Dienstag, 23. April 2024

Corona-Kritiker aus Innenministerium sorgt weiter für Wirbel: „Der Beamte hat nur seinen Job gemacht“

15. Mai 2020 | Kategorie: Allgemein, Nachrichten

Foto: Pfalz-Express

Berlin  – In einem 80seitigen Papier hatte ein Referatsleiter, der mit der Beurteilung der Corona-Krise vom Bundesministerium des Innern beauftragt war, die Auffassung vertreten, es handle sich bei der Covid19-Pandemie um einen „globalen Fehlalarm“.

In seiner Analyse innerhalb des Referats attestierte er der Bundesregierung „gravierende Fehlleistungen des Krisenmanagements“ und „Defizite im Regelungsrahmen für Pandemien“.

Festgestellt wurde, dass die Gefahr des neuartigen Coronavirus „nicht größer sei als die vieler anderer Viren“. In seiner Analyse schreibt der Referatsleiter, dass nach seinen Erkenntnissen, die angeordneten Maßnahmen mehr schadeten als nützten. Auch der Begriff „Fake-News-Produzent“ wurde in Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen genannt.

Der Referatsleiter war danach von der Arbeit suspendiert worden.

In einer Pressemitteilung vom 10. Mai nimmt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Stellung:

1. Die Bundesregierung hat in Folge der Corona-Infektionsgefahren zum Schutz der Bevölkerung Maßnahmen ergriffen, um die Infektionskette im Inland und im grenzüberschreitenden Verkehr zu unterbrechen.

Diese werden innerhalb der Bundesregierung fortlaufend abgewogen und regelmäßig mit den Ministerpräsidenten der Länder abgestimmt. Viele Länder dieser Welt und die meisten Länder in Europa haben ähnliche Maßnahmen ergriffen, zum Teil gehen die Einschränkungen über die in Deutschland geltenden Regelungen hinaus. Das Infektionsgeschehen in Deutschland ist im internationalen Vergleich bislang eher niedrig.  Die ergriffenen Maßnahmen wirken.

2. Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Dies gilt auch für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, solange dies auf dem Boden der Verfassung erfolgt. Der Mitarbeiter des BMI hat seine Privatmeinung und ggf. die Meinung anderer an dem Papier Beteiligter zusammengefasst und verbreitet.

Diese eigenständig vorgenommene „Analyse“ erfolgte außerhalb der sachlichen Zuständigkeit des Verfassers sowie der Organisationseinheit im BMI, für die er tätig war. Für diese Zusammenstellung gab es weder einen Auftrag, noch eine Autorisierung. Eine strukturelle Einbindung aller am Krisenstab beteiligten Organisationseinheiten, wie sonst bei seriösen Analysen zwingend erforderlich und üblich, erfolgte hier nicht.

3. Es ist nicht akzeptabel und mit den allgemeinen Pflichten im öffentlichen Dienst nicht vereinbar, wenn private Meinungsäußerungen und Gedankensammlungen unter Verwendung behördlicher Symbole, z.B.: dem offizielle Briefkopf, verfasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Auf diese Weise wird der Anschein erweckt, die Privatmeinung gebe die offizielle Auffassung einer Behörde wieder. Durch innerdienstliche Maßnahmen wurde zwischenzeitlich sichergestellt, dass der Verfasser des Schreibens nicht weiter den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, er handele insoweit für oder im Namen des BMI. Die weitere Sachaufklärung erfolgt im Rahmen der dafür gegebenen Verfahren auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften.

Kritik am Vorgehen gegen den Kritiker

In Teilen der CDU stößt der Umgang von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit dem Beamten auf Kritik . „Die Grundaussagen des Papiers, dass die Gefährlichkeit des Coronavirus überschätzt wird, teile ich komplett“, sagte die sächsische Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann (CDU) dem „Spiegel“.

Der Beamte habe im Grunde bloß seinen Job gemacht. „Dass er dafür vom Innenministerium als Wirrkopf dargestellt wird, irritiert mich. Damit befeuern wir die Verschwörungstheorien ja noch.“

Sie erwarte schon, dass man sich ernsthaft mit seinen Thesen auseinandersetze. Auch in der jüngsten Unionsfraktionssitzung war der Fall Thema, berichtet der „Spiegel“. Es wurde davor gewarnt, die Sichtweise des Beamten zu ignorieren.

Werde das Papier als Werk eines Irren abgestempelt, sei das „Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker“, wird der Digitalexperte Christoph Bernstiel aus Sachsen-Anhalt zitiert.

Seehofers Staatssekretär Günter Krings (CDU) wandte sich in der virtuellen Sitzung demnach entschieden dagegen, das Papier des BMI-Beamten ernsthaft zu behandeln. Wenn man beginne, solche Papiere zu analysieren, „dann können wir demnächst auch die Jungs mit den Aluhüten zu den Bundestagsanhörungen einladen“, wird Krings zitiert.

Seehofer verteidigt das Vorgehen seines Ministeriums gegen den Beamten. „Jeder weiß, dass ich ein hohes Maß an Liberalität im Hause pflege. Ich habe deshalb kein Problem damit, dass er seine Meinung hat, die er vertritt“, sagte der CSU-Politiker dem „Spiegel“. Nicht in Ordnung sei, „dass er die Infrastruktur und den Briefkopf des Ministeriums verwendet hat, um den Eindruck zu erwecken, es sei die Meinung des Ministeriums. Bei aller Liberalität gibt es ja auch noch Loyalität.“ (desa/dts nachrichtenagentur)

 

 

Print Friendly, PDF & Email
Zur Startseite

Abonnieren Sie auch unseren Pfalz-Express-Kanal bei YouTube

Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken

Kommentare sind geschlossen