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Aufstand in Bornheim: Kampf gegen die Rüttler – Schäden durch seismische Messungen

27. März 2013 | Kategorie: Landau, Regional

In der Dunkelheit kamen die Rüttler zurück. Fotos: Müller

Bornheim – Am 8. März ließ der Energieversorger „GDF SUEZ Energie Deutschland“ in der Hornbachstraße in Bornheim Rüttelarbeiten durchführen. Erdölvorkommen wollte man aufspüren und zwar mit Spezialfahrzeugen, bei denen eine Rüttelplatte Wellen etwa 1000 Meter tief in den Boden sendet und mehrere Sekunden lang Frequenzen von unter 10 bis über 100 Hertz erzeugen.

Am Abend zuvor hatten aufgebrachte Bornheimer Bürger mit einer Versammlung und quer gestellten Fahrzeugen die Rüttler und damit die seismischen Messungen zuerst stoppen können. Am nächsten Tag kamen die Rüttler zurück.

Zuvor hatte Jagdpächter Rolf-Dieter Müller Widerspruch gegen die Messungen eingelegt. Laut Anwalt des Jagdpächters waren die fortgeführten Rüttelarbeiten damit eindeutig rechtwidrig. Die dennoch durchgeführten Messungen haben nun ein Nachspiel: Der Jagdpächter hat eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Beamten Dr. Thomas Dreher und weitere beim Landesamt für Geologie und Bergbau (LGB) etwaig Verantwortliche eingereicht.

„In einer Stellungnahme sagte Dr. Dreher lediglich, es sei das Problem von GDF SUEZ, wenn seine Mitteilung nicht an die Subunternehmer weitergegeben worden sei“, so der mit der Angelegenheit betraute Rechtsanwalt Werner Forkel. „Dass das Problem dann auf dem Rücken der Anwohner ausgetragen und gerüttelt wurde, hat er schlichtweg ignoriert.“

Offenbar hatte es sich so zugetragen, dass der Beamte keine Schritte unternommen hatte, um die sofortige Einstellung der Rüttelarbeiten sicherzustellen, nachdem er vom Rechtsanwalt des Beschwerdeführers und einem weiteren Bornheimer Bürger telefonisch mehrfach konkrete Hinweise erhalten hatte, dass die Rüttelarbeiten trotz der klaren Rechtslage andauern. „Auch unsere Anregung, einen Mitarbeiter vor Ort zu entsenden, um das rechtswidrige Treiben des dort weiter tätigen Unternehmens zu beenden, wurde nicht angenommen“, so Forkel.

„Diese Untätigkeit des Bergamts kann nicht hingenommen werden. Der gesamte Vorgang erweckt den Eindruck, dass das Ministerium von Frau Lemke und dessen nachgeordnete Behörden entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind, geltendes Recht gegenüber Bergbauunternehmen durchzusetzen.“

Mittlerweile häufen sich die Beschwerden der Bürger, in deren Straßen Rüttelarbeiten durchgeführt wurden. Das Wirtschaftsministerium in Mainz hält sich nach Aussage von Anwalt und Bürgern bisher bedeckt und ließ keine öffentliche Stellungnahme verlautbaren. Jedoch mehren sich weiter die Meldung aus nahezu allen Gemeinden in denen Messungen durchgeführt wurden: Die Schwingungen haben offensichtlich zu Rissen in den Hauswänden geführt, in manchen Fällen zu Bodenabsenkungen.

Derweil hat das Unternehmen Wintershall – ein Erdölförderer und Tochterunternehmen der Ludwigshafener BASF – angekündigt, eigene Messungen durchführen zu wollen. Bisher soll die von GDF SUEZ und – wie Wintershall auf seiner firmeneigenen Webseite vermerkt – einem „Konsortium“ vermessene Fläche in der Südpfalz über 360 Quadratkilometern betragen. Das Gebiet, in dem Wintershall mit seinen Partnern EMPG und ITAG seit über 50 Jahren Öl fördert, sollte ebenfalls mit Hilfe der Seismik genauer erkundet werden (Stadt Landau und nördlich angrenzende Gemeinden). Allerdings erst im Herbst: „Aufgrund von Verzögerungen bei der Durchführung lassen sich die Messungen nun nicht mehr vor Beginn der Vegetationsperiode sowie der Setz-und Brutzeiten abschließen“, ließ Wintershall verlautbaren.

