiert die BI.

Weiter heißt es in dem Schreiben der BI: „Für die Stadtverwaltung ist damit alles in Ordnung, sie beruft sich auf die Genehmigung des Gutachtens durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd. Dabei weiß sie sicherlich, dass diese Prüfung nur formell und eben nicht inhaltlich erfolgt ist. Eine einfache Anfrage der Stadtverwaltung an die KV oder die SGD Süd hätte genügt, um den in der Betriebsgenehmigung festgelegten Sicherheitsabstand zu erfahren, den DP-World selbst mit 1.100 Metern angibt und der im Sicherheitsbericht als Teil der Betriebsgenehmigung ermittelt wurde.“

Da dieser Sicherheitsbericht regelmäßig fortgeschrieben werde, habe sich die BI durch Akteneinsicht bei der SGD Süd davon überzeugt, dass dieser Abstand auch im letzten Bericht von Juni 2017, Revision 7, unverändert geblieben sei.

DP-World selbst plant auch eine Erweiterung der Lagerkapazität. Dazu will sie zukünftig ein Stück des Betriebsgeländes nutzen, das im äußersten Süden und damit in Richtung der Stadt liegt. Dieses Gelände wurde bisher auch schon zur Lagerung genutzt, aber nicht für Gefahrstoffe. „Um das zu erreichen, hat sie eine Bauvoranfrage an die Kreisverwaltung gerichtet, die, nach Zustimmung der Stadtverwaltung, diesen Antrag positiv beschieden hat.“

Bezüglich des Sicherheitsabstands heiße es weiterhin in einem Schreiben von DP-World: „Da die Gefahrgüter an vielen Stellen des Terminalgeländes angeliefert, entladen und transportiert werden, sind richtigerweise die Grenzen des Terminalgeländes als maßgebliche Austrittsorte festzulegen, bezüglich des Vorhabengebietes also die südliche Grenze des Betriebsgeländes, die als Erweiterungsbescheid durch Bauvorbescheid genehmigt wurde.“

Diese Berücksichtigung der betriebsinternen Transportwege als mögliche Schadeneintrittsorte werde auch von der einschlägigen Rechtsprechung so gesehen und entsprechend angewendet. „Dies bedeutet, dass bereits in der Vergangenheit der Sicherheitsabstand von 1.100 Metern von den Außengrenzen des DP-World-Betriebsgeländes und nicht vom Mittelpunkt der Lagerfläche zu bemessen war und sich durch die Erhöhung der Lagerkapazität im Süden des Liegenschaftsbereiches gar keine Veränderung in der Ermittlung des Sicherheitsabstandes ergibt.“

Das aber bedeute, so die BI, dass das geplante Baugebiet Am Hafen so nicht genehmigungsfähig sei, da Teile des Baugebiets sich in dem Sicherheitsabstand von DP-World befinden würden.

„Damit die Stadt das Baugebiet Am Hafen noch realisieren kann, sollte sie sich mit den Verantwortlichen von DP-World an einen Tisch setzen und überlegen, ob durch geeignete bauliche Sicherheitsmaßnahmen oder gefahrenbegrenzende Lagerkonzepte der Sicherheitsabstand reduziert werden kann“, empfiehlt die Bürgerinitiative. „Es darf vermutet werden, dass sich das Unternehmen nicht etwas in den Sicherheitsbereich hinein bauen lässt, wenn sich für sie daraus Betriebsprobleme ergeben könnten. In einem solchen Fall darf erwartet werden, dass das Unternehmen seine rechtlichen Mittel ausschöpfen wird.“

Bedenklich sei aber auch, dass sich bereits heute zahlreiche Gewerbebetriebe innerhalb des Sicherheitsabstands befänden. Es bleibe die Frage, „wie sich dieses so entwickeln konnte, denn es ist schwierig sich hier Rechtskonformität vorzustellen.“

Die BI will den weiteren Verlauf des Verfahrens verfolgen und es „nicht zulassen, dass Sicherheitsabstände einfach verletzt werden.“

Da die BI hier kein eigenes Klagerecht hat, will sie in einem solchen Fall die SGD Süd und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) entsprechend informieren und ein behördliches Einschreiten beantragen. Um die „Sicherheitsinteressen der Menschen zukünftig besser wahrnehmen zu können“, strebt die BI eine Anerkennung als Umweltrechtsverband an.

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