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Prof. Dr. Hoffmann und Karl Betz: „Die Verbandsgemeinde Hauenstein ist es Wert, erhalten zu bleiben – Gebietsreformen sind verheerend für das Heimatgefühl der Menschen“

15. Mai 2019 | Kategorie: Südwestpfalz und Westpfalz

Entstehendes interkommunales Gewerbegebiet der Ortsgemeinden Wilgartswiesen und Hauenstein (Teilansicht),  Aufnahme März 2019.
Foto: Werner G. Stähle

Hauenstein (Südwestpfalz). Die Verbandsgemeinde Hauenstein ist es Wert, erhalten zu bleiben, lautete die geradezu manifestative Erklärung von Prof. Dr. Peter Hoffmann und Karl Betz (beide Hauenstein) im Gespräch mit dem Pfalz-Express. Ein Gemeinwesen, das nach schwieriger Geburt gewachsen und zusammengewachsen sei, zerschlagen zu wollen, nur weil es weniger als 12.000 Einwohner habe, sei weder gerechtfertigt noch sensibel sondern unvernünftig, so der Tenor des Gesprächs.

Die Verbandsgemeinde (VG) Hauenstein sei auf einem guten Weg und dies aufgrund eigener Initiative und Anstrengung, betonten die Gesprächspartner. Diese Verbandsgemeinde sei die „Finanzstärkste“ im Landkreis Südwestpfalz, basierend auf der „Steuerkraft-Messzahl“ (Grundlage für die Erhebung der (abzuführenden) „Kreisumlage“) und für die Zukunft bestens gerüstet. Im Fall einer Fusion wäre diese Verbandsgemeinde der Verlierer. Die VG Hauenstein sei Nachweis, dass die Einwohnerzahl als alleiniges Kriterium für die Leistungsfähigkeit solcher kommunaler Zusammenschlüsse untauglich sei. Die „Erfolgsgeschichte“ dieser Verbandsgemeinde müsse fortgesetzt werden, alles andere sei „Unsinn“. Gemeinden durch Schaffung eines größeren Verbandes einer Fremdbestimmung zu unterwerfen sei nicht erfolgversprechend. Die entschlossen und zügig angegangenen jüngsten Zukunftsprojekte ließen sich künftig so nicht realisieren, wenn nicht mehr „vor Ort“ entschieden werden könne.

Die Ortschaften dieser Verbandsgemeinde seien (in jüngerer Zeit) zweimal einem grundlegenden Wandel ausgesetzt gewesen und die Bevölkerungen hätten sich dem stets gewachsen gezeigt. Das Bauerndorf Hauenstein habe sich (ab 1886) „zum größten Schuhdorf Deutschlands“ entwickelt, mit 35 Schuhfabriken im Ort sowie Betrieben in nahezu allen Nachbargemeinden und darüber hinaus. Damals seien die Fabriken noch zu den Menschen gekommen, wurde eingeflochten. Über 5.000 hätten hier Arbeit und Einkommen gehabt. Dann (die administrativ 1973 entstandene und 1975 verkleinerte Verbandsgemeinde gab es bereits) sei ab Anfang der 1980er Jahre die Schuhindustrie „zusammengebrochen“ und Ersatzarbeitsplätze seien fast nur noch in großer Entfernung zu finden gewesen, hauptsächlich „entlang der Rheinschiene von Wörth/Karlsruhe, Germersheim, Offenbach (damals Sitz von ICI) bis Ludwigshafen“, schilderten Karl Betz und Professor Hoffmann die Entwicklung.

Trotz dieser „schmerzlichen Rückschläge“ hätten sich die Gemeinden „wieder gut entwickelt“, dank richtiger und weitsichtiger Initiativen und Entscheidungen der kommunalen Gremien und Funktionsträger sowie dem Fleiß und der Flexibilität der Bevölkerung, zeigten sich die Gesprächspartner überzeugt. Die Leute pendelten zur Arbeit, und Gewerbebetriebe sowie der Tourismus hätten sich gut entwickelt. Die „Schuhmeile“ in Hauenstein (Einkaufzentrum für Schuhe und Sportartikel) sowie „Deutsches Schuhmuseum Hauenstein“ mit integriertem „Pfälzisches Sportmuseum“ seinen „Alleinstellungsmerkmale“, die örtlicher Initiative und Beharrlichkeit zu verdanken seien.

Diese Verbandsgemeinde sei „für die Zukunft gewappnet“, wurde betont. Beispielsweise würden die Ortsgemeinden Wilgartswiesen und Hauenstein derzeit gemeinsam ein großes Gewerbegebiet einrichten mit direktem Anschluss an die Bundesstraße 10 sowie die Bahnlinie. In Hauenstein (Ortsgemeinde) entstünde derzeit ein „schönes sonnenreiches Neubaugebiet mit 40 bezahlbaren Bauplätzen“. Dort gebe es bereits jetzt Nachfrageüberhang.
Statt abgewickelt zu werden, müsse die Verbandsgemeinde weiterentwickelt werden fordern Karl Betz und Professor Hoffmann, „zum Beispiel durch ein zusätzliches Industriegebiet“.