Rüttler am Feldrand.

Die Bornheimer indes haben sich formiert. In einem Bürgerforum sprachen sich über 500 Bornheimer mit Unterschriften gegen weitere seismische Messungen aus. Bei einer Versammlung im Dorfgemeinschaftshaus waren es sogar 80 Prozent. Besonders Ortsbürgermeister Dr. Karl Keilen kommt nicht gut weg: „Karl Keilen und die CDU‐geführte Ratsmehrheit missachten die Interessen der Bornheimer Bevölkerung“, heißt es in einem Info-Blatt des Bürgerforums. Und weiter: „Holte der im Wirtschaftsministerium tätige OB Keilen die Rüttler nach Bornheim um die Macht des grün‐geführten, bürgerverachtenden Wirtschaftsministeriums in Mainz zu demonstrieren? Das Bergamt ist weisungsgebunden. Verantwortlich ist die Wirtschaftministerin Evelin Lemke und deren Berater, u.a. möglicherweise auch Karl Keilen aus Bornheim, der selbsternannte Energieexperte und beratungsresistente Geothermie‐Befürworter.“

Die Stimmung ist aufgeheizt, das grüne Umwelt- und Wirtschaftsministerium am Tiefpunkt der Akzeptanz angelangt.

Unterdessen hat sich das Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung im Rahmen einer Anfrage der Abgeordneten Barbara Schleicher-Rothmund (SPD) zum Thema Mediationsverfahren „Tiefe Geothermie Vorderpfalz “zu den Inhalten bekannt, die von den Bürgern vorgeschlagenen Verbesserungen aufzunehmen und umzusetzen. Kern des Vorschlags sind der Schutz vor Lärm, des Grundwassers, Erdbeben- und Haftungsfragen sowie eine deutliche Verstärkung der Bürgerbeteiligung. Tatsächlich sei bereits im Dezember 2012 im Bundesrat beschlossen worden, eine größere Zahl von Bergbauvorhaben bei Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen wie Erdöl und Erdgas, sowie für Vorhaben der Tiefen Geothermie mit einer Beteiligung der Öffentlichkeit und einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, so Ministerin Lemke in ihrem Schreiben. Weitere Schritte zur Anpassung des Bergrechts auf den Gebieten der Öffentlichkeitsbeteiligung und des Bergschadenrechts seien geplant.

Wie das Ministerium Schleicher-Rothmund weiter unterrichtete, habe das Landesamt für Geologie und Bergbau als Bergbehörde im Zulassungsverfahren „kein Ermessen“. Die Handlungsspielräume der Behörde seien durch den Bundesgesetzgeber erheblich eingeschränkt. „Das Ministerium strebt deshalb im Mediationsverfahren eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen an, bis die Verbesserung der gesetzlichen Regelungen umgesetzt worden ist. Diese Linie scheint mir zum momentanen Zeitpunkt angemessen, bis wir auch auf gesetzlicher Ebene einen Schritt weiterkommen“, so Schleicher-Rothmund abschließend.

Eine Selbstverpflichtung der Unternehmen – keine befriedigende Lösung für die Betroffenen. Alles ist offen, denn solange keine gesetzliche Vorgabe verfügbar ist, stehen nicht wirklich Mittel zur Verfügung, Unternehmen zu Verhandlungen mit den Bürgern zu an einen Tisch zu bringen.

Viele Bornheimer haben jedenfalls die Speere aufgestellt und fordern, den für sie „fragwürdigen Ratsbeschluss vom 18.12.2012“ umgehend aufzuheben und keine weitere seismischen Untersuchungen zuzulassen. (cli)

 

 

 

 

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