Rheinzabern: Parforceritt durch eine bewegte Zeit – Revolution 1848/49 in der Pfalz im Zeitraffer

1. Oktober 2018 | Kategorie: Kreis Germersheim, Kultur

Die Abbildung (Quelle: Erich Schneider/Jürgen Keddigkeit: Die Pfälzische Revolution 1848/49. Kaiserslautern 1999, S. 219) zeigt das Denkmal für die Gefallenen der Schlacht von Kirchheimbolanden 1849.
Foto: Beil

Rheinzabern – In einem wahrlichen Parforceritt durch die Revolution in der Pfalz in den Jahren 1848/49 bewegte sich Referent Jürgen Keddigkeit, der es trefflich verstand, die vielfältigen Ursachen, Anlässe und Wirkungen zu ordnen und das Interesse seiner begeisterten Zuhörer an der Heimatgeschichte zu fördern.

Schließlich standen diese Episoden nicht in den Geschichtsbüchern, meinte vhs-Leiter Gerhard Beil, doch zeigen sie die Verflechtung der kleinen Region Pfalz in die europäische und deutsche Geschichte.

Ausgehend von der Französischen Revolution, in deren Folge das gesamte linke Rheinufer ab 1798 zu Frankreich gekommen war, ergaben sich für die Pfalz vielfältige Entwicklungschancen. Der bis dahin aus fast 50 Herrschaften bestehende Raum wurde Teil eines einheitlichen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Maßen, Gewichten und Recht.

Die Wirtschaft begann zu prosperieren. Als im Jahre 1816 die Pfalz als ungelebtes Kind (die Bayern liebäugelten vergeblich mit dem Salzkammergut) zu Bayern kam, wurden zwar für die Pfälzer manche Privilegien beibehalten, doch erschwerten die hohen Zölle rings um die zur Enklave gewordene Pfalz Handel und Wirtschaft.

Zudem wuchs im frühen 19. Jahrhundert die pfälzische Bevölkerung sehr stark, so dass angesichts noch fehlender Industrie die durch Realerbteilung geschwächte Landwirtschaft als Existenzgrundlage nicht ausreichte.

Hunger, Auswanderung, Proteste waren die Folgen, die nicht nur 1832 beim Hambacher Fest sichtbar wurden, sondern auch nach der Februarrevolution in Frankreich im Jahre 1848. Weite Teile Europas waren von Unruhen und Aufständen aufgewühlt, von Paris über Berlin, Prag, Budapest, Mailand, München, Karlsruhe und andere Residenzstädte, wo sich die adligen Regierungen aus dem Staub machten bzw. liberale Regierungen einsetzten. Freiheit und Einheit sollten die Probleme lösen.

Wie aufgewühlt die Bevölkerung der Pfalz im Jahre 1848 war, mag eine Zahl verdeutlichen: Am 24. 2.1824 hatte der französischen König Louis Philippe abgedankt. Schon am 27.2. forderte in Mannheim eine Volksversammlung Presse- und Vereinsfreiheit, Volksbewaffnung und ein deutsches Parlament.

Am 20.3. erreichte eine pfälzische Delegation dem bayerischen König Ludwig I. eine Forderung von 29 Punkten. Ludwig I. trat am gleichen Tag zurück, allerdings durch andere schwerwiegende Fakten bedingt.

Am 9. April 1848 wird in Kaiserslautern der Volks- und Vaterlandsverein gegründet. Am 18.5.1848 wird die Nationalversammlung in der Paulskirche eröffnet, darunter befinden sich 10 Delegierte aus der Pfalz. Im Juni sprechen Parlamentarier der Paulskirche in der Pfalz, darunter Robert Blum.

Am 9.11.1848 wird in Wien Robert Blum erschossen. Ende Dezember 1848 werden die Grundrechte veröffentlicht. Am 27.3.1849 wird die Verfassung der Paulskirche angenommen, am Tag drauf der preußische König Friedrich Wilhelm VI. zum „Kaiser der Deutschen“ gewählt.

