„Unvereinbar mit Landesverfassung“: Land muss Kommunalen Finanzausgleich neu regeln – Stimmen aus den Landkreisen

CDU-Statements zum Urteil des Verfassungsgerichtshofs

17. Dezember 2020 | Kategorie: Kreis Bad Dürkheim, Kreis Germersheim, Politik regional, Regional, Südwestpfalz und Westpfalz

Der Pirmasenser OB Markus Zwick zeigte sich mit dem Urteil zufrieden.
Archivfoto: Allmann-Stübinger/Pfalz-Express

Dem am 16. Dezember vom Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (Koblenz) verkündeten Urteil zufolge ist das gegenwärtige Landesfinanzausgleichsgesetz mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz unvereinbar.

Geklagt hatten die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern gegen das Land (vertreten durch  Innenminister Roger Lewetz, SPD). Landrat Ralf Leßmeister (Landkreis Kaiserslautern, CDU) und Oberbürgermeister Markus Zwick (Pirmasens, CDU) zeigten sich in ersten Stellungnahmen mit dem Urteil zufrieden. Die Haltung des Landes sei bisher davon geprägt gewesen, das Problem auszusitzen, erklärte Markus Zwick.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Christof Reichert aus Hauenstein (Südwestpfalz) erklärte, er begrüße die Entscheidung. Der Verfassungsgerichtshof habe der Landesregierung erneut Verfassungsbruch bescheinigt. „Was wir vor Ort in den Kommunen schon jahrelang beklagen, wurde jetzt vom höchsten Gericht in Rheinland-Pfalz bestätigt: Die SPD-geführte Landesregierung hat den Kommunen über Jahre zu wenig Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben überwiesen“.

Die Landesregierung habe „an der Misere der Kommunen Schuld“. Gut sei auch, dass der Verfassungsgerichtshof das Land ermahne, die Altschuldenproblematik zu lösen. Das Urteil mache Hoffnung, dass die klammen Kommunen in Rheinland-Pfalz bald besseren Zeiten entgegensehen könnten.

Frist bis 2023

Die Landesregierung ist nun gezwungen mit den Kommunen bis zum 1. Januar 2023 eine verfassungskonforme Regelung zu finden. Dem Land wurde auferlegt, seinen Gemeinden und Gemeindeverbänden ausreichend Geld für die Erfüllung der ihnen übertragenen „Pflichtaufgaben“ zur Verfügung zu stellen, wie beispielsweise Kindertagesstätten, ebenso für „freiwillige Ausgaben“ wie unter anderem Büchereien. (Werner G. Stähle)

Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld
Foto: KV DÜW

Landrat Ihlenfeld (Kreis Bad Dürkheim):

Auch DÜW-Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld begrüßt diese Entscheidung: „Das Urteil war überfällig.“ Auf das frühere Urteil des Landesverfassungsgerichts von 2012 (Neuwieder Urteil) habe das Land nicht ausreichend reagiert, der Finanzausgleich habe den Kommunen zu wenig Geld zugewiesen, sagt Ihlenfeld.

„Die Kommunen in Rheinland-Pfalz drückt, so ist es auch im Landkreis Bad Dürkheim, eine Schuldenlast, die in den letzten Jahren trotz sprudelnder Steuereinnahmen nicht nachhaltig reduziert werden konnte.

Der kommunale Finanzausgleich muss dazu führen, dass die kommunalen Ebenen ihre wachsenden Aufgaben erfüllen können und der Selbstverwaltung Gestaltungsspielräume bleiben. Die Vorgehensweise des Landes, von den Kreisen stetig die Erhöhung der Kreisumlage zu fordern, war der falsche Weg. Es fehlt Geld im System.“

Der Kreis Bad Dürkheim nehme seit Jahren bei seinen Leistungen für die Bürger schmerzhafte Einsparungen vor. „Durch das Urteil fühlen wir uns in unseren Forderungen – alljährlich bei den Haushaltsberatungen wiederholt – gegenüber der Landesregierung bestätigt!“