Bei einer Fusion oder gar Zwangsfusion wären nahezu alle Gemeinden der Verbandsgemeinde „große Verlierer“ und die Verlagerung des Verwaltungssitzes führe zu weniger Bürgernähe, zeigten sich beide überzeugt. Auf diese Weise würde die bestehende Verbandsgemeinde in ihrer Entwicklung nicht gefördert sondern geschwächt. Die Bürger fühlten sich nicht mitgenommen. „Am schlimmsten ist, die Zufriedenheit der Bürgerschaft mit der Demokratie nimmt spürbar ab“, beurteilten sie ihre Wahrnehmungen. Der VG Hauenstein würde der zweite Schlag versetzt nach dem nahezu ersatzlosen Verlust der Schuhindustrie.

„Gebietsreformen“ hätten ausschließlich Nachteile für die Bürgerschaft. Alle Untersuchungen würden belegen: „keine Einsparungen bei Verwaltungskosten und keine Leistungsverbesserung der Verwaltung“. Das würde (von der Landesregierung) Gebietsreformen lediglich „angedichtet“, betonte Karl Betz, der sich offenbar umfangreich in die Thematik eingearbeitet hat und zur Untermauerung eine Vielzahl von Studien, Auswertungen und Meinungsveröffentlichungen vorlegte. Diese titeln beispielsweise mit „ Gebietsreformen sparen kein Geld“ (S. Blesse und F. Rösel, (ifo Institut) in Fachzeitschrift „Kommunal“), „Gebietsreformen sind nicht mehr zeitgemäß!“ (Dorfforscher G. Henkel in „Kommunal“.) Eine andere Studie des ifo-Institutes (Dresden) käme zum Ergebnis: „Gebietsreformen sind verheerend für das Heimatgefühl der Menschen. Davon profitieren radikale Parteien. Auch die Wahlbeteiligung sinkt nachweisbar.“
Berichte oder Studien die Zusammenschlüsse von Verbandsgemeinden als empfehlenswert darstellen, habe er keine finden können, erklärte Karl Betz auf Nachfrage.

Als Alternative zu Auflösungen von Gemeinwesen werden von Professor Hoffmann und Karl Betz Kooperationen mit benachbarten Verbandsgemeinden vorgeschlagen, „darunter in Tourismus, Energieversorgung, Feuerwehr, Wirtschaft und Verwaltung.“ „Durch gute Zusammenarbeit erreichen wir mehr“, wurde appelliert. Karl Betz denkt an ein „Pilotprojekt“ und äußerte: „Sinnvolle Kooperationen sind besser als politisch diktierte Fusionen“. Ein Zusammenschieben von Schreibtischen hingegen bringe nur Nachteile. Die VG Dahner Felsenland beispielsweise sei erfolgreich im Tourismus. Davon könnte im Fall einer Kooperation die VG Hauenstein profitieren und auch für die Partner-Verbandsgemeinde ergäben sich Vorteile und Einsparungen.

Auch aus der Wirtschaft sei bekannt und von der Politik anerkannt, dass kleine und mittlere Betriebe die leistungsfähigsten und flexibelsten wären. „Die Verbandsgemeinde Hauenstein ist seit Bestehen die kleinste im Landkreis – und war immer die finanzkräftigste und wirtschaftlich stärkste“, betonte Professor Hoffmann sowie ausdrücklich nochmals, „und sie ist gerüstet für die Zukunft.“ Er fügte an: „Die in Mainz entscheiden nur mit Blick auf Zahlen und die Landkarte, nicht mit Blick auf die Menschen und das wirtschaftliche Potential.“ Von den dortigen Entscheidungsträgern würde möglicherweise das Schicksal einer einzelnen Verbandsgemeinde als Marginalie erachtet, für jeden betroffenen Bürger sei die Zukunft seiner Gemeinde aber von großer Relevanz. Professor Hoffmann: „Es ist ganz legitim und einleuchtend, wenn eine erfolgreiche Verbandsgemeinde um ihre Selbständigkeit kämpft und sich gegen die Zerschlagung wehrt. Das ist der Grund, warum ich mich engagiere.“

Anmerkungen des Verfassers

Das „ifo-Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.“ ist allgemein bekannt vor allem durch den von diesem ermittelten „Ifo-Geschäftsklima-Index“, der regelmäßig veröffentlicht wird. Es hat eine Niederlassung in Dresden. (http://www.ifo.de/)
Die Fachzeitschrift „KOMMUNAL“ (Zimper Media GmbH, Berlin) wendet sich an Kommunalverwaltungen und wird dort geführt, auch im Ministerium des Inneren und für Sport Rheinland-Pfalz. Oben genannte Beiträge (und weitere) dieser Zeitschrift können über das Internet eingesehen werden. (https://kommunal.de)

Darstein – eine der acht Ortsgemeinden mit Potential.
Foto: Werner G. Stähle

 

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