Am 3. bzw. 28. April lehnt er die Kaiserkrone ab und enttäuscht damit viele Menschen. Auf Basis einer kleindeutschen Lösung sollte der König von Preußen Staatsoberhaupt eines zu schaffenden Reiches werden, doch verweigerte der preußische König das Angebot, weil es von Demokraten kam und nicht vom Adel – behaftet mit dem „Ludergeruch der Revolution“.

Am 1. 5.1849 erklärt auch Bayern die offizielle Ablehnung der Reichsverfassung. Am 2.5.1849 beschloss eine Volksversammlung von 10.000 Menschen in Kaiserslautern (damals gerade 3.500 Einw.!) einen Verteidigungsausschuss mit dem Ziel, Volkswehreinheiten zu bilden und Widerstand gegen die bayerische Obrigkeit zu leisten. Die Staatsbeamten sollten den Eid auf die Reichsverfassung ablegen, womit der Bruch mit Bayern besiegelt war.

Am 8.5.1849 wird der Kommandant der Wiener Nationalgarde, Fenner von Fenneberg, zum Oberbefehlshaber der rheinpfälzischen Volkswehr ernannt. Die am 17.5.1849 gewählte Revolutionsregierung wird am 19.5. von Kaiserslautern in die Bezirkshauptstadt Speyer verlegt, worauf die bayerische Bezirksregierung in die Festung Germersheim ausweicht.

Ein Versuch der Volkswehr, in die Festung Landau einzudringen und sich der Waffen zu bemächtigen, scheitert am 20.5.1849 kläglich.

Der Widerstand sollte insgesamt ein dilettantisches Unternehmen werden, weil es an Soldaten, Waffen und Geld fehlte. Dazu galten die Garnisonen Landau und Germersheim als Pfahl im Fleisch der Revolutionäre. „Säbelschlepper“ nannte man verächtlich die Truppe, deren 3. Oberbefehlshaber Francois Sznayde „Messer und Gabelmehr als den Säbel“ liebte. Die bunte Truppe verfügte über 12 Kanonen aus Baden, wo ja unter Friedrich Hecker 1848 ebenfalls eine Revolution ausgebrochen war.

Schließlich bat die bayerische Regierung am 4.6.1849 Preußen um Hilfe. Preußen rückte mit 3 Divisionen gut ausgebildeter Soldaten von Westen und Norden in die Pfalz ein.

Bei Kirchheimbolanden gab es am 16.6.1849 ein Scharmützel, in dessen Folge 17 Freischärler ihr Leben ließen. Nach einem weiteren verlustreichen Gefecht bei Rinnthal am 17.6.1849 zogen sich die pfälzischen Truppen am 18.6. über den Rhein zurück. Im Gefecht bei Waghäusel am 21.6.1849 konnten badisch-pfälzische Revolutionäre unter Oberbefehl des polnischen Offiziers Ludwik Moraslawski den von Germersheim heranrückenden preußischen Truppen kurz Paroli bieten.

Schließlich kam es am 23.6.18 – zusammen mit der badischen Armee – zur Kapitulation der Freischärler in der Festung Rastatt.

Zur Schaffung eines deutschen Reichs war es erst nach dem Krieg 1870/71 gekommen, nachdem Bismarck Frankreich provoziert und damit eine nationale Begeisterung erzeugt hatte. Demokratische Grundrechte wurden erst in die Weimarer Verfassung von 1919 aufgenommen, an der übrigens Maximilian Pfeiffer aus Rheinzabern mitwirkte.

Standen 1919 die Grundrechte noch weit hinten in der Verfassung, so bilden sie heute den Anfang und wichtigsten Teil unseres Grundgesetzes.

1848/49 aber war ein wichtiger Meilenstein der deutschen und europäischen Geschichte. Und mittendrin die Pfalz. Selbstredend, dass das angebotene Buch schnell abverkauft war.

 

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