Er erwarte, dass die Landesregierung nun zügig nachbessere, um den Kommunen notwendige Handlungsspielräume wieder zu ermöglichen. Außerdem sei ein Konzept zur Entschuldung der Kommunen dringend geboten. „Danke an die Stadt Pirmasens und den Landkreis Kaiserslautern, die mit ihren Klagen gegen das Land den Prozess angestoßen haben, der jetzt zum wegweisenden Urteil geführt hat.“

MdL Peter Lerch
Foto: red

MdL Peter Lerch: Weiterer Verfassungsbruch der Landesregierung

Die Finanzausstattung der Kommunen orientiere sich nicht am konkreten Bedarf und sei deshalb verfassungswidrig. „Nach dem vom Oberverwaltungsgericht attestierten Verfassungsbruch bei der Beförderungspraxis – Günstlingswirtschaft und „Gutsherrenart“ – hat nun der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof erneut dieser Landesregierung Verfassungsbruch attestiert“, so der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Lerch in Reaktion auf das Urteil.

Der Abgeordnete verweist darauf, dass dieser Missstand seit 2007 bestehe. Die Ergebnisse ließen sich an der Verschuldung der Kommunen ablesen: „Von den 7 der bundesweit am höchsten verschuldeten Städten kommen alleine 5 aus Rheinland-Pfalz. Und 4 von 5 der bundesweit am höchsten verschuldeten Landkreise kommen aus diesem Bundesland. Kein Wunder, dass Innenminister und Rechnungshof höhere Grund- und Gewerbesteuer fordern – der Bürger soll zahlen.“ Das sei nach Überzeugung Lerchs „investitionshemmend, steuertreibend und verfassungswidrig“.

„Seit Jahren beklagen auch die Stadt Landau und der Landkreis SÜW die völlig unzureichende Finanzausstattung um die vom Land zugewiesenen Aufgaben, gerade im Jugend- und Sozialbereich, zu stemmen. Während das Land immer neue Wohltaten verspricht, beziehungsweise gesetzlich verankert, lässt es die Kommunen mit der Bewältigung der Kosten weitgehend alleine.

Ein aktuelles Beispiel stellt der ab Juli 2021 geltende Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz in den Kitas dar. Bei den zu erwartenden Baukosten duckt sich das Land wieder gekonnt weg. Auch die jüngste Entscheidung, dass von den 312 Millionen Euro welche als Ausgleichszahlungen für wegbrechende Gewerbesteuern bereitstehen, Landau nichts bekommen soll, passt in dieses Schema“.

Nach Lerch beschränke sich diese Thematik nicht auf finanztheoretische Diskussionen zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen. Die Auswirkungen seien für jeden Bürger deutlich zu spüren.

„Zu spüren bei der Erhöhung von Steuern und Gebühren, zu spüren bei der Begrenzung der „freiwilligen Leistungen“ wie beispielsweise bei Volkshochschule, Zoo, Kultur und Sport. Aber auch zu spüren, bei der Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung, weil die Kommunen nur noch an der „kurzen Leine“ der Kommunalaufsicht ihre ureigensten Angelegenheiten regeln dürfen“ so Lerch.

Landrat Dr. Fritz Brechtel, Kreis Germersheim

Landrat Dr. Fritz Brechtel
Foto: Pfalz-Express

Landrat Brechtel: „Kommunen finanziell zukunftsfähig machen“

„Ein gutes Urteil für die Kommunen und damit für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Rheinland-Pfalz“, kommentiert GER-Landrat Dr. Fritz Brechtel das aktuelle Urteil, „dass das Land verpflichtet, ein neues System des Landesfinanzausgleichs zu schaffen, welches sich an den tatsächlichen Aufgaben der Kommunen orientiert. Das Gerichtsurteil besagt, was wir schon lange fordern, nämlich, dass das Land die Kommunen endlich so auskömmlich mit Finanzmitteln versorgen muss, dass wir unsere gesetzlichen Pflichtaufgaben erfüllen können. Bisher bekommen wir gesetzliche Aufgaben, aber nicht die erforderlichen Finanzmittel dafür. Deshalb sind viele Kommunen hoch verschuldet.“

Bereits 2014 und 2018 hatte der Kreistag die mangelnde Finanzausstattung der Kommunen über Resolutionen gegenüber der Landesregierung beklagt. Insbesondere hat der Landkreis 2018 über eine Umstrukturierung des Landesfinanzausgleichs 5 Mio. Euro jährlich verloren.

„Viele Kommunen konnten in den letzten Jahren auch eigene Aufgaben kaum noch wahrnehmen oder mussten sich verschulden“, so Brechtel. Das Land müsse nun endlich einen aufgabenangemessenen Finanzausgleich schaffen – in den nächsten zwei Jahren.

Das könne künftig zu einer Entspannung bei der Diskussion um die Kreisumlage und deren Höhe führen, meint Kreiskämmerer Martin Schnerch. „Das gilt ebenfalls für die Verbandsgemeindeumlagen und wäre dadurch ein positives Zeichen für viele finanzschwächere Gemeinden im Landkreis“, hofft er.

Landrat Dietmar Seefeld, Südliche Weinstraße

Landrat Dietmar Seefeldt
Foto: Iversen

SÜW-Landrat Dietmar Seefeldt sagte zu dem Urteil: „Der Rechnungshof, die kommunalen Spitzenverbände sowie alle Landräte in Rheinland-Pfalz kamen bereits mehrfach zu dem Ergebnis, dass die Finanzausstattung durch das Land Rheinland-Pfalz unzureichend ist, was nun erneut gerichtlich untermauert wurde. Aufgrund des strukturellen Defizits fehlt den Kommunen seit Jahren Geld für Investitionen, Unterhaltungsarbeiten, neue und wichtige Aufgabenfelder sowie freiwillige Leistungen, die auch möglich sein müssen. Ich bin außerordentlich froh, dass der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen ist und der kommunale Finanzausgleich nun zugunsten der Kommunen auf neue Füße gestellt werden muss. Denn auch die im Bundesvergleich enorm hohe Schuldenlast der rheinland-pfälzischen Kommunen ist durch die verfassungswidrige Unterfinanzierung im Rahmen des Finanzausgleichs wesentlich mit verursacht worden – und die dadurch eingetretenen Folgen sind verheerend.“

Ein ‚weiter so‘ wäre nicht mehr länger möglich gewesen, so Seefeldt. Das Land müsse nun eine ernsthafte Lösung erarbeiten, einen spürbaren Beitrag leisten und unter anderem den Landkreisen von seinen Steuereinnahmen ausreichend Mittel für die vorhandenen Aufgaben zur Verfügung stellen, „damit dies nicht mit erneuten Klagen erstritten werden muss.“

Martin Brandl, MdL, CDU

Martin Brandl

Der CDU-Landtagsabgeordnete Martin Bradl (CDU) sagte: „Den Kommunen fehlt Geld; bei sehr vielen Gemeinden reicht es nicht einmal für die Erfüllung ihrer umfangreichen Pflichtaufgaben.“

Die Landesregierung verschließe davor seit Jahren die Augen. „Die Landesregierung trägt die Hauptschuld an der steigenden Verschuldung der Kommunen“, sagt Brandl, „in Zukunft können wir uns die seit Jahren geführten Debatten über die Neuverschuldung des Landkreises im Kreistag sparen – der Verfassungsgerichtshof hat diese Diskussion nun final entschieden. Das Land muss nach dieser schallenden Ohrfeige durch das oberste rheinland-pfälzische Gericht endlich für einen rechtskonformen Landesfinanzausgleich sorgen, anstatt sich auf Kosten der Kommunen als Wohltäter zu inszenieren.“

Auch die SPD im Kreistag solle diesbezüglich ihre Haltung überdenken: „Noch in den letzten Wochen hatte sie sich mit dem Hinweis auf angeblich üppige Finanzzuwendungen aus Mainz geweigert, einen Appell an das Land zu unterstützen, dem Landkreis mehr Geld für die kommunalen Leistungen in der Corona-Pandemie zur Verfügung zu stellen.“

 

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